Alles, was Eltern wissen müssen: das 1×1 des Schulerfolgs – ein Buch von Detlef Träbert, auch für Lehrerinnen und Lehrer geeignet.

Detlef Träbert hat einen Ratgeber geschrieben, den nicht nur Eltern lesen sollten. (bild: buchcover beltz verlag)
Detlef Träbert hat einen Ratgeber geschrieben, den nicht nur Eltern lesen sollten. (buchcover: beltz verlag)

Ich kenne Detlef Träbert schon seit vielen Jahren. Wir haben telefoniert und per Email diskutiert. Meist ging es um das System Schule und die ihm innewohnenden Widersprüche und Probleme.

Einige Bücher und Aphorismen von Detlef Träbert haben wir im Blog besprochen.

Detlef Träbert ist darüber hinaus Autor dieses Blogs.

Vor kurzem haben wir uns in Winterberg verpasst, wohin er in die Grundschule eingeladen worden war.

Jetzt wisst ihr Bescheid und kennt meine Befangenheit.

„Das 1×1 des Schulerfolgs“ ist eines von zwei Büchern über Schule, die ich dieses Jahr mit Gewinn gelesen habe. Das andere ist Heinz Bude, Bildungspanik.

Ich habe das neue Buch von Detlef Träbert sehr schnell lesen können, denn es ist in einem angenehm verständlichen, dabei aber niemals naiven Stil geschrieben. Mit der rötlichen Schrift auf weißem Grund habe ich mich als Schwarz-Weiß-Leser nach einer kurzen Schrecksekunde angefreundet.

„Das 1×1 des Schulerfolgs“ will „den Eltern helfen, Ängste zu verlieren und Gesicht zu gewinnen“[S. 9]. In 44 Kapiteln behandelt Träbert Fragen aus seiner Praxis und seinen Gesprächen als Elternberater. Träbert weiß, wovon er spricht und schreibt.

Die 44 kleinen Kapitel -einige werde ich gleich noch ansprechen- hat der Autor in vier Oberthemen einsortiert: Klassenzimmer, Pausenhof, Hausaufgaben und Schulwechsel.

Spontan nenne ich jeweils vier Themen, die mich besonders interessiert haben.

Klassenzimmer:

  • Wenn Noten ungerecht sind
  • Respekt auf beiden Seiten
  • Müssen Lehrer Kinder wirklich mögen?
  • Ab in die Ecke?

Pausenhof

  • Schülermobbing – die „kleine Gewalt“
  • Erziehung zur Selbstwirksamkeit
  • „Du Streber!“
  • Eltern sind keine Taxis

Hausaufgabe

  • Raus aus der Förderfalle
  • Abenteuer Lesen
  • Diktatur der Diktate
  • Gelassen zum Schulerfolg

Schulwechsel

  • Grundschüler unter Druck
  • Besser lernen in schönen Räumen
  • Ganztagsschule – auch für mein Kind?
  • Noten sind Nebensache

Allein die oben aufgezählten Überschriften reichen bei mir aus, eine kleine Assoziationskette in Gang zu setzen. Ich beginne, auch ohne den Autor, mir meine eigenen Gedanken zu machen. Träbert trifft.

Am Beispiel des knapp vierseitigen Kapitels „Wenn Noten ungerecht sind“ möchte ich die Herangehensweise von Detlef Träbert beschreiben.

Der Einstieg:

In einer schwäbischen Kleinstadt legte eine Realschülerin ihrem Kunstlehrer eine Zeichnung zur Beurteilung vor. Sie erhielt eine Drei dafür. Was der Lehrer nicht wusste: Die Zeichnung stammte von der Mutter des Mädchens, die sie ihm vor dreißig Jahren als seine Schülerin abgeliefert hatte. Damals hatte er das Bild mit einer Eins bewertet. Welche Note ist nun gerecht?[S.15]

Gibt es gerechte Noten?

So kann dieselbe Mathematikarbeit eines Schülers von dreißig verschiedenen Lehrern Noten zwischen Zwei und Fünf erhalten, wie ein Erziehungswissenschaftler schon vor Jahrzehnten feststellte. Selbst bei zentralen Abschlussprüfungen gibt es Unterschiede zwischen Erst- und Zweitkorrektor von bis zu drei Notenstufen.

Und jetzt?

Nicht die Lehrer sind das Problem, sondern die Vorstellung, Leistungen messen und mit exakten Zahlen bewerten zu können. Die Objektivität von Noten ist grundsätzlich begrenzt; sie haben einen eingebauten Messfehler. Aber Lehrer müssen benoten, weil darüber Abschlüsse und Qualifikationen zugeordnet werden.

Und weiter?

Lehrer haben einen pädagogischen Spielraum

Aber:

Widerspruch gegen Noten ist kein Tabu

Interessant bei Träbert ist nun, dass er versucht, im Interesse des Kindes, dabei auch auf Seiten der Eltern und mit Verständnis für die Lehrer, die Situation, den Konflikt, den Widerspruch aufzulösen.

Wenn dann alle Bemühungen nichts nützen, kann man als Eltern auch weitergehende Schritte einbeziehen.

Elternhaus und Schule sollen als Partner im gemeinsamen Interesse des Kindes zusammenwirken. Jede Konfrontation schadet dieser Partnerschaft. Aber wo es geboten ist, sollten Eltern juristische Schritte nicht scheuen, denn für Schulen in einer demokratischen Gesellschaft gelten die gleichen Rechtsgrundsätze wie für alle anderen Lebensbereiche.

Wer sollte das Buch lesen?

Eltern mit Kindern im Kindergartenalter kurz vor der Einschulung, Eltern von Grundschulkindern und auch Eltern der Sekundarstufe I, insbesondere 5./6. Klasse.

Außerdem Lehrerinnen und Lehrer, denn in fast jedem Kapitel spielen sie eine Rolle. Es ist kein bösartiger Spiegel, den ihnen Detlef Träbert vorhält, und es schadet nicht, hineinzusehen.

Mein Einstiegs-Tipp für LehrerInnen ist das allerletzte Kapitel: Eltern machen Schule. Das beginnt mit dem Elternabend.

