Bundeswehr: Traditionspflege für Bürgerkrieg und Massenmord? Der „Finnentag“ in Hohenlockstedt am 2. März.

Deutsche Offiziere der "Finnischen Legion" an der deutsch-russischen Front in Estland 1917. Befehlshaber Hauptmann Ulrich von Coler (mittlere Reihe, 4. v. l.) trat wie viele andere dieser Gruppe 1918 auf die Seite der Weißen um Finnischen Bürgerkrieg. (foto: wikipedia***)
Deutsche und finnische Offiziere der „Finnischen Legion“ in Lettland 1917.
Befehlshaber Hauptmann Ulrich von Coler (mittlere Reihe, 4. v. l.) trat wie viele andere dieser Gruppe 1918 auf die Seite der Weißen im Finnischen Bürgerkrieg. (Photo: wikipedia)

Alte Kameraden erfinden den Ersten Weltkrieg neu – gegen Rote und Russen war’s ein „Freiheitskampf“ mit deutscher Hilfe. Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, verantwortlich für die Auslandseinsätze deutscher Soldaten in Afghanistan, Mali und anderswo, ist dabei.

(von unserem Gastautor Georg Blum)

In Schleswig-Holstein nahe der Kreisstadt Itzehoe gibt es ein merkwürdiges Militärgelände, das Lockstedter Lager: gegründet als Lager für französische Kriegsgefangene 1870/71, dann Ausbildungslager der kaiserlichen deutschen Infanterie, bis 2004 in Teilen genutzt als Heeresflieger-Standort der Bundeswehr. Merkwürdig ist hier vor allem ein jährliches Gedenkritual, zu dem diplomatische und konsularische Repräsentanten sowie höchste finnische und deutsche Militärs anreisen, unter letzteren häufig der jeweilige Leiter der zentralen Infanterieschule in Hammelburg oder der Befehlshaber des Potsdamer Einsatzführungskommandos der Bundeswehr. Ende Februar/ Anfang März begehen sie in der Standortgemeinde Hohenlockstedt den „Finnentag“ – in Erinnerung an eine Episode deutsch-finnischer Militärkooperation, die im Januar 1915, ein halbes Jahr nach Beginn des Ersten Weltkriegs, ihren Ausgang nahm.

Damals reisten nach und nach rund 2000 junge Finnen, zumeist Studenten aus wohlhabenden Familien, als Pfadfinder getarnt in Lockstedt an. Die bürgerliche finnische Nationalbewegung wollte sich mit dem Deutschen Kaiserreich gegen das zaristische Russland verbünden. Die jungen Männer sollten im Lager gedrillt und als „finnische Legion“ den deutschen Truppen an der Ostfront in Estland an die Seite gestellt werden. Im Mai 1916 griff hier ein finnisches Jägerbataillon, geführt von deutschen Offizieren, in die Stellungskämpfe ein. Aber mit den russischen Revolutionen im Februar und im Oktober 1918 kam die Mission bereits zu ihrem Ende. Die Finnen wechselten unter das Kommando der „weißen“ finnischen Bürgerarmee und kämpften gegen die mit den russischen Oktoberrevolutionären marschierende „rote“ finnische Arbeiterarmee. Die deutschen Offiziere folgten ihnen als Söldner oder kämpften mit den deutschen Freikorps im Baltikum und später in Deutschland ebenfalls gegen die Arbeiterbewegung.

Diese nur drei Jahre währende militärische Kooperation zwischen Deutschen und Finnen hat den Anschein einer kleinen militärgeschichtlichen Arabeske. Ihre Wirkungen reichen jedoch bis in die Kriegsführung des Zweiten Weltkriegs. Die „finnische Legion“ und ihre deutschen Offiziere wurden zu einer Schule des „Weißen Terrors“, der sich als besondere antikommunistische Kampfweise im finnischen Bürgerkrieg herausbildete, im deutschen Angriff auf die Sowjetunion 1941 erneuerte und als Praxis der Judenvernichtung und Resistance- und Partisanenbekämpfung auf viele der von Deutschland zwischen 1939 und 1945 besetzten Länder ausweitete.

