Meschede gedenkt der Pogromnacht von 1938

So viele Teilnehmende wie nie zuvor hatte der Mescheder Schweigemarsch am 9. November zur Erinnerung an die Pogromnacht von 1938. Etwa 250 Personen besuchten die unterschiedlichen Stationen.

(Gastbeitrag: Verein Bildung und Freizeit)

Allein das Städtische Gymnasium war mit 100 Teilnehmenden, Schülern, Eltern und Lehrern, gekommen. Die Schule hat das Thema in ihren Lehrplan aufgenommen.
 
Nach der Eröffnung durch Guido Hügen vom Benediktinerkloster trugen Schülerinnen des Gymnasiums einen Text vor, der ihre Motivation zum Ausdruck brachte: Sie wollen „angesichts über 200 antisemitisch motivierter Übergriffe im Jahr 2021 in der BRD ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen.“ Sie wollen der Mescheder Opfer des Novemberpogroms von 1938 gedenken und mit der Erinnerung „einen Grundbaustein für eine bessere Zukunft legen.“

Im Anschluss an den Schülerbeitrag sprach der evangelische Pfarrer Dirk Schmäring über 1700 Jahre Geschichte jüdischen religiösen Lebens in Deutschland.

Der Schweigemarsch zog zum jüdischen Friedhof in der Beringhauser Straße, wo am Gedenkstein Jugendliche von der kurdischen Gemeinde an die Meschederinnen und Mescheder erinnerten, die im Zusammenhang mit der Judenverfolgung verschleppt und ermordet worden sind.

An der nächsten Station, dem heutigen Bürgerzentrum Synagoge, erinnerte der Verein Bildung und Freizeit BiF an zwei Menschen, die sich sehr um die Erinnerungsarbeit verdient gemacht hatten: Hans Frankenthal aus Schmallenberg, der im Oktober 1999 diesen Ort besucht hatte, um aus seinem Buch „Verweigerte Rückkehr“ vorzutragen. Und die Musikerin und Antifaschistin Esther Bejarano, die am 10. Juli 2021 im Alter von 96 Jahren verstorben ist. 

Beide, Frankenthal und Bejarano, hatten das Vernichtungslager Auschwitz nur mit einer Notlüge überlebt: Frankenthal, indem er sich bei der Selektion als fünf Jahre älter ausgab; Esther Loewy, wie sie damals noch hieß, indem sie vorgab, Akkordeon spielen zu können, als ein Lager-Orchester zusammengestellt wurde. Sie mussten spielen, damit die neu einrückenden Gefangenen, die zum Teil schon vom Zweck des Lagers gehört hatten, beruhigt würden: Wo zur Begrüßung musiziert würde, könnte es ja so schlimm nicht sein.

Hier an der Synagoge endete der Schweigemarsch, die religiösen Teilnehmenden trafen sich anschließend noch zu einem Friedensgebet auf dem Stiftsplatz.

„Wer soll das bezahlen?“ – Bericht aus der Jugendhilfeausschuss-Sitzung am 11.10.2021

Am Montag tagte in Meschede der Kreisjugenhilfeausschuss. Ihm gehört – auch für die SBL – Dietmar Schwalm als stimmbrechtigtes Mitglied an. Hier sein Bericht:

(Der Beitrag ist zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Wer soll das bezahlen?

Das war die erste Frage der CDU-Fraktion in der Jugendhilfeausschuss-Sitzung, in der das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz vorgestellt wurde.
Anstatt sich als Vertretung in einem Fachgremium erst einmal zu freuen, dass es tatsächlich gesetzliche Verbesserungen im Sinne der betroffenen Kinder, Jugendlichen und Eltern gibt, wurde die Frage gestellt, ob die Neuerungen denn tatsächlich 1:1 umgesetzt werden müssen.

Das neue KJSG im SGB VIII ist über viele Jahre politisch diskutiert worden, bis dieser Kompromiss in diesem Sommer verabschiedet wurde. Es wurde aus meiner Sicht ein Gesetz mit positiven Veränderungen aber auch mit „Schwachstellen“, bei denen ich in der Sitzung mit konkreten Fragen an die Jugendamtsverwaltung „meine Finger auf die Wunden gelegt“ habe.
• Wie sieht es z.B. konkret mit der Beteiligung der Eltern aus, die aus einem bildungsfernen Milieu stammen?
• Was ist der aktuelle Sachstand bei der Einrichtung der nun gesetzlich festgeschrieben Ombudsstelle?
• Habe betroffene Familien neben den niederschwelligen Angeboten im Sozialraum trotzdem noch den Anspruch auf eine erzieherische Hilfe? Eine Mitgliedschaft in einem örtlichen Fußballverein kann aus meiner Sicht nicht eine notwendige Erziehungsbeistandschaft ersetzen.
• Darf ein Heranwachsender, der mit 17 Jahren die erzieherische Hilfe abgebrochen hat, mit 19 Jahren wiederkommen und Hilfe für junge Volljährige auch in stationärer Form beantragen oder gibt es für ihn nur noch ein Beratungsangebot?

Als Kreistagsmitglied mit gewerkschaftlichem Hintergrund habe ich zuletzt dann auch noch auf den neuformulierten § 79 hingewiesen. In diesem Paragrafen wurde jetzt eine verbindliche Verpflichtung des Jugendamtes für eine Personalbemessung festgeschrieben, damit immer ausreichend sozialpädagogisches Fachpersonal vorhanden ist, um die Menge und Vielfalt der Aufgaben in der Jugendhilfe zu bewältigen.

Die Kreisverwaltung wartet jetzt auf das Landesjugendamt, das Instrumente für diese Personalbemessung erarbeiten und zur Verfügung stellen will. Wie lange das dauern könnte, wollte die Verwaltung nicht beantworten. Mein Hinweis, dieses im Sinne der Beschäftigten doch schon heute mit vorhanden Personalbemessungs-Instrumenten anzugehen, stieß auf wenig Gegenliebe.
Unsere Fraktion wird die aufgeworfenen Fragen zum neuen KJSG in den nächsten Monaten regelmäßig im Ausschuss hinterfragen.
Und die Frage „Wer soll das bezahlen“ habe ich mit „Der das bestellt hat“ beantwortet. Darum kann sich ja dann die zukünftige Bundesregierung Gedanken machen und die Mehrausgaben für dieses in großen Teilen gute Gesetz den Kommunen erstatten.

Beim Tagesordnungspunkt „Kooperationsmodellprojekt – Begleitung von Anfang an durch Gesundheitsförderung und Lebensweltorientierung-BEAGLE-“ am Klinikum Hochsauerlandkreis sollte die Maßnahme verlängert werden. Hier haben speziell ausgebildete Lots*innen die Aufgabe, den Übergang von der Geburtsstation in den Lebensalltag zu begleiten. Die Maßnahme wurde von allen Beteiligten im Ausschuss als positiv und wichtig angesehen. Deshalb kam auch die Frage auf, warum man dieses nicht auch an anderen Geburtsstationen ansiedeln könne.

Da dieses wegen der fehlenden Landesförderung bei der Jugendamtsverwaltung auf etwas Widerstand stieß, habe ich den Vorschlag gemacht, sich in einer der nächsten Sitzungen konkret über die Arbeit dieser Lots*innen zu informieren. Gleichzeitig sollte es aber über die Arbeit der auch neueingerichteten Familienhebammen berichtet werden, um dann evt. aus beiden Projekten auch zufriedenstellende Lösungen für den östlichen Teil des Hochsauerlandkreises zu erarbeiten.

Bei der Diskussion über das aufgrund eines neu berechneten höheren Bedarfs fehlende Kita-Angebot in Brilon wurde auch wieder das „leidige“ Thema der Überprüfung des konkreten Bedarfs bei den Eltern andiskutiert. Dieses wird aber weiterhin von unserer Fraktion abgelehnt, da der Staat nicht den individuellen unterschiedlichen Bedarfsgrund bewerten sollte.

Die Einführung der digitalen Kita-Card wird sich verzögern, da gerade die Frage geklärt werden muss, ob es nicht sinnvoll ist, ein einheitliches System in der Region Südwestfalen über die SIT (Südwestfalen-IT) einzuführen. Das ist aus meiner Sicht ein sinnvoller Weg, der aber im Sinne der betroffenen Verwaltungen, Kitas und Eltern schnell zu einem Ziel führen sollte.

Kirche & Weltkrieg: Wehrmachtbischof Franziskus Justus Rarkowski (1873-1950) sparte nicht mit Hitler-Verehrung.

Kopie des Buchumschlags (Bild: Peter Bürger)

Der „katholische“ Wehrmachtbischof Franziskus Justus Rarkowski sparte nicht mit Hitler-Verehrung – nach Auskunft seines Generalvikars war das Militär bei der Abfassung von Hirtenworten beteiligt.

(Gastbeitrag von Peter Bürger)

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Kriegsworte von Feldbischof Franziskus Justus Rarkowski.
Edition der Hirtenschreiben und anderer Schriften 1917 – 1944.
Bearbeitet von Peter Bürger, mit Beiträgen von Johannes Apold und Heinrich Missalla.
ISBN 978-3-7543-2454-7 (Paperback, 624 Seiten, Preis 19,80 Euro)

Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis hier auf der Verlagsseite
https://www.bod.de/buchshop/kriegsworte-von-feldbischof-franziskus-justus-rarkowski-franz-justus-rarkowski-9783754324547
Oder: ISBN 978-3-7543-2143-0 / Ausgabe mit festem Einband https://www.bod.de/buchshop/kriegsworte-von-feldbischof-franziskus-justus-rarkowski-franz-justus-rarkowski-9783754321430

Internetseite zum Editionsprojekt „Kirche & Weltkrieg“ (bisher erschienene Bände):
https://kircheundweltkrieg.wordpress.com/buchreihe/
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Am 19. Februar 1938 kamen die Generale Keitel und Brauchitsch bei einem Diplomatenessen im Haus des Reichspräsidenten auf den Nuntius des Vatikans zu und „bedankten sich, dass sie einen Feldbischof bekämen“ (Zeitzeugnis Walter Adolph). Die Militärs bekamen genau den Bischof, den sie gewünscht hatten, und würden von diesem auch nie enttäuscht werden: Franz Justus Rarkowski (1873-1950).

Das renommierte römisch-katholische „Lexikon für Theologie und Kirche“ würdigte 1962 das Militärkirchenwesen in Hitlers Wehrmacht und dessen Spitze rigoros mit Stillschweigen. Das ganze Kapitel wollte man am liebsten für immer vergessen. Die us-amerikanischen Autoren Gordon C. Zahn (pax christi) und Guenter Levy durchkreuzten jedoch 1965 diesen Vorsatz mit zwei Buchkapiteln. Im Rahmen einer erhitzten Aachener Kirchenzeitungsdebatte verglich ein Verteidiger des deutschen Militärkirchenwesens diese Veröffentlichungen noch 1969 mit „östlicher Agitprop“.

Erst 1976 kam der katholische Student Johannes Apold (Uni Bochum) bei der Forschung einen bedeutsamen Schritt weiter. Er reiste trotz „Ausladung“ einfach unangemeldet nach Bamberg zu Georg Werthmann, dem gewesenen Wehrmacht-Generalvikar (und auch ersten kath. Generalvikar der Bundeswehr). Dieser hatte etwa drei Jahrzehnte lang das Archiv der kath. Wehrmachtseelsorge wie seinen Privatbesitz (!) behandelt, im eigenen Interesse auch ganz neu „geordnet“ bzw. sortiert. Im Bonner Militärbischofsarchiv durfte J. Apold dann trotz Werthmanns Empfehlung erst nach wiederholtem, hartnäckigem Vorsprechen Schriftgut einsehen und kopieren – allerdings nur unter Zeitdruck.

Besonders zwei nachfolgende Veröffentlichungen des Theologen Heinrich Missalla (Studie 1978, Quellenauswahl 1997) machten es „an sich“ auch im katholischen Selbstlobkollektiv unmöglich, den Ruf des Wehrmachtbischofs F. J. Rarkowski noch irgendwie zu retten. Man betonte ab jetzt, er sei ein „deutsch-nationaler Außenseiter“ und außerdem kein Mitglied der Bischofskonferenz gewesen. Ganz stimmig ist dieses Narrativ nicht. Der Paderborner Erzbischof Lorenz Jaeger[1] hat z.B. den Militärbischof nachweislich sehr geschätzt und ließ sich auch von dessen Texten inspirieren.

In den ellenlangen Publikationsreihen der kircheneigenen Zeitgeschichtsforschung gab es bislang nie etwas Platz für einen Rarkowski-Band. Seit einer Woche liegt jetzt aber die erste vollständige Edition der „Kriegsworte von Feldbischof Franziskus Justus Rarkowski“ im Rahmen des Projekts „Kirche & Weltkrieg“[2] vor. Die Zeiten ändern sich. Vier kirchliche Archive musste ich als Herausgeber wegen offener Fragen, fehlender Texte und Bildrechte konsultieren. Es wurde in jedem Fall freundlich geholfen.

„Hitlers Feldbischof“ – ein Hochstapler?

Eine eigentliche Biographie zu Franz Justus Rarkowski, dem Sohn eines begüterten Zentrumspolitikers in Allenstein (Ostpreußen), gibt es nicht. Genau besehen weiß man so gut wie nichts über seinen Werdegang. Die staatliche Schule verließ er ohne Abitur. Als Ordensmitglied der Maristen soll er im Ausland (Belgien, England, Österreich, evtl. auch Schweiz) diverse, nicht näher bezeichnete Studien der Gotteswissenschaft unternommen haben. Hat ihn dann der Fürstbischof von Brixen (Tirol) 1898 für die Ordensgemeinschaft, aus der er noch nicht ausgeschieden war, oder für das ostpreußische Heimatbistum zum Priester geweiht?