Elternabende sind der – weithin unterschätzte – Klassiker unter den Mitwirkungsmöglichkeiten, die Mütter und Väter in der Schule haben.

»O nein, nicht schon wieder!«, stöhnt Rebekka Heim, als sie die Einladung zum Elternabend aus der Schultasche ihrer Tochter fischt. Sie hat noch die erste Sitzung vom Anfang des Schuljahres in Erinnerung – das peinliche Schweigen, als es um Vorschläge zur Wahl von Elternvertretern ging, die vielen Informationen, die ihr den Kopf schwirren ließen, und so manche Äußerung anderer Eltern, über die sie innerlich den Kopf schüttelte. Sie, eine erwachsene Frau und Mutter, berufstätig und mit guter Bildung, hatte Herzklopfen gehabt, als sie sich zu Wort melden wollte! Muss sie da wirklich wieder hin? Was Rebekka Heim nicht ahnt: Manche Lehrerinnen und Lehrer haben vor Elternabenden die gleichen unguten Gefühle. Auch für sie sind es zusätzliche Termine. Auch sie empfinden die vielen Formalien als lästig. Auch sie haben oftmals Angst vor Kritik oder gar persönlichen Angriffen. In der Lehrerausbildung lernt man nichts über Elternarbeit und Gesprächsführung. Trotzdem sind solche Veranstaltungen sinnvoll und wichtig – und natürlich können sie auch so durchgeführt werden, dass alle Beteiligten sie als hilfreich und bereichernd erleben. »Elternabend« ist übrigens ein zwar gebräuchlicher, aber nur inoffizieller Begriff für Klassenelternversammlungen, der in den Schulgesetzen und Erlassen der Bundesländer nicht vorkommt.

Dem, der mich persönlich kennt, sei gesagt, dass ich mein Exemplar des  „Das 1×1 des Schulerfolgs“ im Rucksack bei mir trage. Fragt mich, wenn ihr es durchblättern wollt.

Ansonsten empfehle ich euch/Ihnen den örtlichen Buchhändler. Der hat es genauso schnell oder sogar noch schneller als „Amazon & Co“.

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Detlef Träbert, Das 1×1 des Schulerfolgs, Weinheim 2016
http://www.traebert-materialien.de/pdf/Flyer-Bestellung-1×1.pdf

„Was sind gute Schulen?“ – Neues Grundlagenwerk in vier Bänden.

Vier Bände zum Thema: "Was sind gute Schulen?" (fotomontage: zoom)
Vier Bände zum Thema: „Was sind gute Schulen?“ (fotomontage: zoom)

Ich habe schon seit einiger Zeit auf der Website des Prolog-Verlags gestöbert und von dort auch Pressemitteilungen erhalten. Die Informationen haben mich stets erschlagen, obwohl mich die Themen sehr interessieren. Kurz vor dem Schulbeginn in NRW veröffentliche ich heute ein Interview mit Prof. Dr. Klaus Moegling[1], geführt von Monika Sprenger[2] zum Thema „Was sind gute Schulen?“.

Auch wenn das Interview eine Verlagsveröffentlichung, also PR ist, halte ich es inhaltlich für sehr lesenswert. Vielleicht kann die ein oder andere LehrerIn oder pädagogisch Interessierte dem Text etwas abgewinnen.

Prof. Dr. Klaus Moegling Redaktion von Schulpädagogik-heute (verantwortlich) (foto: moegling)
Prof. Dr. Klaus Moegling
Redaktion von Schulpädagogik-heute (verantwortlich) (foto: moegling)

Frage (Monika Sprenger): Sie haben mit Ihren Redaktionsteams ein vierbändiges Grundlagenwerk im Prolog-Verlag zur Frage „Was sind gute Schulen?“ herausgegeben. Was ist die zentrale Botschaft der vier Bände?

Klaus Moegling: Man könnte leichtfertig – aber auch nicht völlig falsch – sagen: In guten Schulen findet guter Unterricht statt. Jedoch muss sich die Beantwortung der Frage nach der Qualität von Schule vor einem zu flachen schulpädagogischen Populismus hüten. Erstens ist mit dieser Aussage noch nicht geklärt, was denn guter Unterricht überhaupt ist und zweitens kann es ja kein Zufall sein, dass sich in der einen Schule nur selten guter Unterricht vorfinden lässt und in der anderen Schule guter Unterricht der Regelfall ist.

Frage: Wie lässt sich dann diese Frage differenzierter beantworten?

K. M.: Die Sicht auf das jeweilige Gute an Schulen ist sehr relativ, hängt also im starken Maße von der historischen Situation und dem gesellschaftlichen Kontext ab. Hierbei kommen auch Betroffene und Beobachter jeweils zu unterschiedlichen Urteilen, was denn das Gute an einer Schule sei. Bei den einen ist dies vor allem die Einübung in gesellschaftliche Normen und Werte, bei anderen die solide Vermittlung der Naturwissenschaften oder die ästhetische Bildung und bei anderen wiederum die besondere Berücksichtigung des Menschen als Ganzen, also in seiner subjektiven Verfasstheit, was immer das auch sein mag.

Daher muss die eigene Sichtweise in Bezug auf das Gute an Schulen im Hinblick auf ihre erziehungswissenschaftlichen und schulpädagogischen Prämissen transparent werden: Die Sichtweise der Herausgeberteams der vier Bände geht von einem bildungstheoretisch begründeten Anspruch an Schulen und Unterricht in einer sich entwickelnden Gesellschaft mit demokratischem Selbstanspruch aus.

Eine gute Schule ist in diesem Sinne eine Bildungsinstitution, die Kinder und Jugendliche auf ein Leben vorbereitet, in dem der Einzelne seinen kompetenten Beitrag zur Lösung politischer, ökologischer, ökonomischer, kultureller, technischer, sozialer und natürlich auch persönlicher Probleme leisten kann. Für diesen Lernprozess, auch im Interesse der Schüler, ist es notwendig, dass sich die Lernenden in der Schule wohl fühlen, sich akzeptiert und geachtet wissen.

