Ein deutscher Urlaub Teil II

Berge, Wiesen, Wolken, Regen und ein Kreuz im Klausbachtal (foto: zoom)

Am Tag II unseres deutschen Urlaubs, auf dem wir auch Chinesen und US-Amerikaner:innen sowie Italiener:innen identifizieren konnten, hat es geregnet, aber das hat nichts gemacht, es war sogar angenehm kühlend.

Durch das Klausbachtal sind wir über die Hängebrücke bis zur österreichischen Grenze gelaufen, zwischendurch ein Kaffee auf der Ragert Alm, ansonsten ab und zu hinabgebeugt und die Blütenpflanzen des bayerischen Nationalparks angeschaut:

Enzian im Regen (foto: zoom)

Frauenschuh, Langblättriges Waldvöglein, Enzian, Mehlprimel, Ährige Teufelskralle, Esels-Wolfsmilch und noch viel mehr. Das Bücken lohnt sich. Nur gucken, nicht pflücken!

Das Berchtesgadener Land ähnelt immer noch sehr stark dem Bild, welches ich als Kind aus den Büchern meiner Eltern vermittelt bekommen hatte. Später kamen dann noch ein paar Reisen dazu, die die Ur-Bilder nicht erschüttern konnten. Heute finde ich sie allesamt noch intakt.

Warum soll es mir anders ergehen als den amerikanischen, spanischen, italienischen und chinesischen(*) Reisenden in das Herz Deutschlands?

Morgen ein weiteres Bild.

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(*) bei Bedarf zu ergänzen



Das war der „Vatertag“ – ein Foto und zwei Gedanken zu Uvalde.

Portrait zweier netter Wesen in Heggen bei Meschede. (foto: zoom)

Was hat der „Vatertag“ mit zwei Pferden zu tun? Genau so viel wie ich den „Vatertag“ zelebriere, nämlich gar nicht(s).

Als ich heute mit dem Rad von Remblinghausen die Runde über Löllinghausen, Beringhausen und Heggen nach Meschede fuhr, standen die Pferde am Wegrand und wollten fotografiert werden.

Mit der kleinen Display-Kamera – ich hättte lieber einen Sucher – ist mir seltsamerweise doch noch eine Aufnahme geglückt.

Weil ich gerade den Artikel zu den Depressionswochen im Hochsauerland veröffentlicht habe, will ich mit einem optimistischen Bild in den Schlaf finden, zumal die Nachrichtenlage mich nicht begeistert.

Mitte der 90er Jahre sind wir auf dem Weg von Dallas zum Big Bend National Park auch durch Uvalde gefahren, immer dem Highway 90 nach Westen über Del Rio folgend.

In Uvalde haben wir meines Wissens nicht angehalten oder übernachtet. Die Landschaft hatte mir gefallen. Ich war ein Fan der west-texanischen Leere und Aufgeräumtheit.

Zur Zeit bin ich unendlich traurig. Wieder ein Massaker und wieder soll nichts passieren. Was für ein Land, in dem die Abtreibung von befruchteten Eizellen als Mord gilt, während Kinder schulklassenweise ermordet werden.

In den USA herrscht ein stiller Bürgerkrieg. Warum?

Radfahrer:innen absteigen… fotografieren und ein wenig plaudern.

Der Storch im Schilf oder doch ein Reiher? (foto: zoom)

Ich lege mich erst einmal auf Storch fest. In den ganzen pandemischen Jahren hatte ich es nicht geschafft, am Stausee in Olsberg vorbeizuschauen um dieses Wandgraffito zu fotografieren.

Jetzt ist es erledigt. Das Bild ist ganz hübsch und hat auch noch eine andere Seite. Die ist dann weiter unten zu finden.

Die Pandemie hat vielleicht mehr verändert als vielen von uns bewusst ist. Immer weniger höre ich den Slogan „Wir wollen unser altes Leben zurück!“, vielleicht weil uns dämmert, dass wir es, ob im Guten oder Bösen, nicht mehr wiederbekommen werden.