Zu einem nicht nachweisbaren Zeitpunkt vor dem 1. Weltkrieg kehrt Rarkowski in seine Geburtsdiözese Ermland zurück, erfüllt dort aber nicht die Bildungsvoraussetzungen zur Übernahme einer ordentlichen Pfarrstelle. Als sogenannter „Kuratus“ verlässt er im August 1914 die ihm anvertrauten Gläubigen und wechselt zur Militärkirche, wo er Gunst beim Feldpropst Heinrich Joeppen findet.

1917 erscheint sein mit vielen touristischen Front-Erinnerungen angereichertes Kriegsbuch „Die Kämpfe einer Preußischen Infanterie-Division zur Befreiung von Siebenbürgen“. Im Sprachgebrauch des Militärs nennt man die systematische Tötung vieler Menschen „Säuberung“, und diese blasphemische Gewohnheitsübung von Waffenträgern übernimmt der Verfasser, ein geweihter Priester, an nicht wenigen Stellen seiner Darstellung.

F.J. Rarkowski hat im 1. Weltkrieg als Feldseelsorger sein passendes männerbündisches Lebenselement gefunden – und die Militärs erwidern seine Liebe. Am 29. April 1930 teilt Reichswehrminister Wilhelm Groener dem Berliner Ortsbischof mit, fehlende Reife- und Pfarrerprüfung seien aus Sicht des Kriegsministeriums überhaupt kein Problem gewesen. Rarkowski habe im Rahmen des Militärkirchenwesens diesbezügliche Dispense erhalten, verfüge über eine ausgeprägte Befähigung zur Armeeseelsorge und erfreue sich – bis in hohe Ränge hinein – guter Zeugnisse von militärischen Vorgesetzten.

1929-1936 war F.J. Rarkowski Beauftragter für die Seelsorge an den Katholiken der deutschen Reichswehr und Wehrmacht, 1936-1938 Apostolischer Administrator für die Angehörigen der deutschen Wehrmacht und schließlich 1938-1945 Katholischer Feldbischof der deutschen Wehrmacht. Schon vor 1938 hat er diverse Texte „für Führer, Volk und Vaterland“ verfasst. Aufgrund welcher Kenntnisse bzw. Aktengrundlage machten Papst Pius XI., dessen unselige rechte Hand Eugenio Pacelli und der Berliner Nuntius diesen umstrittenen Mann zum höchsten Militärseelsorger und geweihten Bischof über Millionen katholische Soldaten in Deutschland? Es wäre an der Zeit, dass der Vatikan heute darüber Rechenschaft ablegt.

„Bewährung im Dienste des Führers“

Insgesamt 56 „Hirtenschreiben“, Aufsätze für eine Soldaten-Zeitungsbeilage „Glaube & Kampf“ und ausgewählte Dokumente (samt zwei Vergleichstexten) enthält die zweite Abteilung der neuen Quellenedition zu F.J. Rarkowki. Zwei dokumentierte Darstellungen von Johannes Apold und Heinrich Missalla, ein Stichwortregister sowie die zusätzliche Möglichkeit des „digitalen Abtastens“ auf unserer Projektseite erleichtern die inhaltliche Erschließung dieser Texte.

Das theologische Niveau wird besonders schmerzlich sichtbar, wo der von Sexualängsten gepeinigte Militärbischof über Manneszucht und eine „Sauberkeit der Gedanken“ nachsinnt oder seine Erkenntnis mitteilt, dass eigentlich nur die Deutschen über eine voll ausgereifte Gemütstiefe zur Feier der heiligen Weihnacht verfügen.

Wie man die abstrusen und hochpeinlichen Texte zur Kriegsertüchtigung religionsgeschichtlich einordnen soll, mag offengelassen werden. Sie bezeugen trotz uferloser Klerikalpathetik (und vermeintlich frommer Lyrik-Beigaben) auf jeden Fall nicht den Glauben des Jesus von Nazareth.

Die Hitler-Nennung in den Rarkowski-Texten erschließt sich über die Wortfeld-Statistik wie folgt: „Hitler“ (7 mal); „Führer“ (55 mal); „Oberster Befehlshaber“ (29 mal); „Feldherr“ (2 mal). Der Wehrmachtbischof lobt wiederholt die „nationalsozialistische Revolution“ mit ihren großen Errungenschaften (wider alle „Entartungen“) und wünscht, dass sich die katholischen Soldaten „im Dienste des Führers“ bewähren. Adolf Hitler gilt ihm als die höchste weltliche Autorität: „Unsere Feinde, gegen die wir nunmehr den deutschen Lebensraum zu verteidigen haben“, wollten „die Vernichtung all dessen, was unser Führer geschaffen hat“.

Die weitere Wortfeld-Statistik liefert noch andere Hinweise darauf, wo das Herz des obersten deutschen katholischen Wehrmachtklerikers besonders erregt war – zum Beispiel: „Volk“ (etwa 650 mal), „Deutschland, deutsch“ (mehr als 600 mal), „Heimat“ (240 mal), „Sieg“ (182 mal), „Vaterland“ (121 mal), „Christus“ (101 mal), „Jesus“ (12 mal). Immerhin, „Christus“ ist gegenüber Hitler mit acht Nennungen im Vorsprung.

Wer die im Register der Edition zu den nachfolgenden Stichwörtern angegebenen Seiten nachliest, gelangt am schnellsten zur Kenntnis des bischöflichen Kriegsstandpunktes: „Blutgemeinschaft (Blut und Boden)“, „Bolschewismus, Bolschewik (Politkommissar)“, „Dolchstoßlegende, Revolte in der Heimat (als Ideologiekomplex)“, „Endsieg“, „Entscheidungskampf“, „Existenz des Volkes“, „Höchstes – höchste Werte …“, „Krieg, gerechter“, „Lebensrechte, deutsche (Existenzkampf des Volkes; Kampf des Lebens; Lebensbehauptung; Lebensgesetz; Lebensraum, Sein/Nichtsein)“, „Schicksalskampf“, „Untermenschentum“, „Versailles“, „Verteidigung, verteidigen“.

Franz Justus Rarkowski befand sich in vollständigem Einklang mit der Kriegsdoktrin des NS-Staates und kam offenbar nicht auf die Idee, man könne auf diesem Feld zum Häretiker werden. Es gab aber sehr wohl in der römischen Glaubenskongregation ein theologisches Gutachten mit der Klarstellung, dass die nationalsozialistische Kriegsdoktrin (für ein Großreich der „Arier“) mit dem Christentum schier unvereinbar ist.
Im Juli 1941 ergreift Kriegsbischof F. J. Rarkowski das Wort zum begonnenen Vernichtungsfeldzug gegen die Völker in der UdSSR, was im deutschen NS-Radio Widerhall findet. Er beschwört jenen Kreuzzug, den der „Führer gerade heute vor 20 Jahren an der Spitze einer kleinen Schar begonnen, und den er nunmehr als Oberster Befehlshaber der Wehrmacht für die ganze europäische Kulturwelt gegen die bolschewistische Barbarei führt“. Es bestehe kein Zweifel, „dass wir Deutsche nunmehr das Herzvolk Europas geworden sind“, berufen zu jener Entscheidung, „die den Bolschewismus für alle Zeiten aus der Geschichte vertilgt“. Der Bolschewismus, „das dämonische Regime der Barbarei“, bewirke, dass „der Mensch in den Bereich des Tierhaften herabsinkt“.

Endredaktion und Zensur durch das Militär?

Auf einen ungeheuerlichen Umstand bei der „Redaktion“ der Militärbischofsworte hat Heinrich Missalla – zuerst 1978 – so aufmerksam gemacht:

Bei der Beurteilung der Hirtenbriefe und der Person Rarkowskis ist die Berücksichtigung der Tatsache unerlässlich, dass er ständiger Kontrolle unterlag. Nach den Aufzeichnungen Werthmanns wurden die Hirtenbriefe des Feldbischofs wegen der Einordnung der Militärseelsorge in das Oberkommando des Heeres (OKH) / Allgemeines Heeresamt / Amtsgruppe Seelsorge in folgenden Etappen überwacht:

Zunächst behielt sich der Amtsgruppenchef das Recht vor, Hirtenbriefe des Feldbischofs vor ihrer Herausgabe zu überprüfen. Oberst Edelmann tat dies in der guten Absicht, den Gegnern der Feldseelsorge keinen Grund zum Einschreiten zu geben. Seine Tätigkeit bei dieser Zensur bestand vor allem in der Sorge dafür, dass der „Führer“ jedesmal genannt wurde. Fast immer wurde von ihm – geeignet oder unpassend – eine Apostrophierung des „Führers“ eingeflickt.

Zusätzlich zu dieser Zensur (Vorzensur) wurde im weiteren Verlauf des Krieges eine Vorlage der Hirtenbriefe beim Oberkommando der Wehrmacht (OKW)/Inland eingeführt. Oberstleutnant Wulff war bei der Überprüfung der Hirtenbriefe sehr großzügig und hat selten etwas moniert. […] In der zweiten Hälfte des Jahres 1944 kam zu diesen zwei Zensurstellen noch eine dritte hinzu: der Nationalsozialistische Führungsoffizier beim OKH. Dieser hatte jedoch keine Möglichkeit mehr, seine Zensurtätigkeit auszuüben, da vom Frühjahr 1944 bis zum Ende des Krieges […] kein Hirtenbrief mehr herausgegeben wurde.“

H. Missalla: Die Kirchliche Kriegshilfe[3]

Unter der Annahme, dass Werthmanns Darlegungen keine apologetischen „Schutzbehauptungen“ sind, ergibt sich folgendes Bild: Die römische Kirche erwirbt in der frühen Phase des NS-Staates das fragwürdige „Privileg“ einer militärkirchlichen Präsenz im zukünftigen Heer der deutschen Faschisten (Konkordat: Militärkirche samt Personal faktisch als Teil des Militärs) und schafft sodann durch die Ernennung eines dem Militär genehmen Wehrmachtbischofs eine der Voraussetzungen dafür, dass das Militär sogar die bischöflichen Verlautbarungen der Militärkirche redigieren kann.

Auch eine unter Druck oder Verweis auf Gehorsamseid vorgenommene Zensur der militärischen Vorgesetzten braucht freilich zum Erfolg ein irgendwie „ideologisch kooperationsbereites“ Gegenüber in der Militärkirche.

Nicht nur aus pazifistischer Sicht wäre die Kirche hier zum Objekt geworden, von dem man etwas gegen ein Zugeständnis von Wirkungsfeldern für geweihte Akteure und entsprechende Refinanzierungen verkaufen kann, sofern insbesondere die kirchenrechtlichen Bestimmungen für Sakramentenspendung und andere Riten – wie unter F.J. Rarkowski – peinlich genau eingehalten werden. Wer hat die klerikalen Akteure, die sich für Besitzer der Kirche hielten und ihre eigene Bedeutsamkeit mehren wollten, zu einem solchen Geschäft mit der Tötungsapparatur des NS-Staates ermächtigt?

Und der Generalvikar von Wehrmacht und Bundeswehr?

Schon seit Jahrzehnten können nur noch rechtskatholische Ignoranten bestreiten, dass die zugespitzte Bezeichnung „Hitlers Feldbischof“ für den obersten Vertreter der nominell katholischen Wehrmachtseelsorge angesichts der Flut von entsprechenden Zeugnissen nicht polemisch, sondern durchaus sachgerecht ist.

Beharrlicher musste freilich das Ehrenkleid von F. J. Rarkowskis Generalvikar – nachfolgend auch erster Generalvikar der Bundeswehr – reinlich gehalten werden. Mit Klugheit und Umsicht, so wird immer noch weitererzählt, habe Georg Werthmann als der „zweite Mann“ der Militärseelsorge 1939-1945 viel Schlimmes verhütet.

Hat er nun geholfen, der Gottesliebe in den Abgründen des Völkermordens einige Inseln zu erhalten, oder hat er – ohne Anhänger der NSDAP zu sein – sich mit „geistlichen Waffen“ am Lebensraum-, Ressourcen- und Vernichtungskrieg der NS-Wehrmacht gen Osten beteiligt?
Zum Christfest 1941 predigte Generalvikar Georg Werthmann den Lesern eines ökumenischen Massendrucks für die Kriegsfront als geistlicher Vertreter des Militärs:

„Doch das wisst ihr selbst genug, dass Weihnachten das Fest der Kameradschaft ist. Sie war der Reichtum eures Soldatenlebens in den schweren Kampftagen dieses Jahres, die hinter euch liegen, und die oft gigantische Wucht des Ringens mit dem bolschewistischen Gegner hat dieser Kameradschaft eine besondere Tiefe und Kraft gegeben. Nun aber ist es Weihnachten geworden, die Hand streckt sich dem treuen Waffengefährten entgegen, und das Herz grüßt die Heimat […], die ihr […] schütztet vor allen Hassern und Neidern, vor allem aber vor dem Untermenschentum und dem Vernichtungswillen östlicher Barbarei. […] Geht mutig und froh an eure Aufgaben, wenn die Weihnachtskerzen erloschen sind, und haltet euch bereit, jeden Augenblick wieder nach dem Schwerte zu greifen, wenn es zur Sicherung unseres großen Reiches nottut.“
Wehrmacht-Generalvikar G. Werthmann, Advent 1941

Das in Wirklichkeit laut eigenem Bekunden von Georg Werthmann verfasste, von F.J. Rarkowski nur unterzeichnete Hirtenschreiben für die Fastenzeit 1944 warnte kampfmüde Soldaten vor der „Melodie des Versuchers“, sah an der Kriegsfront im Osten „die Tore der Schule Gottes weiter aufgetan als“ irgendwo sonst und endete mit dem Wunsch, die „Kraft des Herrn“ möge die Soldaten der Wehrmacht befähigen, „das Beste zu geben für Führer, Volk und Vaterland“.