Eine gute Schule bietet also nicht nur in der Breite ihres Angebots einen kompetenzfördernden Unterricht sondern auch ein subjektfreundliches Lernmilieu im Rahmen einer entsprechenden Schulkultur an. Schüler lernen in einer solchen Schule gern und selbstbestimmt und erhalten von qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern vielfältige Anregungen zur Bildung im Sinne einer Initiierung zur Selbstbildung.

Oberstes Ziel dieses Bildungsverständnisses ist die Förderung von Mündigkeit im Sinne einer kritischen Selbstreflexions-, Urteils- und an Partizipation orientierten Handlungsfähigkeit, so dass hierdurch der gesellschaftliche Demokratieanspruch und die Qualität von Schule zusammenkommen.

Frage: Was ist das Neue an diesem Verständnis guter Schulen?

K. M.: Zunächst einmal: Etwas ist nicht dann erst gut, wenn es neu ist. Insbesondere die Bildungsreform der 70-er Jahre, Vorarbeiten z.B. von Rolff, v. Hentig, Tillmann und Klafki sind unbedingt bei der Konzipierung des Verständnisses guter Schulen zu beachten. So ist das hier vorliegende Verständnis guter Schulen auch deutlich an das Konzept demokratischer Leistungsschulen angelehnt und natürlich entsprechend weiterentwickelt.

Vorbildschulen gibt es auch mit der Laborschule Bielefeld oder dem Oberstufenkolleg Bielefeld oder anderen reformorientierten Schulen, z.B. die Blick-über-den-Zaun-Schulen oder die im Rahmen des Deutschen Schulpreises ausgezeichneten Schulen, von deren Entwicklung sich Innovatives lernen lässt.

Doch gibt es auch neue Herausforderungen, wie z.B. der Anspruch auf inklusive Bildung sowie die Alphabetisierung und Förderung von Migranten- bzw. Flüchtlingskindern, die pädagogische Gestaltung von Ganztagsschulen, neue zeitliche Strukturen oder die zumindest partielle Auflösung der Fächergrenzen, die zu veränderten institutionellen Lösungen herausfordern. Hier gibt es in den vier Bänden zahlreiche Modelle und praktische Anregungen, wie eine Schule hierauf sinnvoll reagieren kann.

Frage: Welche Entwicklungsschritte müssen in diesem Sinne Schulen hin zur guten Schule durchlaufen?

K. M.: Zunächst ist ein Blick in das kooperative Innenleben einer Schule zu richten. Eine zentrale Bedingung einer positiven Entwicklung von Schulqualität ist das professionelle Zusammenwirken von Schulleitung und Kollegium im Rahmen einer an institutioneller

Weiterentwicklung interessierten Kooperationskultur. Qualifizierter Unterricht in der Breite, im Rahmen dessen sorgfältig diagnostiziert und binnendifferenziert gefördert wird, sowie ein gut abgestimmtes Wechselspiel von unterrichtlichen und außerunterrichtlichen schulischen Angeboten hängt mit einer positiven Entwicklung in der Kooperationskultur zusammen. Der Beitrag von Massenkeil/ Rothland im ersten Teilband der vier Bände bietet hier einen umfassenden Überblick und eine Systematisierung bisheriger Befunde. Im dritten Teilband, dem Forschungsband, finden sich weitere eigenständige Untersuchungen zur schulischen Kooperationskultur.

Im ersten Schritt muss also zunächst einmal an dem Verhältnis von Schulleitung und Kollegium gearbeitet werden. In einem zweiten Schritt sind die Lernenden und die Eltern in die Kooperation partizipatorisch einzubeziehen. In einem dritten Schritt sind die Kooperationsbeziehungen nach außen, also z.B. zur Bildungsverwaltung, regionaler Schulverbünde oder z.B. zu einheimischen Betrieben zu stärken und zu nutzen.

Gegenstand dieser Kooperation könnten die Fragen nach der konzeptionellen und schulprogrammatischen Weiterentwicklung der Schule und die Organisation von konkreten Schritten innerhalb dieser Konzeption sein, wie z.B. Epochalunterricht, Zusammenspiel von Lehrgängen und Projekten, Zusammenwirken von Unterricht und informellen Lernprozessen, das Verhältnis von Anspannung und Entspannung, das Zusammenspiel der verschiedenen Fächer beim Lernen, Berufsorientierung und Einbezug von Experten, Deutsch als Zweitsprache für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund oder Aspekte der Inklusion im engeren und im erweiterten Sinne.

Der zweite Band gibt hier zahlreiche Beispiele, wie dies umgesetzt werden kann. Der vierte Band mit dem besonderen Schwerpunkt auf der Qualität von Ganztagsschulen macht hierüberhinaus deutlich, wie unter zeitlich günstigeren Bedingungen einer gebundenen Ganztagsschule Hausaufgaben sinnvoll betreut werden können, Bewegung, Sport und Spiel integriert werden können sowie soziales Lernen auf günstigere Bedingungen stößt.

Frage: Ist denn die gegenwärtige Lehrerbildung geeignet, einen Professionalisierungsprozess anzulegen und zukünftig ein hierfür qualifiziertes pädagogisches Personal hervorzubringen, so dass guten Schulen auch ausreichend entsprechende Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen?

K. M.: Die Lehrerbildung in den verschiedenen Bundesländern ist tatsächlich ein großes Problem. Die Qualität und die Konzeptionen sind von Bundesland zu Bundesland, von Universität zu Universität ja sogar von Fachbereich zu Fachbereich innerhalb einer Universität – trotz KMK- und HRK-Beschlüssen – sehr unterschiedlich. Auch ist der Bologna-Prozess für die Lehrerbildung z.T. in Ansätzen stecken geblieben, z.B. in Hessen oder sogar zurück entwickelt worden, z.B. in Sachsen. Die verschiedenen Phasen, wie universitäre Ausbildungsphase, Vorbereitungsdienst und Fort- und Weiterbildung, sind hier voneinander systemisch getrennt, Theorie, Forschung und Praxis haben nur vereinzelt Kontakt zueinander. Die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer werden in solchen Fällen also nur unbefriedigend auf ihre schulische Tätigkeit vorbereitet.

Frage: Gibt es denn auch positive Beispiele für gelungene Ansätze in der Lehrerbildung?