Zum Guten zähle ich die neue Aufmerksamkeit für die kleinen und großen Dinge des Lebens. Ich habe das Hochsauerland regelrecht abgescannt und aufgesaugt. Die Langeweile war gar nicht so eintönig wie befürchtet. Ein bisschen a la Pippi Langstrumpf als Sachensucher:in durch die Welt ziehen, wobei man den Begriff Sachen nicht so eng sehen sollte. Klar dürfen es auch Steine oder Kastanien sein, aber ich meine eher Orte, Wege, Menschen und schon habe ich Pippi Langstrumpf hinter mir gelassen.

Was gab es ohne Ansteckungsgefahr zu entdecken? Vogelstimmen, Blütenpflanzen, neue Rezepte, Bücher, Berge, Spazier- und Radwege, Mathematik und Statistik, Parks und noch mehr Parks, Graffiti und Architektur, Städte und nicht zuletzt die Menschen, mit denen man sich trifft – draußen, beim Spazieren gehen, an der frischen Luft – und die Gedanken werden frei.

Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass es ein Leben ohne Restaurant- und Kneipenbesuche geben könnte.

Vieles ist möglich und manches muss auch nicht.

Das Böse lünckert um die Ecke oder ist schon da. Klimakatastrophe, Krieg und Viren. Alte und neue Armut. Dummheit, Gier und Empathielosigkeit. Rassismus und Klassismus.

Es wird nicht einfacher für unsere Kinder. Wir haben es nicht geschafft.

Wird ihn der Storch erwischen?

Vielleicht können wir noch ein wenig helfen? Auf die alten Tage wieder politisch aktiver werden? Zwei FFF-Demos stehen inzwischen auf der Haben-Seite. Reicht das am Ende des Tages? Was tun?

Kleiner Dörnberg und Kassel: mein Tag in Bildern

Blick vom „Alpenpfad“ im Naturschutzgebiet Dörnberg. (alle Fotos: zoom)

Wieder einmal ein Durcheinander-Tag mit Streifzügen durch ein Naturschutzgebiet und eine Stadt. Kleiner Dörnberg und Kassel. Halbtrockenrasen und Asphalt.

Im Nordwesten von Kassel liegt der kleine Dörnberg mit einem geschützen Halbtrockenrasenbestand. An einem solchen Standort gibt es viele unterschiedliche Pflanzengesellschaften, mehr als auf den überdüngten Fettwiesen des Hochsauerlandes – und vor allen Dingen Orchideen.

Schon vom Wanderparkplatz aus konnte man die rosa-rötlichen Teppiche des „Männlichen Knabenkrauts“ (Orchidee) sehen, dazwischen die verblühende Wiesen-Schüsselblume (keine Orchidee).

Für den drei Kilometer langen Alpenpfad um den kleinen Dörnberg habe ich drei geschlagene Stunden benötigt. Am Ende hatte ich fast dreißig verschiedene Blütenpflanzen beobachtet, bestimmt und fotografiert.

Vom Parkplatz immer die Nr. 2 um das NSG herum gehen.

Leider blieb mir bei der ganzen Blüteneuphorie nicht mehr genügend Zeit, um auf den Großen Dörnberg und die Helfensteine zu klettern. Merkzettel: unbedingt nachholen!

Licht und Schatten: Österreichischer Lein?

Manche Angaben der Bestimmungsbücher und Apps konnte ich nicht immer 100% nachvollziehen, deshalb sind die Artnamen bei den Bildern mit Vorsicht zu genießen. Solltet ihr es besser wissen, immer her mit der Antwort.

Der rot-orangene Saum sieht sehr chic aus: die Dichter-Narzisse

Die Dichter-Narzisse ist eigentlich seit dem Altertum eine Zierpflanze, auf dem Dörnberg schient sie ausgewildert und eingebürgert zu sein, ein Neophyt.

Ich tippe auf den kleinen Wiesenknopf, auch Kleine Bibernelle oder Pimpinelle.

Als ich bei der Pimpinelle angekommen war, merkte ich doch, dass ich zuwenig zu essen und zu trinken dabei hatte. Der große Dörnberg rückte in immer weitere Ferne. Merken: ein Objektiv weniger, dafür ein Butterbrot mehr. Wasser nicht vergessen.