Diese Traditionslinie findet sich prototypisch verkörpert in der Laufbahn des preußisch-deutschen Berufssoldaten Ulrich von Coler. Er wurde als ausbildender Oberleutnant im September 1915 nach Lockstedt kommandiert und führte als Hauptmann mit 38 weiteren deutschen Offizieren eine rund 1.250 Köpfe zählende finnische Legion ins Estländische Kampfgebiet. Schon Anfang März 1918 kam er mit den ersten Heimfahrern nach Finnland. Er wurde Oberst der weißen finnischen Armee bis zu deren Sieg über die revolutionäre finnische Bewegung wenige Monate später. Da nach diesem Ereignis die deutschen Offiziere von den Finnen wieder aus ihrem Heer ausgegliedert wurden und Coler keine Stellung in der 1919 auf 100.000 Mann verkleinerten Deutschen Reichswehr erwarten konnte, wechselte er für mindestens zehn Jahre zu finnischen weißen paramilitärischen Milizen.

1934 kehrte er in das inzwischen nationalsozialistische Deutschland zurück und trat der aufrüstenden und wachsenden Wehrmacht bei. Im Zweiten Weltkrieg erscheint er, nun im Alter von Mitte 50, als Regimentskommandeur im Polenfeldzug 1939, ab Sommer 1940 als leitender Besatzungsoffizier (Feldkommandant) in Nordfrankreich und auf der Krim. Auf der Krim war er mit großer Wahrscheinlichkeit persönlich an Erschießungen von Juden beteiligt. Über sein Gebaren berichteten beteiligte Offiziere in einem Nachkriegsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf ausführlich: Er habe stets das eigene Herrenmenschentum bzw. das Untermenschentum der russischen Bevölkerung betont, habe Untergebene aufgefordert, bei Exekutionen vorher Bilder von den Opfern zu machen, um deren Kümmerlichkeit zu belegen, und unter Schwenken seiner Pistole von deren Gebrauch geprahlt.

Über diesen sozialreaktionären, rassistischen und mörderischen Ideen- und Erfahrungshintergrund der „weißen“ Finnen und Deutschen wird heute in Finnland nach Jahrzehnten des Schweigens sehr offen debattiert. Im militärhistorischen Museum Hohenlockstedts und auf den örtlichen Veranstaltungen erfährt man davon nichts. Generalmajor Jukka Pennanen aus Helsinki beendete seine Rede zum Finnentag 2012 mit den Worten: „Dieser Gedenktag liefert uns ein Vorbild, was einzelne Menschen für Ihre Überzeugung und zur Durchsetzung der Gerechtigkeit bewirken können. Die Werte, die dem Handeln der Jäger zugrunde lagen, haben in den vergangenen nahezu hundert Jahren nichts an Aktualität eingebüßt!“ Der Bürgermeister Hohenlockstedts, Bernhard Diederichsen, spricht von den „finnischen Freiheitskriegen gegen das russische Joch“. Die Homepage des örtlichen Heeresflieger-Traditionsvereins spricht präziser vom „erfolgreichen Freiheitskampf der Finnen gegen den roten Riesen“. Am diesjährigen Finnentag am 2. März 2013 wird Generalleutnant Rainer Glatz, zurzeit Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, eine der Hauptreden halten.

***Bildquelle: wikipedia Pataljoonan paallystoa.jpg

2 Gedanken zu „Bundeswehr: Traditionspflege für Bürgerkrieg und Massenmord? Der „Finnentag“ in Hohenlockstedt am 2. März.“

  1. Folgende Gegenrede auf den Artikel von Georg Blum hat uns gestern Ari-Ilmari Iisakkala aus Finnland als E-Mail geschickt. Wir veröffentlichen diese E-Mail, um eine Diskussion zu ermöglichen.