K. M.: In NRW beispielsweise oder in Hamburg und Rheinland-Pfalz gibt es vielversprechende Versuche, die ersten beiden Phasen der Lehrerbildung stärker zu integrieren, indem die umfangreichen Erfahrungen der Fachleiter/innen bzw. der Studienseminare in die Betreuung, Beratung und Reflexion von zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern bereits in der universitären Phase der Lehrerbildung nutzbar gemacht werden. Gleichzeitig bleibt über den Kontakt zur Universität das Personal der Studienseminare bzw. der Pädagogischen Ausbildungszentren anschlussfähig an die aktuelle Entwicklung des wissenschaftlichen Diskurses.

Diese Schritte gilt es im Sinne einer Theorie-Forschung-Praxis-integrierten Lehrerbildung mit dem Ziel der Entwicklung und der Unterstützung von Schulqualität weiterzugehen.

Auch könnte eine gestufte Studiengangstruktur, die zur Zeit z.B. noch in Bayern, Hessen und Sachsen weitgehend aussteht, dabei helfen, nach dem Bachelor of Education noch einmal die Berufswahlentscheidung genau zu überprüfen und eventuell einen alternativen Weg der Professionalisierung zu gehen. Das Masterstudium sollte dann die fachdidaktische Vertiefung, die schulpädagogische Spezialisierung und ein Praxissemester zum Inhalt haben.

Hierbei muss dem Praxissemester ein systematischer Aufbau gut betreuter schulpraktischer Studien im BA vorausgehen.

Auch eine entlastete Berufseinstiegsphase könnte helfen, über das Angebot von Supervision, Team-Teaching und kollegialer Fallberatung sowie weitere professionelle Spezialisierungen beizutragen, dass Impulse der bisherigen Ausbildung nicht unter dem Druck einer vollen Stelle versiegen.

Die meisten Lehrerinnen und Lehrer sind natürlich schon im Schuldienst. Hier müsste der Ressourcenabbau in den meisten Bundesländern gestoppt werden, so dass eine u.a. von den Universitäten und den Institutionen der Vorbereitungsphase zu leistende Fort- und Weiterbildung für das bereits eingestellte Personal angeboten wird. Am effektivsten ist dies wieder in der Vermittlung von Theorie, Forschung und Praxis, am besten ausgehend und begleitend zu eigenem Unterricht der Kolleginnen und Kollegen.

Wenn derartige entschieden angepackte Reformen der Lehrerbildung vorgenommen werden, können am ehesten gut professionalisierte Lehrerinnen und Lehrer einen konstruktiven und andauernden Beitrag zur Weiterentwicklung zur guten Schule leisten.

Mein eigener Beitrag zur Reform der Lehrerbildung im ersten Teilband führt dies weitergehender aus („Gute Schulen benötigen eine gute Lehrerbildung“).

Frage: Wie sind die vier Bände „Was sind gute Schulen?“ aufgeteilt und was sind ihre inhaltlichen Schwerpunkte?

K. M.: Der erste Band (Schriftenreihe Theorie und Praxis der Schulpädagogik, Band 35) gibt eine theoretische Einführung, bietet mehrere grundlegende Artikel von erfahrenen Schulpädagogen und Erziehungswissenschaftlern zu Fragen der Schulqualität. Neben dem grundlegenden Einführungsbeitrag finden sich hier u.a. Beiträge von Prof. Jörg Schlömerkemper (Universität Frankfurt), Prof. Rudolf Messner (Universität Kassel) und Prof. Robert Schneider (Pädagogische Hochschule Salzburg) zu grundsätzlichen erziehungswissenschaftlichen Überlegungen zur Qualität guter Schulen. Anschließend werden in einem zweiten Teil dieses Bandes grundlegende Fragen zur Entwicklung von Schulqualität z.T. durchaus mit unterschiedlichen Einschätzungen kontrovers diskutiert. Hervorzuheben ist auch das E-Mail-Interview mit Prof. Jürgen Oelkers (Universität Zürich), das einen anderen methodischen Zugang zur Frage nach der Qualität von Schule bietet: „‘Gute Schulen‘ der Zukunft: ‚Ich würde die Hausaufgaben abschaffen ebenso wie das Sitzenbleiben‘.“

Nach diesem unverzichtbaren theoretischen Einstieg bietet der zweite Band (Band 36) zahlreiche schul- und unterrichtspraktische Beispiele und Anregungen für Profile, systemische Strukturen, Szenarien und Unterrichtssettings in guten Schulen. Hierbei ist anzumerken, dass sowohl Schulen im deutschsprachigen Raum als auch Modellschulen aus anderen Ländern und Erdteilen im Hinblick auf ihre systemische Leistungsfähigkeit vorgestellt werden.

Es wird weltweit an der Qualität von Schule gearbeitet und es gilt im globalen Kontext voneinander zu lernen. Es wäre eine Form westlicher Arroganz zu glauben, nur in Europa oder in Nordamerika gäbe es spannende Schulversuche. Daher werden hier auch Schulbeispiele aus Indien, Israel, Ecuador und Kenia vorgestellt.

Der dritte Band (Band 37) stellt aktuelle Forschungsergebnisse zur Qualität von Schule vor. Hierbei werden die empirischen Daten adressatenorientiert und gut verständlich dargestellt. Auch werden Einseitigkeiten vermieden und sowohl quantitative als auch qualitative sowie triangulativ ermittelte Ergebnisse präsentiert.

Es ist zu wünschen, dass nicht nur Forscher diesen Band lesen werden sondern auch möglichst viele Lehrerinnen und Lehrer, damit die Praxis in den Schulen anschlussfähig an die wissenschaftliche Forschung bleibt bzw. Forscher auch ein Feedback aus der Praxis erhalten.

Der vierte Band (Band 38) fokussiert nun insbesondere die Ganztagsschulen als sich zunehmend entwickelnde und verbreitende Schulform. Inzwischen sind z.B. in Deutschland bereits 60% der Schulen Ganztagsschulen, allerdings mit unterschiedlichen Verbindlichkeiten für das Ganztagsangebot.