Der Smaragd-Fallkäfer

Zu den Blüten gesellten sich in der Mittagshitze die Insekten, aber der Smaragd-Fallkäfer wuselte eher zufällig auf dem Blütenstand des Löwenzahns herum. Wisst ihr, dass acht Blüten (eigentlich Blütenstände aus Zungenblüten) des Löwenzahns den Tagesbedarf an Nektar einer Hummel decken?

Am frühen Nachmittag wurde das Licht schon fahl und dunstig.

Am frühen Nachmittag war ich endgültig dehydriert und unterzuckert. Also ab in die Stadt nach Kassel. Wasser, Kaffee, ein belegtes Brötchen und die Energie kehrte für einen Stadtspaziergang zurück.

Das „Wappentier“ von Kassel

Unterhalb des Kasseler Klinikums befindet sich eine „Hall of Fame“ mit viel Graffiti.

Der heimliche Herrscher Kassels ist der Waschbär. Er hat inzwischen die ganze Stadt erobert und fühlt sich dort pudelwohl – das finden nicht alle Bewohner:innen gut. Die kleinen Raubtiere fressen alles, was ihnen zwischen die Tatzen kommt, selbst Wärmedämmungen von Häusern sind vor ihnen nicht sicher.

Graffiti in Nordholland

Wenn sich der Dörnberg für botanische Exkursionen eignet, so findet man in Kassel jede Menge Graffiti. Bei jedem Besuch sehe ich neue Motive und Bilder. Es macht Spass. Outdoor-Kunst für umsonst. Woanders gilt das als Schmiererei.

Schluss jetzt. Ich kann nicht mehr. An einer Garage wird mir der Abschiedsgruß geblasen. Ich komme wieder.

Sieht sehr jazzig aus: der Garagentrompeter




Ein Sonnenuntergang und vier Blütenpflanzen

Sonnenuntergang in Siedlinghausen (foto: zoom)

Nach dem kleinen Hamburg-Ausflug habe ich mich heute wieder im Sauerland akklimatisiert. Dazu gehörte es, eine Menge Löwenzahn und Moos aus den Pflasterritzen zu kratzen; aber nicht zuviel, damit morgen noch etwas zu tun ist.

Unser Auto habe ich aus der Inspektion geholt, und weil ich nicht zwei Autos gleichzeitig fahren kann, bin ich auf dem Hinweg die sieben Kilometer über den Berg ins Nachbartal zu Fuß gegangen.

Am Wegrand blühten die üblichen Verdächtigen. Vier Blüten bzw. Blütenstände habe ich mit dem Smartphone aufgenommen.

Wer mag, darf raten, um welche Arten es sich handelt.

Wer sind wir? (fotos: zoom)

Was sonst noch geschah, bleibt unter uns; bis auf den Sonnenuntergang. Der war mal wieder ganz ansehnlich.

Und damit bin ich wieder im Hochsauerland angekommen. Ihr findet mich morgen beim Pflasterritzenkratzen.

Nestbeschmutzung: Kahler Asten – jetzt neu mit Pollern und ohne rustikale Sitzbänke am Café

Poller auf dem Parkplatz (foto: zoom)

Nachdem ich am Samstag den Frühlingswald auf dem Odenberg bewundert hatte, bin ich gestern zu einem kleinen Abendspaziergang auf den Kahlen Asten gefahren.

Neu waren mir die Poller auf dem Parkplatz. Wird vielleicht etwas mit Parkraumdisziplinierung und Auffahrunfallverhinderung zu tun haben, aber etwas genaues weiß ich nicht. Nichts gelesen, nichts gehört.

Verschwunden sind die rustikalen Sitzbänke und die geschwungenen hölzernen Ruhesessel vor dem Café. Die habe ich immer sehr gemocht, aber nun sind sie einer 08-15-Gartenmöbelgarnitur gewichen.

Die rustikalen bequemen Sitzgelegenheiten sind verschwunden. Wohin? (foto: zoom)

Kurz und schlecht: Der Kahle Asten hat mich enttäuscht. Na ja, fast. Was immer klappt ist ein Bild mit kahlem Baum vor leerer Landschaft mit Weitsicht.