    Der Brief:

    … mit Entsetzen wurden bei uns in Finnland Inhalt und Tenor des Beitrages „Bundeswehr: Traditionspflege für Bürgerkrieg und Massenmord? Der „Finnentag“ in Hohenlockstedt am 2. März. Auf Ihrer „Schiebener.net“ Seite zur Kenntnis genommen. Die Ausführungen enthalten in nahezu jedem Satz gravierende inhaltliche Fehler, wie Sie den dazu im Einzelnen beigefügten Kommentaren entnehmen können.

    Wenn aber bereits die Fakten nahezu durchgehend unzutreffend sind, kann es nicht verwundern, daß auch die Schlussfolgerungen nicht stimmen.

    Glauben Sie mir, ich weiß wovon ich spreche: mein eigener Vater war Tagelöhner und stammte aus einfachsten Verhältnissen. Er war einer derjenigen freiwilliger Jäger, derer beim Finnentag in Hohenlockstedt gedacht wird. Er hat aus eigenem Entschluss ganz auf sich allein gestellt im ersten Weltkrieg als ganz junger Mann die Initiative ergriffen, für die Beendigung der zaristische Unterdrückung unsers kleinen demokratischen Landes das einzige was er besaß einzusetzen: sein Leben. Sein jüngerer Bruder wurde von den Roten zwangsrekrutiert und in den Kampf gepresst in welchem er am 29.4.1918 in der Schlacht von Viipuri fiel. Mein Vater kämpfte in der selben Schlacht auf der Seite der Regierungstruppen.

    Sein Leben sollte mein Vater in insgesamt drei Kriegen bei denen wir unsere Demokratie mit knapper Not gegen die Aggressionen einer 60mal größeren Diktatur verteidigen konnten, einsetzen müssen.

    Daß ihm und seinen finnischen Kameraden daraus heutzutage ausgerechnet in Deutschland unterstellt wird, sie seien geistige Wegbereiter des von Deutschen (!) zu verantwortenden Holocausts sowie von Mord und Rassismus oder daß sie damit irgendwie in Verbindung zu stehen, verschlägt uns Finnen den Atem. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen derartig unbegründeten – und mit Verlaub: von mir als rassistisch empfundenen – Angriff auf unser Volk erlebt zu haben. Und dies auch noch aus einem Land, das sich den Respekt vor fremden Mentalitäten, Kulturen und Nationen auf seine Fahnen geschrieben hat. Ich ersuche Sie daher eindringlich zu prüfen, ob es wirklich richtig sein kann, daß ein Beitrag, welcher der Völkerverständigung zwischen unseren beiden Nationen ohne jede Basis schwersten Schaden zufügt, wirklich ohne Not im Internet kursieren muss.

    Ich bitte Sie mich nicht misszuverstehen: unser Land ist von Reporter ohne Grenzen gerade wieder weltweit auf dem ersten Rang in Sachen Pressefreiheit platziert worden. Bei uns hat jede Art von Zensur keine Chance, aber einen Freibrief für die Herabwürdigung anderer Kulturen ist dies in meiner Heimat nicht. Ich weiß auch, daß Sie den Inhalt nicht persönlich verfasst haben und daß das schwere Ringen meines Landes um den Erhalt seiner Demokratie außerhalb Finnlands kaum bekannt ist.

    Dies wäre sicher ein Anlass, die Entwicklung der historischen Beziehungen zwischen unseren Ländern in Deutschland einmal einer breiten Öffentlichkeit bekannter zu machen, aber das sollte doch respektvoll und objektiv erfolgen, zumal Deutschland nicht nur wegen der Gegenwart, sondern auch wegen der geschichtlichen Rolle die es für uns Finnen gespielt hat bei uns zu Recht in hohem Ansehen steht. Das sollte nicht grundlos aufs Spiel gesetzt werden.