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Der hier mit Erlaubnis des Verfasser neu edierte Beitrag stammt aus dem Online-Magazin telepolis, 31.07.2021. https://www.heise.de/tp/features/Franziskus-Justus-Rarkowski-1873-1950-6152210.html
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[1] http://upgr.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Links/PB-IKvU-Lorenz-Jjaeger-20201215NEUABDRUCK.pdf

[2] https://kircheundweltkrieg.wordpress.com/

[3] http://www.friedensbilder.de/KathDisk/_K&W08_digitalbibliothek.pdf

Wie christenfreundlich ist die CDU? Unter NRW-Ministerpräsident Armin Laschet geht die Polizei gegen fromme Pilger vor, die die Kritik des Papstes an einer todbringenden Wirtschaft zitieren.

    Polizeieinsatz Schloß Oberwerries bei Hamm am 23. Juli. Bild: Kreuzweg-Gorleben-Garzweiler.de

In El Salvador durfte man zur Zeit des 1980 im Auftrag der Oligarchie ermordeten Märtyrerbischofs Oscar Romero nicht ungestraft die Bibel zitieren, sofern die privilegierte Minderheit dadurch ihre „Freiheitsrechte“ auf grenzenlose Sicherung und Vermehrung des eigenen Reichtums bedroht sah.[1]

(Gastbeitrag von Peter Bürger)

[Aus: telepolis, 27.07.2021. https://www.heise.de/tp/features/Wie-christenfreundlich-ist-die-CDU-6148412.html?seite=all]

In dem vom Katholiken Armin Laschet regierten Nordrhein-Westfalen ist die Polizei jüngst rabiat gegen einen frommen Pilgerzug zum Schutz des Lebensraums Erde vorgegangen, der als Transparent ein Zitat von Papst Franziskus mit sich führte: „Diese Wirtschaft tötet!“[2]

Die Vertreter der Ordnungsmacht im westfälischen Hamm setzten laut Augenzeugenberichten[3] am vergangenen Freitag ihre physische Körperkraft (mit Verwundungsfolge) ein, zeigten u.a. einsatzbereites Pfefferspray und legten einem Beteiligten Handschellen an. Sie hätten kurzerhand das Papst-Banner verboten und obendrein ein Hungertuch der römisch-katholischen Hilfsorganisation Misereor in der Pilgergruppe.

Die von Pilgerinnen wiedergegebene Polizeibegründung – das Bischofswort aus Rom sei nicht religiös, sondern politisch – entspräche genau dem Duktus der Staatsdekrete, die einst in Lateinamerika gegen die Kirche der Armen erlassen wurden.

Gemäß der Doktrin von Margaret Thatcher hat sich jegliches Kirchentum auf ein platonisches, unsichtbares „Seelenheil“ zu richten, ansonsten aber zur Zerstörung von Menschenleben und Lebensräumen durch die neoliberale Wirtschaftsreligion zu schweigen.

Der ungeheuerliche Vorgang an Schloss Oberwerries bei Hamm bewegte sogar das von der deutschen Bischofskonferenz initiierte – sehr staatstragende und CDU-freundliche – Portal katholisch.de zu einem Klartext-Bericht.[4] Inzwischen ist dort auch eine Gegendarstellung der Polizei zu lesen, die die Transparent-Verbote abstreitet.[5]

Nordrhein-Westfalen ist mitnichten ein Hort der Liberalität

Unsere Gesellschaft ist innerhalb weniger Jahre in der Breite so weit nach rechts gerückt, dass der SPD-Parlamentarier[6] aus dem hochsauerländischen Wahlkreis von Friedrich Merz – ein Sympathisant der National-Sozialdemokraten[7] in Dänemark – die CDU namentlich in der Migrationsfrage offenbar rechts überholen möchte. Unter solchen Vorzeichen konnte leicht das Gerücht aufkommen, der freundlich-rheinische Armin Laschet sei Sachwalter einer liberalen Christdemokratie.

Polizeieinsatz Schloß Oberwerries bei Hamm am 23. Juli. Bild: Kreuzweg-Gorleben-Garzweiler.de

Die nordrhein-westfälischen Erfahrungen von nonkonformen Bürger*innen entsprechen diesem Wunschbild leider nicht. Schon im letzten Jahr hatten die Sprecher*innen des Instituts für Theologie und Politik (Münster) Anlass, das repressive Vorgehen der NRW-Polizei auch gegen christliche, von Papst Franziskus inspirierte Aktivist*innen wider eine in ökologischer Hinsicht verheerende Landespolitik zu beklagen.[8]

Beim diesjährigen Friedens-Ostermarsch in der Landeshauptstadt Düsseldorf konnte ich selbst das Auftreten unverhältnismäßig vieler Polizeikräfte erleben, die durch ihre dunklen neuen Uniformen das Signal eines militarisierten schwarzen Blocks aussendeten, dabei ihre Schusswaffen nebst Schlagstöcken demonstrativ offen am Gürtel trugen. So etwas habe ich in den letzten zwei Jahrzehnten bei keinem einzigen Ostermarsch erlebt.

Ein von mir befragter junger Einsatzleiter fand die Ausstattung nur zeitgemäß, chic, modern. Der alte SchuPo in freundlichem „Grün“ – der kommt heute ins Museum. Sind auch solche Erscheinungen Vorboten eines neuen „marktkonformen Demokratieverständnisses“ in NRW?

Es regieren im Land die Wirtschafts-CDU und eine Wirtschafts-FDP, die scheinbar jegliche Erinnerung an den Freiheitsflügel der bürgerlichen Revolution von 1848 ausgelöscht hat und als bürgerrechtliches Korrektiv ausfällt.

Beide Parteien wollen ein neues, auf viele abschreckend wirkendes Versammlungsgesetz[9] auf den Weg bringen, das u.a. von Gewerkschaften, dem Bund der Antifaschist*innen und Umweltschützer*innen kritisiert wird. Sollen Bürger*innen, die arglos ihre verfassungsgemäßen Grundrechte wahrnehmen, wirklich mit Drohnen gefilmt werden? Soll antifaschistischer Widerstand gegen jene rechtsextremistischen Kräfte, auf deren Konto die Ermordung des couragierten Christdemokraten Walter Lübcke geht, nahezu unmöglich gemacht werden? Sollen Trainings für gewaltfreie Widerstandsformen gegen eine Politik zugunsten der Profite und auf Kosten der menschlichen Lebensgrundlagen wirklich verboten werden? (Effektiver könnte man eine Gewaltzunahme in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der nächsten Jahre nicht vorprogrammieren.)

Wer die alte preußische Tugend – „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“ – einhält, braucht natürlich nichts zu befürchten. Wer schön zuhause bleibt an Aktionstagen und sein Christsein nur in sakralen Kirchenräumen „auslebt“, kommt auch nicht in die Gefahr, mit Polizeiaktivitäten Bekanntschaft zu machen, die mit dem schönen Bild vom „Freund und Helfer“ nichts gemeinsam haben. (Es mögen sich bei dieser Gelegenheit alle Frauen und Männer im Polizeidienst herzlichst gegrüßt fühlen, die wider den Zeittrend an einer unbeirrbaren Leidenschaft für die Grundrechtsartikel unserer Verfassung festhalten!)

Der Pilgerweg geht weiter und lässt sich nicht zensieren

Der Kreuzweg für die Schöpfung von Gorleben nach Garzweiler (4. Juli – 1. August 2021) ist gottlob nicht gestoppt und wird sich auch nicht das Recht nehmen lassen, eine Religion frei auszuüben, deren Auftrag der Schutz des verwundbaren, heute durch rücksichtlose ökonomische Komplexe bedrohten Lebens ist.

Das Ökumenische Institut für Friedenstheologie, dessen Moderationsteam ich angehöre, hat als Unterstützerin des Pilgerweges in Etappen einen Offenen Brief an den NRW-Innenminister geschrieben. Der Text wird am Ende dieses Debattenbeitrags ungekürzt dokumentiert.

Polizeieinsatz Schloß Oberwerries bei Hamm am 23. Juli. Bild: Kreuzweg-Gorleben-Garzweiler.de

Unser Institutskollege Prof. Thomas Nauerth berichtet von seiner Teilnahme an der „Etappe Lünen – Datteln“[10] am Sonntag:

Wir wollten auch sehen, ob ein katholischer Theologe hierzulande noch mit Papstzitaten spazieren gehen darf. Die Gruppe ist stark durchgeschüttelt von den Ereignissen, aber sie macht weiter, auch die verletzte Frau war wieder dabei, wenn auch mit Rad als Gehhilfe und teilweise im Auto. Zwei andere ältere Frauen haben übrigens vom polizeilichen „Festhalten“ deutlich sichtbare Hämatome am Oberarm. Selbst klagen wegen Körperverletzung wollen sie nicht, aber es sind eben drei Klagen anhängig wegen Widerstand gegen Staatsgewalt usw. Noch sind diese Anzeigen nicht zurückgezogen! (…)

Die Polizei ist weiter hochnervös. In Lünen und Datteln stehen die beiden letzten neu gebauten Kohlemeiler, vor Datteln war mit lokaler Bürgerinitiative und Musikern eine Kundgebung geplant (und angemeldet!). Am Tag kamen immer wieder Meldungen durch, von Schikanen der Polizei, die seit dem Morgen den Meiler bewachte, Personenkontrolle bei Radfahrern mit Anti-Kohle Aufkleber: „Wir haben Sie im Blick“; Durchsuchung des Begleitfahrzeugs usw.

Wir wurden von Polizeibooten auf dem Kanal und einer Hundertschaft (!!!) Polizei empfangen. Surreal, wir waren knapp 20 Pilger, durchaus älteren Baujahrs. Die Gruppe hatte sich schriftlich gegen die Auflage bzgl. Misereor-Plakat und Papstaussage gewandt und wir haben beide Transparente gestern mitgeführt. Die Polizei hat es „geduldet“.

Die Gruppe war sehr überwältigt von aller Solidarität. Und ich muss sagen, ich war beeindruckt von der „Frömmigkeit“, die in dieser Gruppe immer wieder zu spüren war, ungeachtet, welche kirchlichen (Nicht-)beheimatungen vorliegen (…)
apl. Prof. Dr. theol. Thomas Nauerth

Man stelle sich vor, mit ähnlicher Entschiedenheit würden die staatlich noch immer privilegierten Großkirchen – abseits folgenloser Predigtsalven – die ökologischen Aufrufe des Papstes und der globalen Ökumene hierzulande in die Öffentlichkeit tragen und sich selbst verpflichten, jegliche Zusammenarbeit mit allen Komplexen zu verweigern, die unseren Lebensraum zerstören. Dann würde der Wahlkampf-Herbst in deutschen Landen wohl ein wenig bunter werden.

Weltkirchlich orientierte Christ*innen sollten sich auf eisige Zeiten vorbereiten

Die Anzeichen mehren sich, dass Christ*innen, die mit einer Ausrichtung an Jesus von Nazareth Ernst machen, sich auf eisige Zeiten vorbereiten müssen. Zum biblisch beurkundeten Auftrag christlicher Gemeinschaften gehört es vordringlich, die Einheit des ganzen Menschengeschlechts zu bezeugen und bedrohten Migranten Schutz zu gewähren. Freie Religionsausübung heißt in diesem Fall, ein Recht auf mitmenschliche Praxis wahrzunehmen.

Der CDU-Politiker und prominente Protestant Thomas de Maizière, von den Großkirchen unverdrossen auf Kirchentagen hofiert, ist seit langem Vorreiter einer Kampagne gegen die Gewährung des Kirchenasyls. Nonnen, die nicht parieren, werden vor Gerichten z.B. in Bamberg[11] oder in Würzburg[12] angeklagt. Christinnen, die Menschengeschwister aus anderen Ländern schützen, wurde jüngst durch einen Richter ganz gemäß „de Maizere-Logik“ vorgeworfen, sie wollten eine theokratische Rechtsordnung[13] beanspruchen.

Anders ausgerichtete Kreise des sich auflösenden Bürger- und Behördenkirchentums folgen ganz der in Deutschland so „traditionsreichen“ Nationallinie, als wenn es weder Weltkirche noch globale Ökumene gäbe. Man erprobt seinen enormen „Mut“ einzig auf dem Feld der – so lange verschleppten – innerkirchlichen Reformen und beschränkt sich bei den großen Zivilisationsfragen der Menschheit (Ökologie, Wirtschaft, Frieden) auf nichtssagende Pressemitteilungen ohne Konfliktpotential und ohne Konsequenzen.

Die katholische Militärministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) verfolgt bezogen auf deutsche Atomwaffendepots, den rasanten Aufrüstungskurs und neue Militärtechnologien das genaue Gegenteil dessen, was Papst Franziskus der menschlichen Zivilisation im Namen Jesu und der Vernunft vorschlägt.

Zur Belohnung für diese irrationale Politik der militärischen Heilslehre, die Problemlösungen angesichts der ökologischen Katastrophenszenarien auf dem Planeten sabotiert, ist die Ministerin in diesem Jahr erneut in das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gewählt worden. Als weltkirchlich ausgerichteter Katholik sehe ich mich durch dieses weithin von CDU-Mitgliedern und anderen bürgerlichen Polit-Akteuren dominierte Laiengremium mit quasi-staatskirchlichem Selbstverständnis nicht vertreten.