Die kahlen Solitäre haben immer noch Charme. (foto: zoom)

Vielleicht hatte ich gestern Abend auch nur meine Negativ-Brille auf. Wer weiß. Es war kalt und ungemütlich. Und wie wir alle gelernt haben: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Und manchmal auch umgekehrt oder wild durcheinander.

Kleine Fluchten: der Odenberg

Am Morgen war der Himmel noch grau. Der Odenberg liegt harmlos gewölbt hinter dem Rapsfeld. (foto: zoom)

Gestern Morgen war der Himmel noch milchig und trüb. Der 381 Meter hohe Odenberg bei Gudensberg wölbte sich hinter einem Rapsfeld. Ich wollte eine seit zwei Jahren geplante Exkursion endlich abhaken.

Der Odenberg ist wie die vielen anderen Basaltkuppen in der Nähe von Kassel ein Überbleibsel vulkanischer Aktivitäten aus dem Erdzeitalter des Tertiär. Die verwitterten vulkanischen Gesteine sind mit fruchtbarer Asche überdeckt und damit ein idealer Nährboden für Frühlingswaldpflanzen.

Schon zu Hause hatte ich eine Liste derjenigen Blütenpflanzen studiert, die mich auf dem Odenberg erwarten sollten. Von Allium ursinum (Bär-Lauch) – dazu später mehr – bis Viola reichenbachiana (Waldveilchen) habe ich an die zwanzig Pflanzenarten beim Blühen erwischt.

Wenn mich nicht alles täuscht, handelt es sich hier um das Echte Lungenkraut, Unterart Dunkles Lungenkraut. (foto: zoom)

Es gibt einen sehr (!) steilen Weg hinauf zum hölzernen Turm auf der Bergkuppe und einen angenehmen längeren Weg, der einen Bogen über die flache Flanke des Odenbergs schlägt. Letzteren würde ich allen empfehlen, die auch nur eine Spur von Arthrose in den Knien haben. Der steile kurze Abstieg ist übrigens noch höllischer als der Anstieg. Von wegen, runter kommen sie immer.

Augen zu und hoch. Er könnte wackeln. (foto: zoom)

Es schnauften viele Leute mit leeren Händen den Berg hinauf und kamen mir mit gefüllten Papiertüten zufrieden lächelnd wieder entgegen. Ich musste gar nicht fragen, was in den Tüten war. Der Bärlauch war auch so zu riechen. Die Sammelwut hat mich allerdings nicht ergriffen, da wir hier oben im Hochsauerland selber genug von der bärigen Zwiebelpflanze haben. Guckt in die feuchten Mulden der Buchenwälder – solange es sie noch gibt.

Links wird die Blüte der Knoblauchsrauke angezapft, rechts ist der Wegweiser zu sehen. (fotos: zoom)

Ich habe den langen, flachen Panoramaweg genossen und den schnellen Abstieg gehasst. Dazwischen gute Laune, bunte Blumen und ein schöner Blick vom Turm.

Die Handstraußregelung wurde von den Bärlauchsammler:innen sehr großzügig ausgelegt. (foto: zoom)

Die vielen Blütenbilder vom Odenberg erspare ich euch. Geht selber gucken, bevor sich der Wald durch den Laubaustrieb der Bäume verdunkelt. Dann endet die Zeit vieler krautiger Blütenpflanzen im Laubwald. Die Kälte des Winters und die Dunkelheit des Sommers sind die beiden Hauptfeinde der sogenannten Geophyten.

Der Bärlauch wird sich bis zum nächsten Frühjahr von der Erntewut der Menschen erholen. Lasst es euch schmecken und genießt den Knoblauchersatz.

Für mich ging es danach zur Dönche und zur UB in Kassel. Aber das ist eine andere Geschichte.

Gegen Mittag hatte die Sonne den Dunst (fast) abgeräumt. Blickrichtung Kassel.



Der Frühling kommt – was ändert sich im Blog?