    Ich verbleibe in Hoffnung auf eine Antwort zu meinem Anliegen mit besten Grüßen aus dem Norden:

    Ari – Ilmari Iisakkala

    Bundeswehr: Traditionspflege für Bürgerkrieg und Massenmord? Der „Finnentag“ in Hohenlockstedt am 2. März.
    Donnerstag, 28. Februar 2013 | Autor/in: Gastbeitrag

    Deutsche Offiziere der „Finnischen Legion“ an der deutsch-russischen Front in Estland 1917.
    Falsch: es handelt sich bei den Abgebildeten zu zwei Drittel um Finnen, nur zu einem Drittel um Deutsche. Alle sind Angehörige des königlich preußischen Jägerbataillons Nr. 27 das Teil der regulären preußischen Armee war; eine „finnische Legion“ hat es nie gegeben. Die Aufnahme wurde nicht in Estland sondern im lettischen Libau gemacht, dies lag auch nicht an der Front sondern rund 100km westlich in der Etappe.

    Befehlshaber Hauptmann Ulrich von Coler (mittlere Reihe, 4. v. l.) trat wie viele andere dieser Gruppe 1918 auf die Seite der Weißen im Finnischen Bürgerkrieg. (foto: wikipedia***)
    Falsch: nicht von Coler war „Befehlshaber“ des Bataillons, sondern Major Bayer hatte die Position des Bataillonskommandeurs vom ersten Tag bis zum 4.1.1917 inne, danach Hauptmann Knaths bis 29.9.1917, dann bis zur Auflösung am 13.2.1918 Hauptmann Ausfeldt.; von Coler trat nicht in die Dienste einer weißen Bürgerkriegspartei sondern in die der offiziellen finnischen Streitkräfte der legalen, demokratisch und frei gewählten legitimen finnischen Regierung, zunächst als Kommandeur der 2. Jägerbrigade, dann als Kommandeur des Fernmelderegimentes.
    Falsch: die umstandslose Übersetzung des finnischen Wortes „sisällissota“ (Binnenkrieg) als „Bürgerkrieg“ ist hier unzutreffend. Richtig ist, daß der Krieg nur auf finnischem Territorium stattfand, aber kriegführend waren nicht nur Finnen, sondern auch zwei reguläre fremde Armeen: die preußisch-deutsche und die sowjetische. Ein Bürgerkrieg im deutschen Wortsinne ist etwas ganz anderes.

    Alte Kameraden erfinden den Ersten Weltkrieg neu – gegen Rote und Russen war’s ein „Freiheitskampf“ mit deutscher Hilfe.
    Falsch: die Anführungszeichen gehören hier nicht hin. Tatsächlich hatte Finnland gemäß seinem legitimen Selbstbestimmungsrecht beschlossen, weder unter der Gewaltherrschaft des feudalistischen, vormodernen und großrussischen Zaren Nikolaus II der Tausende politische Gegner hat hinrichten lassen, noch unter der des kommunistischen Diktators Lenin auf dessen Konto mehrere Millionen Tote gehen, sondern in einer unabhängigen rechtstaatlichen parlamentarischen skandinavischen Demokratie leben zu wollen. Dies war in der Tat ein Freiheitskampf, der keiner Anführungszeichen und auch keiner nachträglichen Neuerfindung bedarf.

    Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, verantwortlich für die Auslandseinsätze deutscher Soldaten in Afghanistan, Mali und anderswo, ist dabei.
    Falsch: die Auslandseinsätze der Bundeswehr in Afghanistan verantwortet in Deutschland nicht der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, sondern das Parlament, den in Afghanistan namentlich die seinerzeitige rot-grüne Bundestagsmehrheit.