***

Textdokumentation:

Offener Brief aus dem
Ökumenischen Institut für Friedenstheologie
an den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen Herrn Herbert Reul
25. Juli 2021

Betr.: Polizeieinsatz gegen Christinnen und Christen des „Kreuzweges Schöpfung von Gorleben nach Garzweiler“

Sehr geehrter Herr Minister Reul,
mit Schrecken, Entsetzen und völligem Unverständnis haben wir Kenntnis erhalten von dem Polizeieinsatz gegen Teilnehmer:innen des „Kreuzweges Schöpfung von Gorleben nach Garzweiler“. Unser Ökumenisches Institut für Friedenstheologie gehört zum Kreis der Unterstützer-Organisationen dieses Pilgerweges, auf dem sich Christ:innen und Nichtchrist:innen im Rahmen einer großen Ökumene für Klimagerechtigkeit, für die Bewahrung der Schöpfung und ein Leben in Fülle für alle einsetzen. Sie stehen damit in völliger Übereinstimmung mit dem Programm der Pilgerwege des Ökumenischen Rates der Kirchen und den Herzensanliegen von Papst Franziskus.

Wir verurteilen auf Schärfste den Polizeieinsatz gegen Christinnen und Christen auf einem Pilgerweg vor dem Schloss Oberwerries. Ausgangspunkt des Konfliktes ist hier nach den uns vorliegenden Informationen eindeutig die Polizei des Landes NRW.

Dieser Polizeieinsatz ist unseres Erachtens ein eklatanter Eingriff in das grundgesetzlich garantierte Recht auf „die ungestörte Religionsausübung“, die laut Artikel 4. Abs 2 „gewährleistet wird“ in Verbindung mit Art 19 Abs. 2: „In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt (!, Hervorhebung von uns) angetastet werden.“ Es handelt sich hier u. E. nicht lediglich um einen Rechtsbruch seitens staatlicher Organe, sondern um einen Eingriff in verbriefte Grundrechte unserer verfassungsmäßigen Ordnung.

Und dies geschieht in einem Bundesland, das 1. ein Versammlungsgesetz gerade versucht zu verabschieden, das verfassungsrechtlich hoch umstritten ist, und 2. von einem Ministerpräsidenten regiert wird, der Mitglied einer Partei ist, die das Prädikat „christlich“ für sich reklamiert und deshalb wissen müsste, aufgrund welcher historischer Erfahrungen die Inhalte des Art 5 GG in Verbindung mit Art 19 GG Eingang in die Verfassung gefunden haben.

Wir bitten Sie, Herr Innenminister Reul deshalb – trotz Ihrer weitreichenden aktuellen Aufgaben im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe in Nordrhein Westfalen und Rheinland Pfalz – dringend, um die Wahrung des Rechtsfriedens wieder herzustellen – zum einen um eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge des Polizeieinsatzes gegen die Pilger:innen des „Kreuzweges Schöpfung von Gorleben nach Garzweiler“, zum anderen in Übereinstimmung mit der Evangelischen Kirche von Westfalen um eine sofortige, vollständige und rechtswirksame Garantie für die – unter den gegenwärtigen Bedingungen – grundgesetzlich garantierte Durchführung des „Kreuzweges Schöpfung von Gorleben nach Garzweiler“ ohne weitere polizeiliche Maßnahmen.

Wir haben uns angesichts des u. E. grundgesetz-widrigen Polizeieinsatzes auch mit dem Komitee für Grundrechte und Demokratie in Verbindung gesetzt, dem Mitglieder unseres Institutes ebenfalls angehören.

Mit freundlichen Grüßen und guten Wünschen für Ihr Amt
Für das Ökumenische Institut für Friedenstheologie:
Dipl. theol. Peter Bürger, Pfr. Dr. Matthias Engelke, Dr. phil. Gudula Frieling, Prof. em. Dr. Gottfried Orth, Rainer Schmid (evang. Theologe); Prof. Dr. Stefan Silber – Unterschrift nach Rückkehr vom Pilgerweg: apl. Prof. Dr. theol. Thomas Nauerth.

Quellenangaben für alle Bildressourcen (Polzeieinsatz bei Hamm, 23. Juli 2021):
https://kreuzweg-gorleben-garzweiler.de/fuer-presse/

Quellen:

  1. https://kreuzweg-gorleben-garzweiler.de/fuer-presse/
  2. https://kreuzweg-gorleben-garzweiler.de/
  3. https://kreuzweg-gorleben-garzweiler.de/2021/07/23/polizei-stoppt-pilgerweg-kreuztraeger-festgenommen/
  4. https://www.katholisch.de/artikel/30689-kreuzweg-fuer-die-schoepfung-polizei-verbietet-banner-mit-papst-zitat
  5. https://www.katholisch.de/artikel/30707-polizei-papst-zitat-bei-klimapilgern-nicht-beanstandet
  6. https://www.fr.de/meinung/kolumnen/wiese-gegen-merz-90477898.html
  7. https://www.sueddeutsche.de/politik/daenemark-wahl-sozialdemokraten-parlamentswahl-1.4477068
  8. https://www.itpol.de/theologinnen-ueber-nacht-eingesperrt/
  9. https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/versammlungsgesetz-nrw-anhoerung-landtag-100.html
  10. https://kreuzweg-gorleben-garzweiler.de/etappen/
  11. https://www.sueddeutsche.de/bayern/oberfranken-kirchenasyl-benediktinerinnen-prozess-1.4971965
  12. https://www.katholisch.de/artikel/30071-katholische-ordensfrau-wegen-kirchenasyl-schuldig-gesprochen
  13. https://www.katholisch.de/artikel/30546-jesuit-mueller-ueber-kirchenasyl-das-sind-keine-akten-sondern-menschen

Rom und die blutige Geschichte der Verfolgung von Schwulen und Lesben

Angriff auf einen Teilnehmer des Rzeszów Equality-Marsches 2018. Bild: Silar/CC BY-SA 4.0

Ohne Befreiung aus der homophoben Angst kann die Weltkirche weder wahrhaftig noch gewaltfrei werden, Kirchenrevolte für die Liebenden (Teil 2)

(Ein Gastbeitrag von Peter Bürger)

In der Begründung zum vatikanischen Verbot des Segens über homosexuell Liebende wurde gezielt am „Fest der Kathedra Petri“ zum tausendsten Mal eine moraltheologische Ideologie reproduziert, die seit Jahrhunderten Grundlage einer blutigen Verfolgung von Lesben und Schwulen ist (siehe Kirchenrevolte für die Liebenden (Teil 1).

In Polen, Afrika, Teilen Amerikas und vielen weiteren Erdregionen ist der römisch-katholische Kirchenkomplex immer noch einer der Hauptakteure in jenen Bewegungen, die von Hass angetriebenen Verfolgern den Rücken stärken und Angst verbreiten.

Der Begründungsteil zum Anti-Segen-Responsum der obersten Glaubensbehörde wird von Theologietreibenden außerhalb der fundamentalistischen Institute nahezu einhellig als inakzeptabel beurteilt. Wenn man die umstrittenen Ausführungen nur ein wenig in Klartext übersetzt, erfüllen sie unter dem Maßstab der bürgerlichen Gesellschaft aber auch den Tatbestand der „Volksverhetzung“.

Hier wiederholt sich das ewige Drama, dass die Römische Kirche in der Wagenspur zutiefst falscher Axiome nicht nur stets dem weltlichen Menschenrechtsdiskurs hinterherhinkt, sondern mangels Umkehr zur Botschaft des Evangeliums unverdrossen Errungenschaften eines humanen Freiheitsringens sabotiert.

Der dogmatische Widerspruch

Geradezu zwanghaft festgehalten wird ein Wahngebilde, das die Kirche in einen eklatanten Widerspruch zu ihrer auf dem letzten Konzil in der Konstitution Lumen gentium vorgelegten Selbstdefinition versetzt. Die Diffamierung der homosexuellen Liebesbegabung als „Schöpfungsdefekt“ zementiert nämlich eine tiefgreifende Feindschaft zwischen einem nach eigenem Gutdünken förmlich festgesetzten „Schöpfer“ und allen Menschen, die mit ihrer Sexualität aus dem Raster der aristotelischen Naturrechtskonstruktion herausfallen. Dies ist das genaue Gegenteil des kirchlichen Anspruchs, „Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott“ zu sein.

Sabotiert wird in gleichem Atemzug die dogmatische Vision einer Kirche, die sich als ein Zeichen für die „Einheit der ganzen Menschheit“ erweist. Denn wenn alle Minderheiten, die ihre angeblich normwidrige Sexualität als Geschenk erfahren, zu Sündern gestempelt und aus der Gemeinschaft des Segens ausgeschlossen werden, agiert die Kirche als ein Zerstörungswerkzeug wider die „Einheit der ganzen Menschheit“. Die während des Ratzinger-Pontifikats vorgetragene Prognose, die Römische Kirche werde im dritten Jahrtausend in den großen Zivilisationsfragen „fortschrittlich“ sein, gleichzeitig aber in ihrem Inneren im fundamentalistischen Rückwärtsgang verbleiben und der Freiheit keine Heimatstatt gewähren, bleibt gruselig.

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Kirchenrevolte für die Liebenden

Römischer Weltkatechismus: „Homosexuelle Handlungen sind in sich nicht in Ordnung und in keinem Fall zu billigen.“ (Bildarchiv P. Bürger)

Die Vatikanische Theologenpolizei hilft den katholischen Reformern auf die Sprünge. – Die vom Papst initiierte „zärtliche Revolution“ soll den homosexuellen Paaren zugute kommen.

(Ein Gastbeitrag von Peter Bürger)

Die Nachfolge-Institution der Römischen Inquisition hat jüngst den Ortskirchen Segensfeiern bzw. Segensgebete für homosexuell Liebende untersagt, obwohl diese auf uralte ostkirchliche Liturgien zurückgreifen können und schon seit vielen Jahren zur Pastoral in ungezählten Gemeinden gehören. Das entsprechende „Responsum“[1] entspricht auffälliger Weise zu 100 Prozent dem Begehren[2] eines vor wenigen Tagen notgedrungen suspendierten Opus-Dei-Bischofs[3] aus der autoritären Kölner Kirchenleitung.

Wortlaut: „Gott segnet nicht die Sünde“

Die „rechtskatholischen Identitären“ in den USA jubeln. Die altbekannte Diktion der Beschämung einer zu allen Zeiten und an allen Orten lebenden Minderheit, die in jeder familiären Verwandtschaft vertreten ist und zu der auch der Verfasser dieses streitbaren Debattenbeitrags gehört, wird – diesmal allerdings ohne die infame Vokabel „Mitleid“ – wortwörtlich fortge­führt: „Gott liebt alle Menschen“ (auch die Gestörten und mit „Schöpfungsdefekten“ Behafte­ten); er segnet sogar die Sünder, „aber er segnet nicht die Sünde“. – Mehr Heuchelei in einem Kirchengefüge, dessen zwangszölibatäres Leitungssystem ohne schwule Priester schon längst zusammengebrochen wäre, ist kaum vorstellbar.

Von einer durch Jesus aus Nazareth bewegten Frömmigkeit ist in dem dekretalen Machtakt von oben nichts mehr zu spüren. In gut fundamentalistischer Manier verweigert sich die oberste Glaubensbehörde ebenfalls einem rationalen Diskurs, indem sie sich auf Unfug und Konstrukte eines wahnwitzigen Naturrechtparadigmas zurückzieht. Die Früchte der Aufklärung werden nach drei Jahrhunderten von Teilen der Kurie noch immer als ungenießbar betrachtet. Der Vorgang kommt einer intellektuellen und theologischen Bankrotterklärung gleich.

Soviel steht jetzt schon nach wenigen Tagen fest: Die Theologenpolizei des Vatikans hat soeben den entscheidenden Funken entfacht, der einen seit Jahren dahindümpelnden Reformprozess zur Frommen Revolte werden lässt. Gegen den Heiligen Geist und seine menschenfreundliche List wird die theologische Polizeibehörde den Kürzeren ziehen.

Die Widersprüche und Komplikationen, die mit diesem Vorgang zusammenhängen, sind aber weitaus vielschichtiger, als es ein selbstgefälliger liberal-katholischer Standort wahrzunehmen vermag. Aus einer gleichermaßen freiheitlich-jesuanischen wie weltkirchlichen Perspektive verdienen die Reformer einer bürgerlichen Wohlfühlkirche ebenso wenig Beifall wie der freundlich verpackte „Theo-Stalinismus“ vatikanischer Wahrheitsbesitzer: „Ein Esel schimpft den anderen Langohr.“

Die zu sichtenden Ambivalenzen weisen übrigens viele Entsprechungen zu dem auf, was in der Debatte „Linke und Identitätspolitik“ zur Sprache kommt. Einige bedeutsame Fragestellungen des ganzen kirchlichen Komplexes der Gegenwart sollen in diesem Text und einem zweiten Teil zumindest benannt werden.

Die Zweigesichtigkeit der Amtsführung von Papst Franziskus

In der Nacht nach der letzten Papstwahl (2013) habe ich als katholischer Kommentator für telepolis eine vorauseilende Liebeserklärung[4] an Bischof Franziskus von Rom verfasst, von der bis zur Stunde rein gar nichts zurückzunehmen ist. Franziskus hat die Weltkirche bereitet für das Dritte Jahrtausend, welches über das Geschick der menschlichen Zivilisation[5] entscheiden wird. In seinen Rundschreiben sind die Rückbindung an die „zärtliche Revolution“[6] des Jesus von Nazareth, der von Johannes XXIII. ersehnte Weg hin zu einer Kirche der Armen und das für die Katholizität zentrale Bekenntnis[7] zur Einheit der ganzen Menschheit wieder sichtbar geworden. Den nach uns Kommenden wird dieses Pontifikat, das einigen bürgerlichen Kleingeistern zufolge schon jetzt gescheitert sein soll, als ein Lichtblick sondergleichen erscheinen.