So sieht es aus, wenn die Natur im Hochsauerland explodiert. (foto: zoom)

Gestern habe ich an einem ganztägigen Online-Seminar des „Reporter[sic!]-Forum“ teilgenommen. Es waren, anders als der Name es vermuteten lässt, sehr viele kluge freie und feste Journalistinnen dabei.

Auf vier je anderthalbstündigen Zeitschienen konnte man jeweils zwischen vier bis fünf Workshops wählen.

Ich war bei folgenden Themen dabei:

  • Wie Klimajournalismus im Lokalen funktionieren kann
  • Lokalmedien und Audio-Formate
  • Über Querdenker recherchieren und berichten
  • Neugründungen von Lokalmedien

Jetzt wisst ihr, warum ich den ganzen Tag im Keller gehockt habe. Zum Glück war das Wetter schlecht.

Die Wahl der Themen zeigt, in welche Richtung meine Gedanken schweifen. Über zwei Jahre lang habe ich – „aus Gründen“, wie man so schön sagt – das Blog schleifen lassen. Jetzt will ich prüfen, ob ich ohne erhöhten Zeitaufwand ein paar neu Dinge anstoßen kann.

„Ich will häufiger die lokale Brille aufsetzen“ und dabei die „großen Fragen“ nicht aus den Augen verlieren, wäre ein gutes Credo.

Die größte der „großen Fragen“ ist imho, trotz Pandemie und Krieg in der Ukraine, die Klimakatastrophe, und diese spiegelt sich auch im Lokalen wider.

Winterberg, das Hochsauerland, NRW, Deutschland, Europa und die Welt werden sich um den Preis des Untergangs verändern. Klimagase auf Null oder „der Arsch ist ab“.

Das Thema werde ich an anderer Stelle genauer aufdröseln. Hier wollte ich nur grob ein paar Punkte aufschreiben, auf die ihr mich im nächsten Jahr gerne festnageln könnt.

Das war’s eigentlich schon.

Ich werde auf keinen Fall mehr Zeit als bisher ins Blog stecken. Ich bastele gerne mit Medien herum, darum der Workshop „Audioformate“. Muss aber nicht, wenn es zu aufwändig wird.

Eine Neugründung kommt auf keinen Fall in Frage. Alles andere als das kleine selbstbestimmte, nichtkommerzielle, reklamefreie „zoom … das Sauerland und mehr“-Blog überstiege meine Ressourcen. Man soll ja nie „Nie“ sagen, aber das, was ich beim Workshop „Neugründungen von Lokalmedien“ gehört habe war: viel Zeit, viel Arbeit, wenig Geld.

In den über 13 Jahren seiner Existenz ist mir das Blog ans Herz gewachsen. Ich freue mich über die Artikel der Mitautor*innen (* oder : ? Das ist hier die Frage!). Viele sind schon sehr lange dabei, manche tauchen ab, manche wieder auf. Das Leben ist ein Wechselbad.

Am wichtigsten sind mir allerdings die Familie, Spaziergänge, Radtouren sowie kleine und große Reisen.

Ich habe vor ein paar Tagen ein paar Pflanzen und Tiere am Wegrand in der Nähe – im Umkreis von 500 m – fotografiert. Lungenkraut, Regenwurm und Pestwurz. Zu Beginn des Frühlings ist das hohe Hochsauerland sehr übersichtlich.

Pausenbild: kleine Fluchten

Auf dem Kahlen Asten. Sonnig und fast mild. (foto: zoom)

Man muss ja mal raus. Links und rechts, vorne und hinten holen sich die Leute ihre Corona-Erkrankung. In meinem Bekanntenkreis waren die Verläufe bislang nicht schwerwiegend.

Repräsentativ ist das nicht, denn wegen Corona treffe ich nur wenige Menschen. Im Nachhinein habe ich festgestellt, dass ich trotz meiner Vorsicht einige Infizierte, die es erst einen Tag später wussten, getroffen habe. Zum Glück mit Abstand und fast immer draußen. Omikron hätte mich also erwischen können.

Ich hatte mir fest vorgenommen, dem Virus ein Schnippchen zu schlagen. Den Vorsatz habe ich immer noch, allerdings kann ich mich auch nicht im Kohlenkeller einschließen.