    (von unserem Gastautor Georg Blum)

    In Schleswig-Holstein nahe der Kreisstadt Itzehoe gibt es ein merkwürdiges Militärgelände, das Lockstedter Lager: gegründet als Lager für französische Kriegsgefangene 1870/71, dann Ausbildungslager der kaiserlichen deutschen Infanterie,
    Falsch: die Planungen für das Lockstedter Lager als Truppenübungsplatz begannen schon lange vor dem deutsch-französischen Krieg weil der Schießplatz in Hohn zu klein geworden war
    Falsch: es gab nie eine „kaiserliche Infanterie“ sondern nur eine preußische, bayerische, württembergische und sächsische.

    bis 2004 in Teilen genutzt als Heeresflieger-Standort der Bundeswehr. Merkwürdig ist hier vor allem ein jährliches Gedenkritual, zu dem diplomatische und konsularische Repräsentanten sowie höchste finnische und deutsche Militärs anreisen, unter letzteren häufig der jeweilige Leiter der zentralen Infanterieschule in Hammelburg oder der Befehlshaber des Potsdamer Einsatzführungskommandos der Bundeswehr. Ende Februar/ Anfang März begehen sie in der Standortgemeinde Hohenlockstedt den „Finnentag“ – in Erinnerung an eine Episode deutsch-finnischer Militärkooperation, die im Januar 1915, ein halbes Jahr nach Beginn des Ersten Weltkriegs, ihren Ausgang nahm.

    Damals reisten nach und nach rund 2000 junge Finnen, zumeist Studenten aus wohlhabenden Familien,
    Falsch: von knapp 2000 Jägern waren nur 52 Akademiker und 270 Studenten. Von 19 Gymnasialschülern abgesehen hatte der gesamte Rest eine niedrigere Schulbildung von diesen bildeten die Volksschüler /gänzlich unbeschulten mit1312 bei weitem die größte Gruppe.

    als Pfadfinder getarnt in Lockstedt an. Die bürgerliche finnische Nationalbewegung wollte sich mit dem Deutschen Kaiserreich gegen das zaristische Russland verbünden.
    Falsch: die finnischen Aktivisten wollten sich am liebsten in Schweden oder Dänemark ausbilden lassen, was beide Länder ablehnten. Erst dann ersuchte man Deutschland um Ausbildungshilfe.
    Falsch: von einem „Bündnis“ konnte keine Rede sein, insbesondere da Finnland 1915 gar nicht selbständig, sondern von Russland annektiert war und weil Kaiser Wilhelm die Ausbildung von Untertanen des Zaren gegen diesen Niklaus II lange missbilligte, auch wenn sein Vetter nun sein Kriegsgegner war.

    Die jungen Männer sollten im Lager gedrillt und als „finnische Legion“ den deutschen Truppen an der Ostfront in Estland an die Seite gestellt werden.
    Falsch, die Jäger wurden nicht gedrillt, sondern äußerst gründlich und vielseitig in allen Führungsebenen und Waffengattungen sehr viel länger und umfassender als deutsche Bataillone ausgebildet.
    Falsch: Sie waren keine (s.o. ) „Legionäre“ also Söldner, sondern reguläre preußische Soldaten und kämpften nur kurz und in sehr geringem Umfang in Lettland, nicht in Estland

    Im Mai 1916 griff hier ein finnisches Jägerbataillon, geführt von deutschen Offizieren, in die Stellungskämpfe ein.
    Falsch: s.o. es handelte sich um ein aus Finnen bestehendes, von deutschen Offizieren geführtes, reguläres preußisches Bataillon

    Aber mit den russischen Revolutionen im Februar und im Oktober 1918
    Falsch: die russische Revolution und Entmachtung des Zaren fand nicht 1918 sondern im Februar 1917 unter Krerensky statt. Im Oktober 1917 putschte Lenin dann gegen die legale Kerenskyregierung

    kam die Mission bereits zu ihrem Ende. Die Finnen wechselten unter das Kommando der „weißen“ finnischen Bürgerarmee
    Falsch: die Finnen aus dem Preußischen Jägerbataillon Nr. 27 unterstellten sich den regulären Streitkräften der aus demokratischen Wahlen hervorgegangenen legitimen bürgerlichen finnischen Regierung