In diesem vierten Band werden jeweils zu einem ausgewählten Themenkomplex Theorie, Forschung und Praxis miteinander verbunden, z.B. zur Frage der zeitlichen Rhythmisierung der Ganztagsschule, zur Frage des Verhältnisses von Pflicht- und Wahlunterricht sowie informellen Lernzeiten, zur Frage nach den Bedingungen für soziales Lernen, zur Frage der Hausaufgabenbetreuung und Aufgabenorientierung oder zur Qualität der Bewegten Ganztagsschule.

Frage: In welcher Reihenfolge sollten die Bände am besten gelesen werden? Gibt es prioritäre Beiträge?

K. M.: Das muss natürlich jeder selbst entscheiden. Aus dem Überblick über die vier Bände heraus würde ich allerdings empfehlen, zuerst den grundlegenden, ca. 30-seitigen Einführungsbeitrag im ersten Teilband (Band 35 der Schriftenreihe) zu lesen: „Was sind gute Schulen? Eine Einführung zu einer schwer zu beantwortenden Frage“ (Moegling/ Hadeler/ Hund-Göschel). Arbeitet der/ die lesende/r Kollege/in an einer Ganztagsschule, würde ich natürlich im zweiten Schritt den Beitrag von Fischer/ Kuhn/ Tillack im vierten Teilband (Band 38) lesen: „Warum können Ganztagsschulen besonders gute Schulen sein? – Spezifische Qualitätsmerkmale der Ganztagsschule“.

Die weitere Vorgehensweise dürfte sich daran orientieren, ob eher ein Forschungsinteresse (dritter Teilband, Band 37), ein praktisches Interesse (zweiter Teilband, Band 36) oder ein Wunsch nach theoretischer Vertiefung vorliegt (erster Teilband, Band 35).

Im Forschungsband finden sich hochinteressante Ergebnisse zu Leistungsüberprüfungen, zur Beziehung zwischen Schülern und Lehrern, zur Kooperationskultur und zur guten Schule aus der Sicht von Schülern und Lehrern. Hier kann man je nach Interessensschwerpunkt die gut gebündelten Themenkomplexe ansteuern.

Im Praxisband finden sich so viele interessante Beiträge zu Schulprofilen und Schulversuchen im nationalen und internationalen Kontext, dass man einfach den Band von vorn nach hinten durchstöbern und lesen sollte.

Frage: Woher ist der Impuls zu dem vierbändigen Grundlagenwerk mit ca. 1050 Seiten gekommen – also die Frage nach dem Entstehungsprozess?

K. M.: Die Beiträge der vier Herausgeberbände sind auf der Basis der bis vor kurzem noch online gestandenen Ausgabe der Online-Zeitschrift www.schulpaedagogik-heute.de entstanden und z.T. erheblich weiterentwickelt, überarbeitet und mit neuen Beiträgen ergänzt worden. Es sind über 100 Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Ländern beteiligt und die nun neuen vorliegenden Bände sind Ausdruck einer intensiven dreijährigen Vorbereitungszeit.

Die Forschungsbeiträge wurden einem Peer-Review-Verfahren (zwei Gutachter/innen, double-blind-Verfahren) unterzogen. Die weiteren Beiträge wurden sorgfältig redaktionell und im Herausgeberteam diskutiert und geprüft.

Dieses vierbändige Werk ist so angelegt, dass es zu einem aktuellen Grundlagenwerk in allen drei Phasen der Lehrerbildung werden, aber auch interessierten Eltern helfen kann, sich tiefergehend über heutige Qualitätsmaßstäbe für Schulen zu informieren.

Frage: Wie kann man die vier Bände erhalten?

K. M.: Die Bände können am leichtesten per E-Mail (info@prolog-verlag.de) beim Verlag unter Nennung der Bandzählung bestellt werden (Schriftenreihe Theorie und Praxis der Schulpädagogik: Bände 35-38). Auch die Online-Bestellung über die Verlagshomepage www.prolog-verlag.de ist leicht möglich. Ansonsten können die Bände natürlich auch über Amazon oder über den Buchhandel bezogen werden.

Es lohnt sich auch, einmal die gesamte Schriftenreihe „Theorie und Praxis der Schulpädagogik“ mit ihren inzwischen 38 publizierten Bänden auf www.prolog-verlag.de durchzusehen. Hier sind alle großen schulpädagogischen Themen, wie z.B. Kompetenzorientierung, Diagnostik und Förderung, Binnendifferenzierung, forschendes Lernen, Inklusion, Lernen und Geschlecht, digitale Medien, außerschulische Lernorte, Beziehungen oder fächerübergreifendes Lernen Theorie-Forschung-Praxis-integriert aufbereitet. Insgesamt ist diese Reihe auf 40 Bände konzipiert und liegt dann als abgeschlossenes schulpädagogisches Gesamtwerk vor. Die Reihe wird von Prof. Dr. Dorit Bosse (Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Kassel) und mir in einem sich dann über ein Jahrzehnt hinweg erstreckenden Kooperationsprozess mit großen Teilen der deutschsprachigen Schulpädagogik und Erziehungswissenschaft herausgegeben.

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[1] Prof. Dr. Klaus Moegling
Redaktion von Schulpädagogik-heute (verantwortlich), pädagogische und wissenschaftliche Arbeit in Schule, Universität, Studienseminar und Fortbildung, Habilitationen in Sportwissenschaften (Universität Hamburg) und in Politikwissenschaften (Universität Frankfurt), Privatdozent und apl. Professur an der Universität Marburg, seit 2008 apl. Professur am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel, Lektorat Prolog-Verlag

[2] Monika Sprenger ist Lehrerin mit dem Schwerpunkt auf dem naturwissenschaftlichen Bereich in der Sekundarstufe I an einer Schule in Starnberg (Bayern)

Neu: Plattdeutsche Gesamtausgabe des Sauerländers Franz Nolte (1877-1956)

Der Sauerländer Franz Nolte (1877-1956) aus Hagen bei Sundern konnte sich nur schwer mit der Vorstellung abfinden, dass die plattdeutsche Alltagssprache seiner Kindheit einmal ganz verstummen sollte. (foto: mundartarchiv)
Der Sauerländer Franz Nolte (1877-1956) aus Hagen bei Sundern konnte sich nur schwer mit der Vorstellung abfinden, dass die plattdeutsche Alltagssprache seiner Kindheit einmal ganz verstummen sollte. (foto: mundartarchiv)

Für Südwestfalen ist etwas Ungewöhnliches zu berichten, das Erscheinen einer neuen Gesamtausgabe zur Mundartliteratur.