Also raus und auf’s Rad. Die Entscheidung, wohin es geht, treffe ich meist spontan am Ende unserer Straße.

Heute fiel die Wahl auf den Kahlen Asten. Mit dem neuen E-Bike ist das ein Klacks. Die knapp 30 Kilometer sind in 80 Minuten erledigt, trotz mehr als 500 Höhenmetern. Die Stromkosten für den Akku kratze ich leicht zusammen.

Die unerfreulichen Ereignisse des Tages habe ich beim Pedalieren vergessen, und das sollte auch so sein.

Morgen geht es dann weiter mit Krieg, Klimakatastrophe, Pandemie und sozialer Ungerechtigkeit. Leider.

Oder ich mache Mathematik, da gibt es häufiger eine Lösung als im echten Leben. Oder?

Gute Nacht!

Grabstein für einen Bücherwurm

Grabstein für einen Bücherwurm (foto: zoom)

Ich lebe schon so lange in Winterberg, dass ich fast mehr Menschen unter der Erde als über der Erde kenne.

Einer meiner Standardspaziergänge kreuzt den Siedlinghäuser Friedhof. Oft bummele ich ohne bestimmtes Ziel durch die Reihen, entdecke Namen und finde verloren gegangene Geschichten wieder.

Ein Essen bei Lingenauber, die epische Radtour an einem „Vater“tag, die Diskussion über Journalismus, die Fahrt mit dem Kirchenchor – ich als Anhängsel – in den Harz und ein Gespräch über der geöffneten Toilettenspülung. Klempnertechnik. Alles hat irgendwo seinen Platz.

Der Stein mit den drei Büchern ist neu- nun ja, im Sinne von: erst war dort ein Urnengrab mit welkenden Blumen und Kränzen, dann ein Holzkreuz und dann plötzlich die steinernen Bücher.

D., der diesen Ort unter der Erde belegt, war ein Bücherwurm. Seine Wohnung habe ich nie gesehen, aber den Dorferzählungen folgend, war der Bestand an Büchern legendär. In meiner Phantasie bogen sich die Balken und Böden unter der Last.

In unserem Freibad habe ich das erste Mal mit D. gesprochen. 1500 m schwimmen, am Schluss ein Cappuccino vor dem Verkauf am Eingang. D. saß zufällig am selben Tisch wie ich und entpuppte sich als Gegenteil aller Sauerländer Männer. Nicht mundfaul, nicht knapp angebunden. Er ließ seinen Sätzen die lange Leine. Er sprach gern, er sprach viel und er sprach über ein Thema: Bücher.

Mir, der ich einige Jahre in den USA gelebt hatte, erklärte D. die US-Amerikanische Gesellschaft. Klug und kritisch. Ihm war nicht zu widersprechen. Seine Kenntnisse bezog er dabei vor allem aus Krimis.

Ich müsse unbedingt Don Winslow lesen, dann würde ich die USA verstehen. Es folgte Exposé und Interpretation des letzten Don Winslow Thrillers. Kein dummes Gerede, alles sehr vernünftig und durchdacht.

D. hatte, wenn man bei diesem freundlichen Mann überhaupt von Macken sprechen kann, einen kleinen Fehler. Er lebte allein und hatte soviel mitzuteilen, dass er deshalb kaum Zeit zum Zuhören fand.

Wenn man das wusste und dazu Bücher liebte, kam man wunderbar mit ihm klar.

Das letzte Mal habe ich ihn auf einer Bank am Waldweg unterhalb des Kriegerdenkmals getroffen. Er war ein wenig müder als sonst, wir unterhielten uns – über Bücher.

Als ich hörte, dass D. gestorben sei, betagt und fast unspektakulär, war ich traurig.

Ab und zu gehe ich am Grabstein mit den drei Büchern vorbei. Wenn ich Glück habe, fällt mir dann eine verloren gegangene Geschichte mit D. ein.

Don Winslow habe ich inzwischen gelesen und ich weiß, dass er lebt, denn ich folge ihm auf Twitter. Er ist ein leidenschaftlicher Kritiker von Trump & Co, aber auch der Trägheit der Demokraten.