    und kämpften gegen die mit den russischen Oktoberrevolutionären marschierende „rote“ finnische Arbeiterarmee. Die deutschen Offiziere folgten ihnen als Söldner
    Falsch: nur in geringstem Umfang traten einzelne Deutsche in die Dienste der regulären finnischen Streitkräfte ein, davon keiner als „Söldner“. 99% aller Deutschen in Finnland kämpften in regulären deutschen Verbänden die im Frühjahr 1918 in Finnland anlandeten, meist in der Ostseedivision unter General von der Goltz

    oder kämpften mit den deutschen Freikorps im Baltikum und später in Deutschland ebenfalls gegen die Arbeiterbewegung.
    Falsch Die Freikorpskämpfe im Baltikum datieren in eine viel spätere Zeit nach Ende des Weltkrieges und haben mit Finnland gar nichts zu tun. Auch nicht näher bezeichneten angeblichen Kämpfen gegen die „Arbeiterbewegung“ in Deutschland wird in Hohenlockstedt nicht gedacht – wozu auch?

    Diese nur drei Jahre währende militärische Kooperation zwischen Deutschen und Finnen hat den Anschein einer kleinen militärgeschichtlichen Arabeske. Ihre Wirkungen reichen jedoch bis in die Kriegsführung des Zweiten Weltkriegs. Die „finnische Legion“ und ihre deutschen Offiziere wurden zu einer Schule des „Weißen Terrors“, der sich als besondere antikommunistische Kampfweise im finnischen Bürgerkrieg herausbildete,
    Falsch: in Finnland wurden von der Armee der gewählten Regierung und den deutschen Truppen eine militärische Kriegführung zur Einnahme des von den Sowjets und den mit ihnen verbündeten finnischen Roten okkupierten gesamten finnischen Südens geführt, mit „weißem Terror“ konnten keine feindlichen Stellungen eingenommen werden, den Sieg der gewählten demokratischen bürgerlichen Regierung führte unter anderem die Kesselschlacht von Lahti herbei. Vielmehr waren die meisten bürgerlichen Opfer dem Terror der Roten geschuldet solange diese noch weite Landstriche des entwickelten Südens beherrschten. Die meisten roten Opfer waren nicht wären des Krieges, sondern in den Internierungslagern nach dem Krieg zu beklagen. Abgesehen davon, daß selbst die kommunistische Geschichtsschreibung Finnland bisher nicht als Wiege eines -historisch kurzlebigen -„Weißen Terrors“ ausgemacht hat, hat der „Rote Terror“ von Finnland über Russland, die Ukraine, Pol Pot, Mao bis Nordkorea mit wohl 100 Millionen Toten Ausmaße, die historisch einzigartig sind und nicht nur hinter dem „weißen“ nicht zurücksteht sondern überhaut nicht mit jenem gleichgesetzt und so relativiert werden darf.

    Ebenfalls Falsch: das penetrant fälschlich als „finnische Legion“ bezeichnete Jägerbataillon 27 wurde niemals geschlossen in Finnland eingesetzt sondern seine Soldaten wurden sofort nach ihrem Eintreffen in Finnland im ganzen Land verstreut auf einzelne finnische Verbände aufgeteilt. Die Führung des Bataillons durch deutsche Offiziere endete am 13.2.1918 vor dessen Abrücken nach Finnland

    im deutschen Angriff auf die Sowjetunion 1941 erneuerte und als Praxis der Judenvernichtung und Resistance- und Partisanenbekämpfung auf viele der von Deutschland zwischen 1939 und 1945 besetzten Länder ausweitete.
    Nicht mehr nur falsch sondern inzwischen absurd: daß die Wiederherstellung der parlamentarischen Demokratie in Finnland durch die legitime gewählte Regierung gegen bolschewistische Sowjettruppen und demokratisch nicht legitimierte rote Aufständische im 1. Weltkrieg in Finnland eine Grundlage für die deutsche Judenvernichtung ein Vierteljahrhundert später sei, ist nicht nur eine Verharmlosung des der Nationalsozialismus und seiner Vorgeschichte, sondern an Rassismus grenzende antifinnische Volksverhetzung.