Viele Freundinnen und Freunde, darunter am nachdrücklichsten eine Reihe von Priestern, halten mir jedoch entgegen, der autoritäre Schatten des Papstes und seine Ambivalenz seien nicht zu übersehen: Eine Franziskanerin trägt Anliegen[8] der Frauen vor und wird in aller Öffentlichkeit mehr oder weniger patriarchal abgekanzelt. In ein und dem selben Dokument werden die Theologietreibenden zum Aufbruch[9] ermutigt und gleichzeitig im Sinne der vatikanischen Theologenpolizei an ein unseliges Paradigma[10] des 19. Jahrhunderts geknebelt. Die Amazonas-Bischöfe dürfen den Schrei ihrer Kirchen nach verheirateten Priestern – neben ehelosen – vor­tra­gen, doch dann taucht das entsprechende Synodenvotum nicht mehr auf, weil „die anderen“ angeblich die „geistliche Unterscheidung“ nicht richtig geübt haben …

Beim Thema „Homosexualität“ sticht die Strategie „Good Guy, Bad Guy“ besonders ins Auge. Der Papst, der hier übrigens erstmals wieder eine freie Debatte ermöglicht hat, versichert ohne jegliche theologische Verbindlichkeit: „Wer bin ich, dass ich verurteile?“ Die Glaubenskongregation darf aber unverdrossen jene gewalttätige Ideologie reproduzieren, der zufolge das Begehren homosexueller Menschen einem ewigen „Schöpferplan“ zuwiderläuft und nur sexuell enthaltsame Lesben und Schwule ein gottwohlgefälliges Leben führen. Der Papst ist nicht Auftraggeber, wie die Internationale Reformbewegung[11] betont, aber er billigt mit seiner Unterschrift die Veröffentlichung.
Solche Schizophrenien, auch wenn sie den mächtigen fundamentalistischen Netzwerken im Vatikan und der Angst vor Kirchenspaltung geschuldet sein mögen, können auf die Dauer nicht gut gehen: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.“ (Matthäus-Evangelium 5,37)

Dem Bruder Papst sei der Fall eines mir bekannten Ehepaares mit zwei homosexuellen Kindern mitgeteilt, das an seinem Wohnort zu den treuen Kirchgängern zählt. Dem einst von Rom produzierten „System Meisner“[12] und dem von Rom (ob seiner Finanzkräftigkeit? ob seiner Überwachungsdienste im synodalen Prozess?) hartnäckig protegierten[13] Kardinal Rainer Woelki haben sie schon lange abgeschworen. Doch nun, nach dem jüngsten Dokument gegen die Segnung einer Form der Liebe, die die katholische Kirche in ihrem inneren Kreis[14] besser als jede andere Institution auf dem ganzen Erdkreis kennt, erwägen auch sie den Kirchenaustritt. Mit Bangen fragt unsereins: „Wer bleibt dann denn noch übrig?“

Ein informeller Frauenkreis im Erzbistum Köln, zu dem auch meine Schwester gehört, hat dieser Tage die klerikale Männerherrschaft in der Kirche unter diese Überschrift gestellt: „Macht und Geld – Sex und Crime“. Über Jahre musste ich viele vertraute Gesichter aus der Kirchenbank schwinden sehen. Wenn Rom jetzt die unter einem deutschen Papst eingesetzte Pulverisierung der katholischen Landschaft durch „theologische Atombomben“ aus alten Waffenbeständen weiter beschleunigt, so ist das auf jeden Fall auch eine Form von Kirchenspaltung.

Pastoraler Ungehorsam, der nicht mehr aufgehalten werden kann

„Starrheit hat katholische Kirche an den Abgrund geführt“
(Titel der FAZ vom 16.03.2021[15]; nach dem Votum der
Ökumenischen AG Homosexuelle und Kirche)

Das „Responsum“ der Glaubenskongregation gegen Gottes längst erwiesenen Segen für die homosexuelle Liebe kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Christ*innen pandemiebedingt den Gotteshäusern fernbleiben. Die sonntägliche Liturgie schenkt Katholiken eine wohltuende seelische Regression in Räumen und Bildern der Geborgenheit, doch sie reproduziert ebenso Sonntag für Sonntag die seit Kindertagen eingeübte Verbundenheit mit dem real existierenden Kirchengefüge. Diese Kette der Rückbindung „frommer Lämmer“ ist gerade drastischer denn je unter- oder abgebrochen, wobei z.B. im Rheinland die anfanghafte Aufdeckung jahrzehntelanger Abgründe[16] der Gewaltvertuschung hinzutritt.

Kurzum: Noch nie waren Abnabelung und die Bereitschaft zum frommen Ungehorsam größer. Deshalb sollten die Attacke der Glaubenskongregation gegen zig Millionen homosexueller Katholikinnen und Katholiken[17] auf der ganzen Erde und die neu aufgelegte Diffamierung aller sexuell aktiven Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen als Sünder*innen nicht vorrangig als „Foul“, sondern als das entscheidende „Eigentor“ gesehen werden. Die Revolte wider das vatikanische Hetzdokument ist erst seit wenigen Tagen angelaufen und gewinnt unaufhörlich an Fahrt. Hier seien vor allem Beispiele aus der Nähe angeführt:

  • Deutlich fiel das prompte Votum der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands[18] aus, womit nachfolgend die gesamte neue Frauenbewegung in der Kirche als Teil des Widerstandes erwartet werden darf: „Für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare!“
  • Die Katholische Frauenbewegung und Männerbewegung im Bistum Bozen-Brixen[19] weigern sich, das homophobe Segnungsverbot aus Rom anzunehmen.
  • Für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hat Thomas Sternberg[20] am 15. März klargestellt, dass der Segen für die homosexuelle Liebe in vielen Teilen der Weltkirche ein Thema ist: „Die Kirche ist dazu berufen, Menschen zu segnen. Sie ist nicht dazu berufen, Menschen, die darum bitten, den Segen Gottes vorzuenthalten.“
  • Für das „Katholische LSBT+ Komitee“[21] übte der Theologe Dr. Michael Brinkschröder eine Fundamentalkritik: „Die Glaubenskongregation ist inzwischen selbst zu einem der größten Hindernisse für die Evangelisierung geworden, da sie eine Diskriminierungskirche durchsetzen möchte“.
  • Nicht minder scharf fällt die Kritik des deutschen Jesuiten Andreas R. Batlogg[22] aus, dessen Ordensbruder Kurienkardinal Luis F. Ladaria den gesamten Skandal des unheiligen Offiziums verursacht hat: „Waffen wurden (und werden?) gesegnet. Aber zwei Menschen nicht, nur weil sie gleichgeschlechtlich empfinden, so geboren, so von Gott geschaffen wurden, also kein ‚Schöpfungsunfall‘ … Nur zu gerne wüsste ich, was Papst Franziskus dazu sagt.“
  • Der „Berufsverband der Pastoralreferent*innen Deutschlands e.V.“[23] erklärte auf seiner Delegiertenversammlung am 16. März: „Pastoralreferent*innen begleiten und segnen seit vielen Jahren homosexuelle Menschen und werden es weiter tun. Wir rufen auch alle Bischöfe, Priester, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferent*innen dazu auf.“
  • Das „Forum katholischer Theologinnen e.V.“[24] konstatierte am 17. März sachgerecht: „Die Haltung der vatikanischen Glaubenskongregation […] entspricht nicht der der jesuanischen Botschaft.“
  • In Österreich hat die „Franziskus-treue“ Pfarrerinitiative[25] öffentlich zum pastoralen Ungehorsam aufgerufen: „Wir segnen gleichgeschlechtliche Paare auch weiterhin.“
  • Der Theologe Daniel Bogner beklagt in der Zeit am 16. März, der Vatikan führe sich auf wie „doktrinärer Elefant im Porzellanladen“ und zertrümmere auf einen Schlag, „was Papst Franziskus an Autorität für das Leitungsamt der Kirche mühsam neu aufgebaut hat“.[26]
  • Mehr als tausend Priester und Theolog*innen in Deutschland wollen schon laut Stand vom 17. März das Verbot aus dem Vatikan einfach ignorieren; der von zwei Priestern (Bernd Mönkebüscher, Friedenspreisträger Burkhard Hose) formulierte Aufruf[27] wandelt die österreichische Formel so um: „Wir verweigern die Segnung nicht.“
  • Katholische Dogmatiker und Fundamentaltheologen betonen in ihrer Erklärung[28] vom 19. März zur vatikanischen Homophobie: „Wer offene Fragen und Prozesse machtförmig abzuschließen versucht, beschädigt die Autorität des kirchlichen Lehramtes“.
  • Schon Anfang dieses Jahres hatten 32 von 38 befragten Theolog*innen ihre Zustimmung[29] zu einer Segnung homosexueller Paare signalisiert.
  • Die Theologieprofessoren Stephan Goertz und Magnus Striet sehen die Glaubenskongregation bei sexualethischen Fragen weiter in die Bedeutungslosigkeit abstürzen und halten de facto eine Moraltheologie, die ihr Anliegen nur noch auf irrationale Weise kommuniziert, für nicht mehr katholisch.[30]
  • Der Bundesverband der katholischen jungen Gemeinde[31] verurteilt es in einer theologisch überzeugenden Stellungnahme, dass die oberste Glaubensbehörde die göttliche Schöpfungswirklichkeit der homosexuellen Liebe als Sünde diffamiert.
  • Ähnlich verweigern die Zustimmung z.B. die Pfadfinderschaft St. Georg[32], der Bund der katholischen Jugend[33] und die Katholische Arbeiternehmerbewegung[34] im Bistum Münster.
  • Der Pallotiner-Regens Christoph Lentz hängt zum Protest[35] die Regenbogenfahne aus dem Fenster. Dies wäre, flächendeckend im kirchlichen Raum nachgeahmt, ein preisgünstiges, unanfechtbares und sehr wirkungsvolles Erkennungszeichen für den Widerstand.
  • Bereits am 20. März hatten mindestens zwei Kölner Pfarrkirchen in gleicher Weise Flagge gezeigt.[36]
  • Der Berliner Hochschulseelsorger und Dominikanerpater Max Cappabianca empfiehlt auf Twitter gelassen: „Rom nicht ernst nehmen und in der Seelsorge weitermachen. Es gibt Wichtigeres als dumme Papiere!“ (katholisch.de, 16.03.2021)
  • Geradezu fassungslos zeigen sich hingegen der Speyerer Generalvikar Andreas Sturm, der Wormser Dompropst Tobias Schäfer und ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann angesichts der Entgleisung der römischen Glaubensbehörde (katholisch.de, 16.03.2021); ebenfalls der Trierer Generalvikar[37] Dr. Ulrich Graf von Plettenberg.
  • Die Laiengremien[38] der Bistümer Aachen und Münster fordern ihre – durchaus hörbereiten – Bischöfe auf, in ihrem Namen gegen das „Responsum“ anzugehen.; ähnlich das Paderborner Diözesankomitee[39].
  • „Auch der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln kritisierte den Vatikan. »Die Kirche hat im letzten Jahr noch das Gitter um den Kölner Dom gesegnet, sagt aber, die Liebe von zwei gleichgeschlechtlichen Menschen kann man nicht segnen. Das ist nicht die Zusage Gottes an die Menschen, wie wir sie verstehen«, schrieb der Vorsitzende Tim Kurzbach in einer Stellungnahme.“[40]
  • Der emeritierte Münsteraner Weihbischof Dieter Geerlings[41] hielt schon 2019 eine Segensform für homosexuelle Paare für möglich.
  • Der belgische Bischof Johan Bonny[42] (Antwerpen) ist wütend und schämt sich wegen des vatikanischen Aberwitzes. Er gehört zu den wenigen, die präzise die Folgen auch für die heterosexuellen Kirchenglieder benennen: „Wenn wir von ‚Sünde‘ sprechen, wo es um irreguläre Verhältnisse mit Blick auf unser Eheverständnis geht, so ist davon tatsächlich die Mehrheit unserer Gläubigen betroffen.“ – „Wir sind Kirche“ bringt in einer guten Textsammlung[43] eine Übersetzung (Norbert Arntz) des Statements von Bischof Johan: „Das ist nicht die Sprache von Amoris laetitia.“
  • Eine – z.T. nicht minder deutliche – Ablehnung des vatikanischen Segensverbots kommt ebenso vom Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz[44] Erzbischof Franz Lackner, dem Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer[45], Bischof Markus Büchel[46] (St. Gallen) und dem Feldkircher Bischof Benno Elbs[47].
  • Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, Pionier[48] einer neuen Debatte über Segensformen, stellt durch seine kontinuierlichen Wortmeldungen ein Bewusstsein für den engen Zusammenhang von Frauen-Ausschluss im klerikalen Männerbund und kirchlicher Homophobie unter Beweis.
  • Bischof Heinrich Timmerevers[49] (Bistum Dresden-Meißen) befürwortet die Segnung homosexueller Paare.
  • Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf[50] teilt mannigfache Enttäuschung über das „Responsium“ mit und sieht sich jetzt angespornt, „verstärkt seelsorgliche Angebote und Konzepte zu entwickeln für und insbesondere: gemeinsam mit homosexuellen Menschen“.
  • Birgit Mock, Co-Vorsitzende des „Synodalforums Sexualmoral“[51], betont: Die Segnung der homosexuellen Liebe sei in Deutschland vielerorts eine Tatsache.
  • Im Bistum Essen betrachten der Generalvikar Klaus Pfeffer[52] sowie der Ortsbischof Franz-Josef Overbeck[53] (zugleich Militärbischof) die sexualethische Position der Glaubenskongregation als unhaltbar.
  • Mit Georg Bätzing, dem etwas sanfter argumentierenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (Limburg[54]), wird ein Rückfall in die Missachtung der Menschenwürde und der „Freiheit der Kinder Gottes“ ebenfalls kaum möglich werden.
  • Kardinal Reinhard Marx[55] sieht in dem Segnungsverbot aus Rom mitnichten einen endgültigen Bescheid.
  • Am heutigen Montag berichtet das kircheneigene Portal katholisch.de über ein bislang schon von mehr als 200 Theologie-Professorinnen und -Professoren getragenes Votum[56], das der vatikanischen Glaubensbehörde eine inakzeptable theologische Qualitätsstufe bescheinigt.[57] Bei der Uni Münster gibt es schon eine englische Übersetzung; eine italienische Fassung ist extern[58] abrufbar.
  • Die Zahl der deutschen und österreichischen Priester, Seelsorger und Seelsorgerinnen, die trotz Verbot weiterhin den Segen der homosexuellen Liebe feiern werden, beträgt inzwischen am 22. März schon 2.000.[59]

Die Fromme Revolte – Ergebnis päpstlicher Weitsicht?