(Presseinformation des Christine-Koch-Mundartarchiv
am DampfLandLeute-Museum Eslohe)

Der Sauerländer Franz Nolte (1877-1956) aus Hagen bei Sundern konnte sich nur schwer mit der Vorstellung abfinden, dass die plattdeutsche Alltagssprache seiner Kindheit einmal ganz verstummen sollte. Als pensionierter Schulrektor verbrachte er seine beiden letzten Lebensjahrzehnte in Letmathe (heute Stadtteil von Iserlohn).

Hier entstanden zahlreiche Mundartdichtungen, aber auch Beiträge über die Eigentümlichkeiten der sauerländischen Mundart und die Förderung des „Plattdeutschen Kulturgedächtnisses“.

Nolte war schon zu Lebzeiten als Autor und Vortragsredner in der ganzen Region bekannt. Drei abgeschlossene Werke blieben jedoch wegen der Zeitumstände ungedruckt und wurden 1955 beim Westfälischen Heimatbund archiviert. Diese Nachlass-Schriften, darunter einige Texte von beachtlichem Niveau, sind das Herzstück der jetzt vorliegenden „Gesammelten Werke“.

Maria Degenhart-Arndt (Iserlohn) stellt in der Einleitung zum Buch ihren Großvater Franz Nolte mit einem kurzen Lebensbild vor. Peter Bürger vom Christine-Koch-Mundartarchiv am Museum Eslohe bietet vorab einen Überblick zu allen Dichtungen und Aufsätzen.

In der niederdeutschen Literaturgeschichte Südwestfalens kann Franz Nolte nicht übergangen werden. Sein Werk eröffnet aber auch die Möglichkeit, Mentalitäten und Weltbilder früherer Generationen kennenzulernen. Ein Blick in den gesamten Inhalt ist über die daunlots-Ausgabe 82 auf www.sauerlandmundart.de möglich. Der Heimatbund Sundern hat die Erarbeitung der mehr als 300 Seiten umfassenden „Nolte-Werke“ durch eine Förderung in Höhe von 500,- Euro möglich gemacht.

Die neue Publikation kann überall im Buchhandel bezogen werden.

Franz Nolte (1877-1956):
Plattdeutsche Dichtungen und Beiträge über die Mundart des Sauerland.
Norderstedt: BoD 2016. ISBN 978-3-7412-4205-2
[Paperback; 324 Seiten; Preis: 13,90 Euro]
https://www.bod.de/buch/peter-buerger/plattdeutsche-dichtungen-und-beitraege-ueber-die-mundart-des-sauerlandes/9783741242052.html

Narziss in Westheim

Narziss auf dem Spiegel schwimmend (foto: zoom)
Narziss auf dem Spiegel schwimmend. See an der Diemel bei Westheim. (foto: zoom)

Folgt man dem Diemelradweg bei Westheim, liegen vier ehemalige Baggerseen am Wegrand.

Anhalten. Stöbern. Gucken. Knipsen. Vor allen Dingen Wasservögel.

Zwischen zwei Wolkenbrüchen habe ich gestern einen Schwan beobachtet.

Narziss auf dem Spiegel.

Wilde Assoziationen. Goldmund. Hesse. Glasperlenspiel. Steppenwolf. Schwanensee.

Sinnlos.

DAS LEBEN ZUM GUTEN WENDEN: Biographie der sauerländischen Friedensarbeiterin Irmgard Rode (1911-1989) – jetzt als Taschenbuch

Die katholische Pazifistin IRMGARD RODE. (bild: Peter Bürger)
Die katholische Pazifistin IRMGARD RODE. (bild: peter bürger)

Die katholische Pazifistin Irmgard Rode (1911-1989) war nach dem 2. Weltkrieg Kommunalpolitikerin in der sauerländischen Kreisstadt Meschede und später wohl die bekannteste Frau am Ort. Ihre Leidenschaft: „Das Leben zum Guten wenden.“

(Eine Pressemitteilung des Buchautors Peter Bürger)

Seit dieser Woche liegt die biographische Dokumentation über Irmgard Rode auch als preiswertes Taschenbuch vor. Diese Veröffentlichung lenkt den Blick auf ihr Lebenszeugnis für die eine Menschenfamilie: Hilfe für Flüchtlinge; Aufnahme von sozialbenachteiligten Kindern in die eigene Familie; Initiativen der internationalen Versöhnungsarbeit und des Jugendaustausches unter dem Dach der „Freunde der Völkerbegegnung“ und in der pax christi-Bewegung; Einsatz gegen Rassismus und das Verschweigen der nationalsozialistischen Massenmorde in nächster Nähe; Gründung eines Internationalen Kinderhauses; Aufklärung über die menschenfeindliche Religion des Militär- und Kriegsglaubens; Widerstand gegen die atomare Aufrüstung der 1980er Jahre …

Die streitbare Friedensarbeiterin fand viel Zuspruch bei jungen Leuten. Sie arbeitete mit Menschen aus allen demokratischen Lagern zusammen, die sich um mehr Menschlichkeit bemühten.

Fortgesetzt wird mit der im Buchhandel erhältlichen Biographie eine Reihe, in der jüngst bereits der Band „Friedenslandschaft Sauerland“
erschienen ist.