    Diese Traditionslinie findet sich prototypisch verkörpert in der Laufbahn des preußisch-deutschen Berufssoldaten Ulrich von Coler. Er wurde als ausbildender Oberleutnant im September 1915 nach Lockstedt kommandiert und führte als Hauptmann mit 38 weiteren deutschen Offizieren eine rund 1.250 Köpfe zählende finnische Legion ins Estländische Kampfgebiet.
    Falsch s.o. von Coler führte zu keinem Zeitpunkt das Jägerbataillon Nr. 27 erst recht nicht nach Estland, wo das Bataillon nie gewesen ist.

    Schon Anfang März 1918 kam er mit den ersten Heimfahrern nach Finnland. Er wurde Oberst der weißen finnischen Armee bis zu deren Sieg über die revolutionäre finnische Bewegung
    Falsch: es gab keine finnische „revolutionäre Bewegung“ da es beim Krieg der Sowjettruppen und einer von ihr bewaffneten roten finnischen Minderheit gegen die demokratisch legitimierte parlamentarische bürgerliche Mehrheitsregierung Finnlands nicht um einen sozialen oder politischen Freiheitsgewinn für den Einzelnen ging, sondern um einen verfassungswidrigen Sowjetisierungsversuch des westlich-demokratischen Finnland, es handelte sich also vielmehr um den gewaltsamen Angriff einer demokratisch nicht legitimierten Minderheit, die gewählte Regierung und die in freier Selbstbestimmung vom finnischen Volk gewählte Staatsform mit Hilfe der Unterstützung einer ausländischen Diktatur gewaltsam zu beseitigen. Eine „Revolution“ war in Finnland auch gar nicht nötig. Als erstes Land der Welt hatte es 1906 das allgemeine Frauenwahlrecht eingeführt, hatte eine demokratische Verfassung und die gewählte bürgerliche Regierung ging Ende 1917 weitgehend auf die Forderungen der sozialistischen Opposition ein, soweit das trotz der kriegsbedingten Lebensmittelknappheit möglich war.

    wenige Monate später. Da nach diesem Ereignis die deutschen Offiziere von den Finnen wieder aus ihrem Heer ausgegliedert wurden und Coler keine Stellung in der 1919 auf 100.000 Mann verkleinerten Deutschen Reichswehr erwarten konnte, wechselte er für mindestens zehn Jahre zu finnischen weißen paramilitärischen Milizen.
    Irreführend: das Schutzkorps hatte sich aus einer notgedrungen vor Gründung einer regulären Armee geschaffenen „weißen Miliz“ schnell zu einer Organisation entwickelt, die der territorialen Landesverteidigung nach außen, nicht der Durchsetzung politischer Ziele im Innern diente, so daß selbst die 1926 gewählte sozialdemokratische Regierung das Schutzkorps nicht in Frage stellte, dessen jahrzehntelanger Kommandeur Lauri Malmberg im übrigen vom Staatspräsidenten ernannt wurde und dessen Mutter überzeugte Sozialistin war.

    1934 kehrte er in das inzwischen nationalsozialistische Deutschland zurück und trat der aufrüstenden und wachsenden Wehrmacht bei. Im Zweiten Weltkrieg erscheint er, nun im Alter von Mitte 50, als Regimentskommandeur im Polenfeldzug 1939, ab Sommer 1940 als leitender Besatzungsoffizier (Feldkommandant) in Nordfrankreich und auf der Krim. Auf der Krim war er mit großer Wahrscheinlichkeit persönlich an Erschießungen von Juden beteiligt. Über sein Gebaren berichteten beteiligte Offiziere in einem Nachkriegsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf ausführlich: Er habe stets das eigene Herrenmenschentum bzw. das Untermenschentum der russischen Bevölkerung betont, habe Untergebene aufgefordert, bei Exekutionen vorher Bilder von den Opfern zu machen, um deren Kümmerlichkeit zu belegen, und unter Schwenken seiner Pistole von deren Gebrauch geprahlt.
    Suggestiv: was hat das vermutete Verhalten von Colers ein Vierteljahrhundert später auf der Krim mit dem Jägerbataillon 27 zu tun?