Zum Fortgang des Geschehens wird u.a. ein thematisches Dossier im Forum für Theologie und Kirche[60] Texte dokumentieren.

Fast möchte man glauben, der Papst habe die Glaubenskongregation deshalb im „Ratzinger-Paradigma“ belassen, um ein so breites Sichtbarwerden des wirklichen Glaubenssinns unten in der Kirche zu ermöglichen. Dass die wenigen verbliebenen Hardliner-Bischöfe bei uns – allen voran die Hirten in Passau und Regensburg – den Inquisitionstext gegen Schwule und Lesben nachbeten, kann keinen verwundern.

Möglich ist natürlich, dass Rom sich aufgrund der oben beschriebenen Ambivalenz-Linie selbst blind in eine ausweglose Situation hineinmanövriert hat. Denn diesmal wird sich die „andere Kirche“ auf dem Globus, für die es – trotz der bahnbrechenden Pionierversuche des französischen Bischofs Jaques Gaillot[61] ab 1995 – noch immer keine hinreichenden Kommunikations- und Übersetzungsstrukturen gibt, international besser vernetzen. Bislang profitierte die mächtige Kirchenzentrale noch stets davon, dass die Ortskirchen gar kein unabhängiges Bild zur globalen kirchlichen Willensbildung vorweisen konnten.

Falls der Vatikan die erst ganz am Anfang stehende Revolte für die Liebenden wider alle Wahrscheinlichkeit doch noch zum Verstummen bringen kann, dann wird es mit Methoden bewerkstelligt sein, wie man sie nur aus Diktaturen kennt. Dann jedoch wüssten wir, dass Jesus – trotz des Bischofs Franziskus – vor den Toren der Stadt Rom den Staub von seinen Sandalen abgeschüttelt hat und weiterhin allerorten auf dem ganzen Erdkreis anzutreffen ist.

Ausblick: Schwule Priesterpaare am NATO-Altar?

Nunmehr haben wir an einem brennenden Beispiel der jüngsten Zeit zuerst die vatikanische Widersprüchlichkeit ein wenig erhellt. Doch die bürgerlichen Kirchenreformer hierzulande verfolgen gleichfalls einen kritikwürdigen Kurs. Ihre zentralen Themenstellungen (wie Frauenfrage, Sexualethik, Ökumene, Aufhebung der klerikalen Zweiklassenkirche) sind natürlich nicht, wie absurder Weise immer wieder behauptet wird, Anzeichen für eine nationalkirchliche, irgendwie „spezifisch deutsche“ Agenda.

Das Defizit besteht vielmehr darin, dass die Armen im synodalen Prozess – genauso wie bei den zentralistischen Fraktionen im Vatikan – gar nicht auftauchen. Man sieht sie nirgends beteiligt. Auch von der Verwandlung in eine Kirche der Solidarität im Dienst an der einen Menschheit, einer Kirche im zivilisatorischen Ernstfall[62] (Ökologie) und der Umkehr zu einer Kirche des Friedens spürt man bislang noch nichts. Dies soll Schwerpunktthema eines zweiten Teils sein. Denn: „Schwule Priesterpaare am Altar der NATO-Militärkirche sind auch keine Lösung.“

Anmerkungen:

1 https://www.katholisch.de/artikel/16767-weihbischof-koennen-homosexuelle-paare-nicht-segnen
2 https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2021/03/15/0157/00330.html#ted
3 https://www.katholisch.de/artikel/29134-nach-belastung-weihbischof-schwaderlapp-bietet-papst-ruecktritt-an
4 https://www.heise.de/tp/features/Franziskus-auf-dem-Stuhl-Petri-3398081.html
5 http://www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html
6 https://www.hintergrund.de/politik/welt/revolution-der-zaertlichkeit/
7 http://www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20201003_enciclica-fratelli-tutti.html
8 http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2019/may/documents/papa-francesco_20190510_uisg.html
9 https://www.feinschwarz.net/papst-franziskus-und-die-wissenschaftliche-theologie/
10 https://www.katholisch.de/artikel/20604-deutsche-fakultaeten-papst-vertritt-ueberholtes-bild-der-theologie
11 https://www.catholicchurchreform.org/216/
12 https://www.deutschlandfunk.de/gutachten-zu-sexueller-gewalt-in-der-kirche-es-steigen.886.de.html?dram:article_id=494369
13 https://www.katholisch.de/artikel/29075-fall-o-luedecke-erneuert-kritik-an-entlastung-woelkis-durch-vatikan
14 https://www.heise.de/tp/features/Die-grosse-Mutter-Kirche-und-ihre-Soehne-3389704.html?seite=all
15 https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kritik-an-nicht-segnung-homosexueller-paare-durch-vatikan-172
16 https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-03/katholische-kirche-gutachten-sexueller-missbrauch-erzbistum-koeln-kardinal-woelki
17 https://www.katholisch.de/artikel/15692-globale-allianz-von-regenbogenkatholiken-gegruendet
18 https://www.kfd-bundesverband.de/aktuelles/artikel/fuer-die-anerkennung-gleichgeschlechtlicher-paare/
19 https://www.tageszeitung.it/2021/03/19/keine-christen-zweiter-klasse/
20 https://www.zdk.de/veroeffentlichungen/pressemeldungen/detail/-Die-Kirche-ist-berufen-Menschen-zu-segnen–1367s/
21 https://www.huk.org/aktuell/neuigkeiten/188-katholisches-lsbt-komitee-fordert-von-bischoefen-pastoralen-ungehorsam-in-bezug-auf-das-verbot-von-segensfeiern-2
22 https://andreas-batlogg.de/2021/03/kein-segen-fuer-homosexuelle-und-der-papst-macht-mit/
23 https://www.bvpr-deutschland.de/aktuelles/
24 https://www.agenda-theologinnen-forum.de/aktuelles/aktuelles-vollansicht/statement-von-agenda-forum-katholischer-theologinnen-zur-veroeffentlichung-der-glaubenskongregation-zur-segnung-homosexueller-pa.html
25 https://religion.orf.at/stories/3205365/
26 https://www.zeit.de/amp/news/2021-03/16/theologe-daniel-bogner-vatikan-wie-doktrinaerer-elefant?utm_referrer=http%3A%2F%2Fwww.theologie-und-kirche.de%2F
27 https://www.katholisch.de/artikel/29119-mehr-als-1000-seelsorger-wollen-weiter-homosexuelle-segnen
28 http://www.theologie-und-kirche.de/stellungnahme-ag-dog-fth.pdf
29 https://www.katholisch.de/artikel/28471-rueckendeckung-fuer-kuenftige-segnung-homosexueller-paare
30 https://www.katholisch.de/artikel/29101-nein-zur-segnung-der-vatikan-wird-nicht-mit-gehorsam-rechnen-koennen
31 https://kjg.de/blog/2021/03/15/gottes-schoepfungswirklichkeit-kann-keine-moralfrage-sein/
32 https://dpsg.de/de/aktuelles/nachrichten-ueberblick/nachrichten/news/detail/News/positionierung-zur-verlautbarung-der-glaubenskongregation-ueber-die-segnung-von-gleichgeschlechtliche.html
33 http://www.jugend-im-bistum-erfurt.de/system/files/public/pdf/segen_nicht_laenger_verweigern_bdkj_2021.pdf
34 https://www.kab-muenster.de/nc/kab/nachrichten/uebersicht/detailansicht/article/kab-zutiefst-irritiert-vom-schreiben-der-glaubenskongregation/
35 https://www.augsburger-allgemeine.de/friedberg/Statement-gegen-Vatikan-Am-Pallotti-Haus-weht-die-Regenbogenfahne-id59343991.html
36 https://pfarrbrief.kirche-sk.de/nachgefragt/artikel/Wir-zeigen-Flagge/
37 https://www.bistum-trier.de/news-details/pressedienst/detail/News/respektvoller-umgang-mit-menschen-in-gleichgeschlechtlichen-partnersch
38 https://www.katholisch.de/artikel/29158-protest-gegen-vatikan-nein-zu-homosexuellensegnung
39 https://dk-paderborn.de/stellungnahme/
40 https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/katholische-kirche-und-homosexuelle-proteststurm-gegen-segnungsverbot-a-3db30042-128f-4d41-b163-625c67b7160f
41 https://www.katholisch.de/artikel/22654-weihbischof-geerlings-kirche-kann-homosexuelle-paare-segnen
42 https://www.katholisch.de/artikel/29147-antwerpener-bischof-an-vatikan-uns-reichts
43 https://www.wir-sind-kirche.de/?id=125&id_entry=8700
44 https://www.katholisch.at/aktuelles/133653/lackner-als-kirche-homosexuelle-paare-nicht-alleine-lassen
45 https://www.dioezese-linz.at/news/2021/03/18/bischof-scheuer-in-der-kirche-haben-wir-den-auftrag-uns-fuer-die-liebe-einzusetzen
46 https://www.bistum-stgallen.ch/aktuelles/news/keine-eingangskontrollen-fuer-gottes-segen-1722/
47 https://www.katholisch.at/aktuelles/133639/segnung-homosexueller-paare-elbs-fuer-kirchliche-neupositionierung
48 https://www.kirche-und-leben.de/artikel/bischof-bode-fuer-neue-debatte-ueber-segnung-homosexueller-paare
49 https://www.katholisch.de/artikel/27026-bischof-timmerevers-befuerwortet-segnung-homosexueller-paare
50 https://bistummainz.de/pressemedien/pressestelle/nachrichten/nachricht/Stellungnahme-des-Mainzer-Bischofs-Peter-Kohlgraf/
51 https://www.katholisch.de/artikel/29161-forum-sexualmoral-draengt-auf-weiterentwicklung-von-kirchlicher-lehre
52 https://neuesruhrwort.de/2021/03/16/generalvikar-pfeffer-vatikanpapier-unfassbar/
53 https://www.katholisch.de/artikel/29154-bischof-overbeck-fuer-kirchliche-neubewertung-von-homosexualitaet
54 https://www.katholisch.de/artikel/28471-rueckendeckung-fuer-kuenftige-segnung-homosexueller-paare
55 https://www.br.de/nachrichten/bayern/kardinal-reinhard-marx-zu-homo-segnung-letztes-wort-nicht-gesprochen,SRpZXXG
56 https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/fb2/zentraleseiten/aktuelles/stellungnahme_publikationsform.pdf
57 https://www.katholisch.de/artikel/29177-ueber-200-professoren-gegen-nein-zum-segen-homosexueller-verbindungen
58 http://ilsismografo.blogspot.com/2021/03/germania-dichiarazione-sul-responsum.html
59 https://www.katholisch.de/artikel/29177-ueber-200-professoren-gegen-nein-zum-segen-homosexueller-verbindungen
60 http://www.theologie-und-kirche.de/
61 https://www.katholisch.de/artikel/24183-versetzung-ins-nichts-wie-der-papst-bischof-gaillot-loswurde

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Der Verfasser ist examinierter Krankenpfleger, Theologe und Publizist, Mitglied der Ökumenischen AG Homosexuelle und Kirche; www.friedensbilder.de . Seine Bücher zum Thema: „Das Lied der Liebe kennt viele Melodien“ (vier Auflagen 1997-2005); „Die Fromme Revolte – Katholiken brechen auf“ (2009); „Wie die Menschheit eins ist. Die katholische Lehre ‚Humani generis unitas‘ für das dritte Jahrtausend“ (2016); „Oscar Romero, die synodale Kirche und Abgründe des Klerikalismus“ (2020). – Aktuelles Forschungsprojekt: „Kirche & Weltkrieg“ (https://kircheundweltkrieg.wordpress.com).

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Leicht abweichend zuerst erschienen bei heise.de:
Peter Bürger: Kirchenrevolte für die Liebenden.
Die Vatikanische Theologenpolizei hilft den katholischen Reformern auf die Sprünge. – Die vom Papst initiierte „zärtliche Revolution“ soll den homosexuellen Paaren zugute kommen.
In: telepolis, 22.03.2021. https://www.heise.de/tp/features/Kirchenrevolte-fuer-die-Liebenden-5994107.html

Vogelschutzgebiet Marsberg/Brilon: Statt billiger Polemik, Chancen des Vogelschutzgebiets nutzen.

Bartkäuze sind sehr fotogen. Hier nicht im Vogelschutzgebiet, sondern im Dortmunder Zoo. (Symbolbild: Archiv zoom)

Hohe Wellen schlägt derzeit das geplante Vogelschutzgebiet Brilon – Marsberg, das auf Initiative des VNV ausgewiesen werden soll und wo im Verfahren bis zum April die Grundeigentümer Einwendungen einlegen können.