DAS BUCH:
P. Bürger (Hrsg.): Irmgard Rode (1911-1989) – Dokumentation über eine Linkskatholikin und Pazifistin des Sauerlandes. Norderstedt: BoD 2016. (Paperback, 232 Seiten, € 9,90). ISBN 978-3-7386-5576-6

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Informationen zum ersten Band der Reihe („Friedenslandschaft Sauerland“) hier:
https://www.bod.de/buch/peter-buerger/friedenslandschaft-sauerland/9783739238487.html

Umleitung: Sprache und Programm der AfD, Donna Leon, Sachbesitz, Funke Medien, Ramadan, Hütchenspiele, Todenhöfer und mehr …

Trübe Luft kurz vor dem Gewitterregen am Hillebachsee in Niedersfeld. (foto: zoom)
Trübe Luft kurz vor dem Gewitterregen am Hillebachsee in Niedersfeld. (foto: zoom)

Semantik der AfD: „Es ist gut, dass man in diesem Land eben nicht alles sagen darf!“ … deutschlandfunk

AfD-Programm: neoliberal, national, unsozial … monitor

Wie viele Dinge? Sachbesitz und Materialität: Zu unterschiedlichen Zeiten und auf verschiedenen Kontinenten verfügen Menschen über jeweils ganz andere Ausstattungen an Sachbesitz. Diese Differenzen sind nur zum Teil durch “Armut“ oder “fehlende Technologie“ zu erklären … publicHistory

„Beschädigtes“ Mädchen: „Ewige Jugend“ – Donna Leons 25. Brunetti-Krimi … revierpassagen

Ramadan: Gesegnete und friedliche Zeit … scilogs

WAZ, NRZ und Westfalenpost: Die Funke Mediengruppe startet ihre redaktionelle Transformation der Regionalzeitungen ins digitale Zeitalter. Unter der Bezeichung „Redaktion 2018“ beginnt der Prozess in den NRW-Redaktionen … funkemedien

Hütchenspiele: Er trägt es hoffentlich mit Fassung, dass er nun der neue „Doktor“ ist, an dem sich das Blog Causa Schavan reibt … erbloggtes

Satire: Im Tunnel … zynaesthesie

Blogspektrogramm 22/2016: soziale Variation, Migration & Übersetzung, Synchronisation, historische Semantik und Mohammed Alis Beitrag zur Poesie … sprachlog

Seehofer hat den Bogen überspannt: Biegt der CSU-Chef im Unionsstreit bei? … postvonhorn

Wenig huldvolles in Essen: Jürgen Todenhöfer, selbsternannter Islam-Experte … prinzessinnenreporter

Dortmund: So viel Terror steckt im „TddZ“ … ruhrbarone

Ausstellung „Drei Steine“ in der Steinwache: Lesungen zum Comic-Roman über rechte Gewalt in Dortmund … nordstadtblogger

Best of Ruhrpoeten! Musikalische Lesung der Bibliothek der FernUniversität … doppelwacholder

Neheims-Netz: nicht mehr erreichbar – schade 🙁 … neheimsnetz

Dortmund … alles auf einmal ist einmal zu viel.

Ich hätte heute gerne mehr Zeit in der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund verbracht. (zoom)
Ich hätte heute gerne mehr Zeit in der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund verbracht. (foto: zoom)

Heute hatte ich einen großartigen Plan, der dann leider eine kleine Macke hatte. Eigentlich nicht der Plan, sondern die Realität.

Hamburger Bekannte am Bahnhof in Dortmund abholen. Vorher in Ruhe eine Kamera bei Foto Knittel kaufen und dann noch meine Bücherausleihliste in der Stadt- und Landesbibliothek abarbeiten.

Ich hatte vergessen, dass es am Vormittag nicht so leicht ist, von der B1 zum Innenstadtring zu gelangen. Das Straßenstück vor dem Ring ist mit Ampeln gespickt, an denen bei dichtem Verkehr nur wenige Autos über die Grün-Phase kommen.

Mit Müh‘ und Not erreichte ich die Tiefgarage am Bahnhof. Für Foto-Knittel musste Zeit sein. Kamerakauf unter Druck ist nicht gut. Überhaupt ist Kaufen unter Druck nicht zu empfehlen.

Check! Ich habe endlich wieder eine Spiegelreflex-Kamera, nachdem mir unter ominösen Umständen vor Jahren mein Nikon D70 abhanden gekommen war.

Diese Geschichte erzähle ich allerdings erst, wenn alle Beteiligten tot sind, außer mir.

Foto Knittel war der richtige Ort. Werde ich wieder hin, wenn ich mir weiteres Equipment kaufe und Beratung benötige – oder einen kleinen Schwatz.

Vor dem Eintreffen des IC aus Hamburg blieben mir dann leider nur noch wenige Minuten für die Bibliothek. Gucken, fragen, an das A-Regal mit H und zwei Bücher von Mohammed Hanif herausreißen.

Auschecken und ab zu Gleis 11.

Alles auf einmal ist einmal zu viel.

Entspannt leben trotz digitaler Hysterie – Interview mit Georg Milzner

Buchautor Georg Milzner: Bitte keine digitale Hysterie. (foto: detlef traebert)
Buchautor Georg Milzner: Bitte keine digitale Hysterie. (foto: detlef traebert)

Das Interview mit Georg Milzner wurde anlässlich der didacta 2016 geführt. Wie die Rezension des Buchs ist es bereits in der Mai-Ausgabe von „Humane Schule“ erschienen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber.

Das Interview gehört mit zur unten veröffentlichten Rezension. Einfach Scrollen oder hier klicken.

(GM = Georg Milzner, DT = Detlef Träbert)

DT: Herr Milzner, Ihr Buch „Digitale Hysterie“ erklärt, warum Computer unsere Kinder weder dumm noch krank machen. Ist das eine Reaktion auf die Veröffentlichungen von Prof. Manfred Spitzer?

GM: Da in der heutigen Zeit die Tendenz besteht, Dinge in Ecken zu stellen, besteht schon die Gefahr, als Anti-Spitzer wahrgenom-men zu werden. Aber das ist nicht meine Ab-sicht. Ich finde nur, dass Spitzer eine generell ablehnende Position repräsentiert, die sich we-nig mit dem auseinandergesetzt hat, was die Heranwachsenden so faszinierend finden.

DT: Spitzer hat die psychologische Ebene gar nicht berührt. Er argumentiert nur als Hirnforscher und technologisch.