    Über diesen sozialreaktionären, rassistischen und mörderischen Ideen- und Erfahrungshintergrund der „weißen“ Finnen
    Falsch: wie sollen vermutete Handlungen eines Deutschen auf der Krim die Ideen und Erfahrungen von Finnen ein Vierteljahrhundert zuvor geprägt haben? Deutschen steht es am allerwenigsten zu, das von den Jägern 1918 entscheidend mit geschaffene und später mehrfach gerettete sozialstaatliche, demokratische Finnland von in dem weder jemals Mord noch Rassismus regiert haben solcher Tendenzen vollkommen haltlos zu bezichtigen.

    und Deutschen wird heute in Finnland nach Jahrzehnten des Schweigens sehr offen debattiert.
    Falsch: in Finnland gibt es keinen ernstzunehmenden Menschen, der die Jäger des Hanges zu Rassismus und Mord bezichtigt

    Im militärhistorischen Museum Hohenlockstedts und auf den örtlichen Veranstaltungen erfährt man davon nichts.
    Ausnahmsweise vollkommen richtig: was hat die Krim von 1942 mit dem Lockstedter Lager von 1915 zu tun?

    Generalmajor Jukka Pennanen aus Helsinki beendete seine Rede zum Finnentag 2012 mit den Worten: „Dieser Gedenktag liefert uns ein Vorbild, was einzelne Menschen für Ihre Überzeugung und zur Durchsetzung der Gerechtigkeit bewirken können. Die Werte, die dem Handeln der Jäger zugrunde lagen, haben in den vergangenen nahezu hundert Jahren nichts an Aktualität eingebüßt!“
    Ebenfalls richtig. Finnland ist vom Tag seiner Gründung am 6.12.1917 ohne jede Einschränkungen bis heute eine mustergültige freiheitliche parlamentarische Demokratie, die ohne den Mut der Jäger aus eigenem Entschluss und scheinbar aussichtsloser Lage gegen Unterdrückung und antidemokratische Kräfte zu kämpfen nicht erreicht worden wäre. Mit abfälligen Urteilen über die historische Entwicklung in unserem Land und die Geschichte seines Freiheitskampfes ausgerechnet aus Deutschland sollte man sich sehr zurückhalten.

    Der Bürgermeister Hohenlockstedts, Bernhard Diederichsen, spricht von den „finnischen Freiheitskriegen gegen das russische Joch“.
    Richtig: daß das despotische Regime des Feudalherrschers Nikolaus II ein Joch war unter dem Finnland 1915 litt, sollte für Demokraten eine Selbstverständlichkeit sein, genauso wie der spätere Kampf der Finnen gegen Lenins Zugriff oder im II. Weltkrieg unter Jäger-Generalen gegen den Überfall Stalins auf das kleine demokratische Land.

    Die Homepage des örtlichen Heeresflieger-Traditionsvereins spricht präziser vom „erfolgreichen Freiheitskampf der Finnen gegen den roten Riesen“.

  2. Redaktioneller Hinweis:

    Der Autor äußert Dank und eine Bitte. Danke für den Hinweis zur Entstehungsgeschichte des Photos, er korrigiert eine Fehlinformation einer britischen Website von Militärfans.

    Gebeten wird um die Literaturangabe zu den genannten Zahlen der Akademiker, Studenten etc. Es kann sein, dass der Tenor der deutschen Darstellungen, bei den „Pfadfindern“ habe es sich überwiegend um Vertreter des Bürgertums gehandelt, durch den Eindruck der ersten
    Teilnehmer geprägt wurde und der späteren Rekrutierung nicht mehr gerecht wird.

    Die übrigen Anmerkungen resultieren aus divergenten Bewertungen forschungsbekannter Fakten. Die Leser mögen selbst entscheiden.

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