(Gastbeitrag von Matthias Schulte- Huermann, SBL)

Zum einen werden erhebliche Vorwürfe gegen den Verein für Natur und Vogelschutz erhoben: *Stickum habe der Verein umfangreiche ornithologische Kartierungen vorgenommen* (WP), und gleichzeitig wird von Vertretern von CDU/SPD und FDP die Sachkompetenz des Vereins in Frage gestellt. Umso erstaunlicher ist dieser Aufschrei, wenn man weiß, dass der VNV seit Jahrzehnten sowohl für den Hochsauerlandkreis als auch für das Landesamt für Naturschutz seine Sachkompetenz zur Verfügung stellt. Und warum werden diese Vorwürfe an einen Verein gerichtet, der nichts anderes gemacht hat, als seine Aufgabe zu erfüllen: Nämlich sich wirksam für den Vogelschutz einzusetzen? Unverständlich.

An die Speerspitze einer Allianz gegen das geplante Vogelschutzgebiet hat sich der Landwirtschaftsverband Meschede gestellt. Genauso wie der VNV sich wirksam für den Vogelschutz einsetzt, ist es das gute Recht des Verbandes sich für seine Mitglieder einzusetzen. Die Frage ist allerdings, ob es den Mitgliedern nutzt, wenn eine Allianz gegen das Vogelschutzgebiet geschmiedet wird. Es stellt sich die Frage, ob die Mitglieder des Landwirtschaftsverbandes überhaupt durch diese Ausweisung solche Nachteile haben, wie allenthalben kolportiert wird, oder ob nicht auch für sie die Vorteile durchaus überwiegen: Wenn man die Chancen nutzt, die eine solche Ausweisung für die Regionalentwicklung bieten.

Faktisch wird es zunächst einmal durch die Ausweisung des Vogelschutzgebietes für die meisten Betriebe keine Verschlechterung geben, da die Ausweisung zunächst einmal die Aufgabe hat dafür Sorge zu tragen, dass sich die Lebensbedingungen der geschützten Vogelarten (Grauspecht, Neuntöter, Raubwürger) nicht verschlechtern. Darüber hinausgehende Maßnahmen können nur in Absprache mit den Betrieben erfolgen und sind entschädigungspflichtig.

Sollte nicht der Landwirtschaftsverband auch in unserer Region und im Interesse seiner Mitglieder in stärkerem Maße darauf drängen, dass keine weitere Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung eintritt und dass statt dessen die Landwirtschaft für diesen ökologischen Beitrag hinreichend entschädigt wird? Genau diese Möglichkeit wird durch ein solches Schutzgebiet gegeben. Das Vogelschutzgebiet Medebacher Bucht ist hierfür ein hinreichendes Beispiel.

Erstaunlich ist, wer sich nun weiterhin zu dieser Allianz gegen das geplante Schutzgebiet gesellt: Die SPD Kreistagsfraktion verkündet lauthals: „Die still und heimlich beabsichtigte Ausweisung eines Vogelschutzgebietes auf Teilen der Briloner und Marsberger Stadtgebiets wird die Region in ihren Entwicklungsmöglichkeiten gegen die heimische Wirtschaft und gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unweigerlich einschränken. Dies ist ein Affront gegen die heimische Wirtschaft und gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den Betrieben“, so der Fraktionsvorsitzende der SPD – Kreistagsfraktion Reinhard Brüggemann.

Welche ArbeitnehmerInnen will die SPD mit einer solchen Plattitüde, die nichts aber auch gar nichts mit der Realtität zu tun hat, wieder gewinnen? Oder soll hier einfach nur Polemik gegen den Naturschutz gemacht werden? Ins gleiche Horn stößt der SPD Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese, der allerdings das Augenmerk auf die „gebeutelten“ Landwirte richtet. Warum nutzt Herr Wiese nicht die Chance mit der Ausweisung des Vogelschutzgebiets stärker ökologische Standards zur Förderung der heimischen Land- und Forstwirtschaft umzusetzen?

Die durch den Klimawandel und dem damit verbundenen Baumsterben arg gebeutelten Forstwirtschaft wäre durch eine ökologische Ausrichtung der Förderung, z.B. durch Unterstützung der natürlichen Wiederbewaldung, Einbeziehung der natürlichen Sukzessionsentwicklung und stärkere Förderung von Naturschutzmassnahmen mehr geholfen als durch das gegenwärtig praktizierte Gießkannenprinzip mit pauschaler 100,- /ha Förderung und der Forstgeräteförderung, die vermutlich bei wenigen Großbetrieben hängenbleibt.

Offensichtlich ist bei vielen politischen und Verbandsvertretern noch nicht angekommen, dass wir uns im Zeitalter des Artensterbens befinden und dass nur durch eine darauf ausgerichtete Förderung ökologische und ökonomische Interessen in Einklang zu bringen sind und das es sich hierbei um eine zuzkunftsorientierte Regionalentwicklung handelt.

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Matthias Schulte- Huermann, SKB im Kreisumweltausschuss SBL
Zum Hafen 1
59846 Sundern

„Der Opa von Friedrich Merz“
Über den Briloner Bürgermeister Josef Paul Sauvigny (1875-1967), die „Einigung alles deutschen Blutes“ 1933 und ein Vorläuferkapitel der CDU-Parteigeschichte

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Brilon,_alter_Friedhof,_Grab_f%C3%BCr_den_ehemaligen_B%C3%BCrgermeister_Josef_Sauvigny.JPG

Der Sauerländer Friedrich Merz hat (womöglich gleichermaßen als „Wunschkandidat“ von oppositionellen Linken wie auch der Nationalgesonnenen in der CDU) gute Chancen, nächster Vorsitzender der christdemokratischen Partei zu werden oder – wenn die Grünen der Gründergeneration vollständig von der Bildfläche verschwunden sind – sogar Bundeskanzler.

(Ein Gastbeitrag von Peter Bürger, hier auch als PDF)

Vor nunmehr siebzehn Jahren gab es eine öffentliche Debatte, weil Merz seinen „rechtskatholischen“ Großvater Josef Paul Sauvigny (Briloner Bürgermeister bis 1937) als bewundernswertes Vorbild bezeichnete und dabei nicht nur aus meiner Sicht sein ignorantes Geschichtsverständnis regelrecht zur Schau stellte. Er musste etwas zurückrudern, nachdem kritische Journalisten (u.a. taz, Die Zeit) einschlägige Zeitungsquellen [1] (1933/1937) und die Entnazifizierungsakte des gerühmten Ahnen gesichtet hatten. [2]

Viele Millionen Deutsche haben Großväter, die den Nazis zu Diensten standen. Das ist kein persönlicher Makel. Entscheidend bleibt allein die 2004 von Patrik Schwarz gestellte Frage, wie man sich persönlich zu diesen Vorfahren stellt. Der vorliegende Beitrag soll – quellenbasiert – aufzeigen, warum vom möglicherweise nächsten Vorsitzenden der CDU heute eine unmissverständliche Klarstellung erwartet werden muss, die über eine Relativierung von tradierten Familienlegenden deutlich hinausgeht: Der Großvater war nicht nur „kein Vorbild“, sondern bot mit seinem Verhalten als Politiker eines der abstoßenden Beispiele in einem dunklen Vorläuferkapitel der CDU-Parteigeschichte.

Licht und Schatten einer katholischen Landschaft

Unter den Emails des katholischen Schriftleiters einer Heimatzeitschrift des Sauerlandes finde ich stets den Satz: „Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: Dieser Feind steht rechts!“ Gesagt hat das im Parlament am 25. Juni 1922 der linkskatholische Reichskanzler Josef Wirth, Mitglied der CDU-Vorläuferpartei Zentrum, nach der Ermordung des Demokraten Walter Rathenau.

Die Minderheit jener Christenmenschen, die ab 1933 ob ihrer beharrlichen Weigerung einer Zusammenarbeit mit den Faschisten verfolgt oder gar ermordet worden sind, trat im katholischen Teil des Sauerlandes eindeutig stärker in Erscheinung als in den protestantisch geprägten Nachbarlandschaften. Zu diesen katholischen Pazifisten, Kapitalismuskritikern oder Zentrumsleuten habe ich die Bücher „Sauerländische Friedensboten“ [3] und „Sauerländische Lebenszeugen“ [4] (versehen mit dem Geleitwort eines christdemokratischen Regierungspräsidenten) herausgegeben.

Doch diese Vorbilder bildeten eben nur einen denkbar kleinen Kreis, während sich die Mehrheit der Leute dem Kurs des III. Reiches fügte oder alsbald mit den Wölfen heulte. Auch im Sauerland weiß das verbliebene schwarze Heimat-Selbstlobkollektiv aufgrund der Verdrängungsgeschichte nur wenig von den Schatten der katholischen Zentrumspartei:

Aus Südwestfalen kamen eben nicht nur ehrenwerte „katholische Antifaschisten“, sondern gleichermaßen Hitlers Steigbügelhalter Franz von Papen vom rechten Zentrumsrand (Werl), die beiden früh zu den Deutschnationalen und dann zur NSDAP übergelaufenen Politikerbrüder Ferdinand [5] und Hermann [6] von Lüninck (aus Ostwig nahe Brilon) und der berüchtigte katholische Staats-Unrechtler Carl Schmitt (NSDAP-Eintritt 1.5.1933) aus Plettenberg, der sich im Altkreis Brilon mit Gleichgesinnten [7] traf.

In der sozialdemokratischen Zeitschrift „Der wahre Jakob“ war 1932 zu lesen: „Der Nationalsozialismus (siehe Hitler ‚Mein Kampf‘) wünscht Krieg gegen Russland, Krieg gegen Frankreich und Krieg gegen die Randstaaten. – Nun, das wird kein Krieg, sondern eine Jagd. – Aber Sie, Herr von Papen, wird man dann fragen, wer die Bestie aus dem Käfig gelassen!“ [8] So klarsichtig urteilten zu diesem Zeitpunkt auch noch viele Zentrumspolitiker.

Unmittelbar nach ihrer Machtübernahme hatten die erklärten braunen Weltbrandstifter in katholischen Landschaften wie dem kölnischen Sauerland ein Problem – namentlich in der Kommunalpolitik. An vielen Orten gab es Anfang 1933 noch nicht einmal eine „Zelle“ der NSDAP. Man musste zunächst NS-Staatsdiener vor Ort aus dem vorhandenen Personal rekrutieren und fand erstaunlich viele Wendehälse, die sofort zur Kollaboration bereit waren.

Einige wenige Beispiele [9] seien angeführt: Am 12.4.1933 erklärt Heinrich Feldmann im Kreistag des Kreises Meschede, die gesamte Zentrumsfraktion stelle sich geschlossen hinter die „nationale Regierung“ und sei bereit zur Mitarbeit „mit allen ihr zu Gebote stehenden Kräften“. Ähnlich bekundet der Arnsberger Stadtverordnete Rörig am 25.4.1933: „Für uns Zentrumsleute ist es eine Selbstverständlichkeit, der jetzt gegebenen Ordnung zu dienen.“

Der Arnsberger Propstdechant Joseph Bömer [10] (1881-1942), als Priester einer der couragiertesten Zentrumspolitiker im Sauerland und bis zum Tod ein kompromissloser Gegner des Hakenkreuzes, hatte sich 1932 als Kreisvorsitzender seiner Partei für den aus Attendorn stammenden Zentrumsmann Rudolf Isphording als neuen Bürgermeister eingesetzt und musste 1933 mit Bitterkeit feststellen, wie schnell dieser über Nacht zu einem Anhänger der Nazis geworden war (und nun braune Parolen von sich gab).

Der vormalige Letmather Zentrums-Bürgermeister Franz Pöggeler fungierte von 1933 bis zu seinem Tod im Jahr 1942 als Bürgermeister von Rüthen (1971-1975 Schulort von Friedrich Merz) und wurde postum noch 1977 durch eine Pöggeler-Straße geehrt. Nach den Forschungen von Dr. Hans-Günther Bracht kommt man nicht umhin, Pöggeler eine erschreckende Mitwirkung am nationalsozialistischen Verfolgungssystem zu bescheinigen. [11]

Der Briloner Bürgermeister Josef Paul Sauvigny

Zu diesem Kreis von Personen, die Zentrumspartei wie Demokratie verrieten und sich 1933 der Macht verkauften, gehörte nach Ausweis der bislang bekannten Quellen der Großvater von Friedrich Merz. Josef Paul Sauvigny (1875-1967) stammte aus einer Gutsbesitzerfamilie, von der fünf Söhne am „sinnlosen Gemetzel“ (Papst Benedikt XV.) des 1. Weltkrieges teilgenommen hatten. Der studierte Jurist (Rechtsanwalt ab 1912) verlegte sich alsbald auf die Politik (1915 zweiter, 1916 erster Beigeordneter in Brilon) und amtierte in seiner Heimatstadt ab dem 17.11.1917 als Bürgermeister: Er „ist königstreuer Gesinnung und gehört politisch der Centrumspartei an“ [12].

Dr. Ottilie Knepper Babilon ordnet den 1929 wiedergewählten Bürgermeister für die Jahre 1925-1933 einer kommunalpolitischen Listen-Konstruktion zu, welche die Interessen des „gehobenen“ bzw. besitzenden Bürgertums vertrat und sich in der Folgezeit als „politisch sehr anpassungsfähig“ erwies. [13] Dazu zählte etwa Dr. Josef Gerlach, der 1933 auf Kreisebene für die bürgerliche Interessensgruppe und vor Ort für das den „kleinen Leuten“ zugewandte Zentrum kandidierte, in der NS-Zeit dann eine Karriere als Kreiswirtschaftsberater machte – zuständig u.a. für das als „Arisierung“ bezeichnete Raubunternehmen.