GM: Er argumentiert, man könne naturwissenschaftlich belegen, dass die Digitalisierung nur schadet. Das wäre das erste Mal in der Evo-lution, dass eine Sache ausschließlich schadet. Er lässt außer Acht, dass wir zweifellos Dinge verlieren würden, wenn wir nur noch digital unterwegs wären, wie das bei jeder Kompetenzausbildung ist, wenn man andere Dinge dafür vernachlässigt. Aber von einem Intelligenz-verlust kann man nicht sprechen, denn die Intelligenz der Gamer ver-lagert sich ja nur und verschwindet nicht. Spitzer negiert völlig, dass die ganze Hirnforschung und ihre bildgebenden Verfahren ohne Digitali-sierung überhaupt nicht funktionieren könnten. Insofern hat das ein bisschen was davon, als ob man eine Anti-Alkohol-Veranstaltung mit Freibier aufwertet.

DT: Was hat Sie neben Spitzer eigentlich dazu gebracht, „Digitale Hysterie“ zu schreiben. Waren es Ihre Kinder?

GM: Genau die! Meine Kinder liegen altersmäßig ungefähr ein Jahrzehnt auseinander. Bei den Größeren, die jetzt zu studieren begonnen haben, war das noch eine eher zurückhaltend geführte Diskussion. Der Kleinere, der jetzt elf ist, der wurde mitten in diese hysterisierte Debatte und gleichzeitig in faszinierende neue Räume hinein geboren.

Als Bewusstseinsforscher bin ich gewohnt, nichts zu kritisieren, was ich nicht vorher ausprobiert habe. Also wollte ich Computerspiele lernen. Das war zunächst sehr frustrierend. Man ist auf seinen Gebieten ganz gut, hat seine neuronalen Auslesen zu Kompetenzen entwickelt. Aber wenn wir jetzt da beginnen, wo die Zehn-, Elfjährigen anfangen, dann müssen wir feststellen, dass die das viel besser können als wir. Das fühlt sich für einen Erwachsenen gar nicht toll an. Das Kind hat rasend schnell die Tastenkombination raus, mit der man eine Figur weiterbewegt, während wir dabei herumkrampfen, als würden wir ganz neu Klavier spielen lernen. Wenn man aber durch diese Phase durch ist, stellt man fest, dass man da ein Beziehungsangebot gemacht hat, das super gerne angenommen wird. Und jetzt kann man anfangen, Erfahrungen zu teilen. Das war meine zweite Motivation, dieses Buch zu schreiben. Ich hatte den Eindruck, da tut sich ein Graben zwischen der älteren Generation und der der Heranwachsenden auf, der immer breiter wird. Wenn die Älteren zu wissen glauben, dass alles schlecht ist, verhindern sie Kommunikation.

DT: Im Begleittext habe ich den Begriff „Ratgeber“ gelesen. Aber ihr Buch liest sich gar nicht so.

GM: Der Verlag hat es wohl eher zwischen Ratgeber und Debattenbuch positioniert. Es hat durchaus einen Ratgeberanteil, der nur nicht so technisch zu verstehen ist. Es versucht eher, eine Haltung zu kultivie-ren und zum Nachdenken und Verstehen einzuladen. Dann entwickelt sich nämlich eine Haltung der Auseinandersetzung, die sich von bloß technisch orientierten Kniffen á la „Ich muss mich mal fünf Minuten mit dem beschäftigen, was mein Kind tut“, weit entfernt, dafür aber auch weiter reicht.

DT: Was mir auffiel, war, dass Schule in Ihrem Buch kaum vorkommt. Ist das Absicht?

GM: Ja, genau. Die Schulen haben ja sehr unterschiedliche Praktiken. Die Spanne reicht von jenen, die Smartphones verbieten, bis zu denen, die sich von Apple sponsern lassen und allen Kindern ein iPad in die Hand drücken. Im Moment ist die Gratwanderung zwischen dem Vermeiden früher Kundenbindung einerseits und andererseits dem Bemühen, den Anschluss nicht zu verpassen, sehr schwierig. Und dann müsste man auch von den Altersstufen sprechen. Die Früh-pädagogik ist mir im Moment viel zu verkopft, und bei den Grund-schülern braucht man in den ersten zwei Klassen auch nicht viel Elektronik. Da sind mir die reformpädagogischen Ansätze lieber.

DT: Haben Sie eigentlich bereits Pläne für ein nächstes Buch?

GM: Ein „Plan“, das wäre zu viel gesagt. Ich bin dabei weiterzuent-wickeln, was wir an mentalen Kompetenzen brauchen, um die Digitali-sierung möglichst gut mit uns geschehen zu lassen. Das wäre im Grunde ein Buch, das an die „Digitale Hysterie“ anknüpft, aber sich nicht mehr so sehr auf die Kinder bezieht, sondern auf alle. Es geht mir darum, deutlich zu machen, dass Selbstkompetenz wichtiger als Medienkompetenz ist.

DT: Sie arbeiten neben dem Schreiben auch mit Patienten. Haben Sie sich da eine feste Zeiteinteilung für die verschiedenen Arbeitsbereiche gegeben?

GM: Ich habe zwei Felder, wo ich mit Patienten arbeite, nämlich meine eigene Praxis in Münster und das Institut für Hypnotherapie in Düssel-dorf. Seit einigen Jahren habe ich mein Arbeitsfeld gedrittelt: ein Drittel Therapie, ein Drittel Weiter- und Ausbildungstätigkeit sowie ein Drittel Publizistik. Das passt eigentlich ganz gut. Meine Freiheitsgrade sind immer groß genug, um ein Projekt eine Weile weiterverfolgen oder mal einen Tag opfern zu können, um nur Interviews zu geben oder Radio-diskussionen mitzumachen. Das geht ab und zu.

DT: Also gut organisierte Vielfalt? Das klingt nicht nach Langeweile.

GM: Nein, langweilig wird es nicht. Es muss schließlich immer genug Zeit bleiben, die Liebsten auch noch wahrzunehmen. Familie ist ein sehr wichtiger Punkt, denn das primäre Lebensgefühl wird immer von den wichtigsten Personen mitbestimmt. Über Außenerfolge freut man sich zwar, aber das kann in keiner Weise diese Tiefe familiärer Beziehungen ersetzen.

DT: Herr Milzner, herzlichen Dank für das Gespräch!