Die sogenannte „Volksgemeinschaft“ formiert sich

Nach der Machtübernahme der Hitler-Partei bleibt nun J.P. Sauvigny ohne weitere Umstände Bürgermeister von Brilon und leitet dort am 1. Mai 1933 eine Massenversammlung, auf der sich die sogenannte „Volksgemeinschaft“ der „Menschen deutschen Blutes“ formiert. Die loyale – vormals schwarze, alsbald eingebräunte – „Sauerländer Zeitung“ bringt nur seine Rede im Wortlaut-Zitat folgendermaßen (im Netz auch ein vollständiger Text des ganzen Berichtes):

„Das neu geformte Deutschland feiert heute seinen ersten Nationalfeiertag. […] jung und kraftvoll wie die Scharen seiner jugendlichen Träger, so steht das neue Reich vor uns. Noch brausen die Stürme der nationalen Revolution über es hinweg, diese Frühlingsstürme, die allen Unrat hinwegfegten, die die Wolken verjagen, die uns bisher die Sonne rauben wollten. Dieser Sturm, der so manchen hart ankommen mag, er wird sich legen, nachdem er die Luft gereinigt hat, von allen giftigen Dünsten, die sich in Jahren mißverstandener Freiheit und ohnmächtiger Selbstzerfleischung angesammelt hatten.

Dann erst wird die schwerste Zeit beginnen, die harte, entsagungsschwerste Arbeit des endlichen Wiederaufstieges. Doch während bisher sich deutsche Kraft und deutsches Aufbaustreben zerspalten und verbluten am Parteigezänk und ewigen Führerwechsel [sic], ist es heute ein Wille, der uns eint, eine Kraft, die uns leitet, ein Führer, der uns ruft. Vergessend des Parteienhasses von gestern, hat das große Sammeln begonnen, die Einigung aller Deutschen, deutschen Blutes zur gemeinsamen Tat, deren Sinnbild der heutige Festtag ist. […]
Im Auftrag der National-Sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei heiße ich Sie alle auf das herzlichste willkommen. Ich wünsche, daß Sie von aller Arbeit ruhend, ihr zur Ehre ein klassenversöhnendes, aufbaubereitendes Fest begehen. Ich fordere Sie alle auf, […] aufzustehen zur großen Tat, vereint mit Hand anzulegen an das große Befreiungswerk, zu dem wir alle aufgerufen sind, damit deutscher Arbeitswille wieder Raum, deutsche Arbeitsleistung wieder einen Boden findet. Ich bitte Sie sich zu erheben und mit mir einzustimmen in den Ruf: Das arbeitende deutsche Volk, sein ehrwürdiger Reichspräsident, die Verkörperung deutscher Treue, der Kanzler Hitler, sein tatgewordener Aufbauwille, sie leben hoch, hoch, hoch!“ [14]

Diese deutsche „Bluteinigungs-Rede“ wider die Weimarer Republik lässt sich nun wirklich durch nichts rechtfertigen oder beschönigen. Entsprechende frühe Versuche des Enkels [15] 2004 irritieren in höchstem Maße, auch wenn die taz damals einige Abgründe der dokumentierten Ansprache noch gar nicht erschlossen hatte.

Nur zu bald tritt ein, was Bürgermeister Sauvigny laut Sauerländer Zeitung versprochen hat: Der Kreis Brilon wird von dem befreit, was die Nationalsozialisten unter „Unrat“ und „giftigen Dünsten“ verstehen. Es geht um Menschen: Zuerst sollen die – vor Ort kaum doktrinär ausgerichteten, z.T. gar katholischen – Kommunisten und andere Linke ausgeschaltet werden. [16]

November 1933 wird man dann Schreie von Inhaftierten des Kreisgebietes aus dem Briloner Rathaus hören. An den Misshandlungen sind (angeblich auswärtige) SA-Leute und örtliche Nazis beteiligt. Im katholischen Milieu folgt auf das Quälen von Marxisten und deren KZ-Einweisung 1933 nur selten eine Solidarisierung. (Der Siegener Pfarrer Wilhelm Ochse [17], der im gleichen Jahr u.a. einen Kommunisten zur fotografischen Dokumentation seiner Folterspuren anhält, gehört zu den echten Ausnahmen.)

Die wirklichen Briloner Vorbilder

In den Jahren der Weimarer Republik war Brilon eine überregional bedeutsame Hochburg des Friedensbundes deutscher Katholiken (FdK) gewesen, was am besten Sigrid Blömeke in ihrer Studie „Nur Feiglinge weichen zurück“ [18] erhellt. Die entschiedenen katholischen Pazifisten erkannten früh die völkische, insbesondere antisemitische Gefahr, verließen aber z.T. auch die konfessionelle Einheitspartei nach deren Rechtsschwenk (nebst Aufrüstungspolitik).

Schon 1931/32 terrorisierten sauerländische Nazis insbesondere die Leitgestalt Josef Rüther [19] mit Morddrohungen, Brandsätzen und Gewehrmunition. Als der Großvater von Friedrich Merz 1933 in Brilon seine „deutsche Bluteinigungsrede“ für die neue „Volksgemeinschaft“ hält, ist Rüthers Verfolgung schon zur Staatssache geworden. Der zuvor beamtete Gymnasiallehrer erhält nach Bespitzelung durch Schüler direkt Anfang 1933 Berufsverbot und lebt während der NS-Zeit in dauernder Angst (zuletzt versteckt in einer Waldhütte). Sein Bruder Theodor, Priester und vormals Zentrumsvorsitzender von Brilon, wird als Lehrer zwangspensioniert.

Andere Friedensbund-Katholiken sind ebenso Repressalien ausgesetzt. Zentrumsmann und Schneidermeister Wilhelm Schieferecke, der seine Werkstatt mit einem jüdischen Handwerkerkollegen teilt, wird Anfang 1933 aus der Stadtverordnetenversammlung ausgeschlossen. (Das ist ein anderes Schicksal als das des Bürgermeisters.)

Sein Bruder Anton Schieferecke (1882-1962), während der Weimarer Republik nach Zentrums-Austritt u.a. auch Briloner Ortsvorsitzender des demokratischen Reichsbanners, sabotiert 1933 die von Sauvigny geleitete Mai-Volkseinheitsfeier und verliert seinen Sitz im Sparkassenvorstand. Neun Männer der SA, welche den Bürgermeister Sauvigny bald auch zu den Ihrigen zählen wird (s.u.), zerren ihn aus dem Sitzungssaal des Rathauses.

Der Schreinermeisters wird als „Judenbannerführerhäuptling“ gebrandmarkt und sein Geschäft boykottiert, was zu einem schweren Ringen um die Existenz der Familie führt: „Er beteiligte sich während der NS-Zeit an keiner Wahl, grüßte nicht mit deutschem Gruß, flaggte nicht oder wenn, dann nur Schwarz-Rot-Gold […] oder Weiß-Gelb (Fahne des Papstes).“ Aufgrund seines antifaschistischen Verhaltens „wurde Anton Schieferecke wie sein Bruder Wilhelm und wie auch Josef Rüther nach dem gescheiterten Umsturzversuch am 20. Juli 1944 für kurze Zeit inhaftiert.“ [20]

Die Beispiele sind keineswegs erschöpfend. Im weiteren Briloner Kreisgebiet musste z.B. auch der FdK-Mann Franz Butterwege (1881-1956) als erklärter „Judenfreund“ anlässlich der Pogrome 1938 zusammen mit seiner Frau Angriffe, wegen öffentlichen Streits mit Nazis sodann auch drei Monate lang Gefängnishaft erleiden.

Erst im Kontrastvergleich mit diesen und anderen drangsalierten Katholiken am Ort und im Wissen um frühe Folteropfer auch unter den Mitgliedern der deutschen Zentrumspartei kann man das Exempel des am Aufbau des NS-Staates beteiligten Briloner Bürgermeistes (Ex-Zentrum) mit gleichem Taufschein sachgerecht bewerten. Die Verfolgungsschicksale sind untrennbar mit dessen Weg des kommunalpolitischen Machterhaltes verbunden.

Abschied von der Macht im Jahr 1937

Eine geschichtswissenschaftliche Forschungsarbeit zu Josef Paul Sauvigny liegt noch nicht vor. Ihn entlastende und rühmliche Taten aus der NS-Zeit (1933-1945) im Sinne einer durch Quellen belegten „Widerständigkeit“ sind m.W. bislang nicht vorgetragen worden. Wir wissen lediglich, dass ihn die Nazis laut familiärer Überlieferung „angekotzt“ haben sollen (was nach 1945 nahezu alle Sauerländer von sich beteuerten).

Gewaltsam aus dem Amt gejagt und um seine Beamtenpension betrogen wurde der Briloner Bürgermeister jedenfalls nicht. Er war im Zeitraum von 100 Jahren erst das zweite Stadtoberhaupt, dem mehr als nur eine Amtszeit zukam. Im Zeitungsbericht zur Verabschiedung in den Ruhestand am 2. Juli 1937 wird das Grußwort des von den Nationalsozialisten eingesetzten Landrats Peter Schramm [21] (NSDAP ab 1932, SS ab 1933) so wiedergegeben:

Bürgermeister J.P. Sauvigny habe „nach den schwierigen Zeiten […] auch den Aufstieg noch miterleben dürfen. Nach der Machtübernahme habe er sich trotz seines vorgerückten Alters, entsprechend seiner nationalen Gesinnung sofort eingeschaltet und sein Amt stets im nationalsozialistischen Geiste verwaltet. Das sei sowohl von der Aufsichtsbehörde wie auch von der politischen Leitung durchaus anerkannt worden. Er spreche ihm dafür den Dank dieser Stellen aus und wünsche ihm noch einen langen Lebensabend in Brilon, als deren [sic] Mitbürger er sich auch ferner am öffentlichen Leben betätigen werde.“ [22]

Bedroht war der Bezug seiner Beamtenpension, so die seit 17 Jahren im Netz zugänglichen (also nicht weggeklagten) Pressemeldungen, erst im Zuge der beiden „Entnazifizierungsverfahren“ nach Niederwerfung des deutschen Faschismus. Deren Akten (Hauptstaatsarchiv Düsseldorf) ließ die taz 2004 ablichten [23]: 1946 gibt J.P. Sauvigny im Fragebogen der Militärregierung an, er sei am 1. Juli 1933 (!) der SA beigetreten, und am 10.12.1947 vermerkt er selbst sein Amt als „Oberscharführer der SA Res[erve]“. Weitere Mitgliedschaften: Nationalsozialistische Volkswohlfahrt, NS-Reichskriegerbund und NS-Rechtswahrerbund (ein Unrechtswahrer-Bund).

Als Parteizugehöriger der NSDAP selbst, so weiß Sauvigny noch anzugeben, wird er erst ab 1938 – schon nicht mehr als Stadtoberhaupt – eingeschrieben. Das spricht nun – unabhängig vom Eintrittsprozedere – nicht gerade dafür, dass er im Juli 1937 aus seinem Briloner Bürgermeisteramt irgendwie im Streit mit eben dieser NSDAP ausgeschieden ist.

Die folgenden Wikipedia-Eintragungen [24] zu Ergebnissen der Entnazifizierungs-Verfahren fassen die Angaben aus den in diesem Beitrag angeführten Zeitungs-Recherchen (taz u.a.) so zusammen:

1947 „in die Kategorie 3 eingestuft. Wegen dieser Einstufung bekam er nur noch 60 % seiner Pension, und es wurde ihm verboten, öffentliche Ämter zu übernehmen. Er selbst nannte dies ein ‚schreiendes Unrecht‘; er sagte: ‚Eine persönliche Schuld kommt bei mir nicht in Frage‘. Er berief sich darauf, dass die Nazis ihn zwangspensioniert hätten. Er sei daher ein Nazigeschädigter.“

Dass NS-Kollaborateure aller Grade sich nach Kriegsende als Opfer vorstellen, ist der Regelfall. Speziell zum Briloner Bürgermeister teilt Pascal Beucker noch mit: „Sauvigny hatte Erfolg mit seiner Rechtfertigungslyrik. In der Berufung wurde er 1948 als ‚Mitläufer‘ in die Kategorie vier hinabgestuft, er erhielt wieder seine volle Pension.“ [25]

Als historisches Vergleichsmaterial sei auf phantastische Exempel der „verbesserten Entnazifizierung“ eines antisemitischen Musikpolizisten [26] und einer ebenfalls judenfeindlichen Nazi-Literatin [27] aus dem Sauerland verwiesen. Der zweite Weißwaschgang der Entnazifizierung in Eigenregie zeitigte fast immer erstaunliche Ergebnisse.

Für seinen Großvater kann Friedrich Merz nicht sprechen oder gar haften. Aber er kann unzweideutig feststellen, dass dieser kein Vorbild war, sondern mit seinem öffentlichen Wirken ein abstoßendes Beispiel der Kollaboration mit der menschenfeindlichen, sodann massenmörderischen Rechten geboten hat – ein Mann also, in dessen politische Fußstapfen kein Briloner je wieder treten darf.

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Anmerkungen

[1] Vgl. erst jetzt ohne Kürzungen: „Hitler, sein tatgewordener Aufbauwille, sie leben hoch, hoch, hoch!“ Textdokumentation:
Wie sich 1933 in Brilon unter Propagandaworten des katholischen Bürgermeisters die sogenannte „Volksgemeinschaft“ formierte. Blogbeitrag, 08.01.2021. https://www.schiebener.net/wordpress/hitler-sein-tatgewordener-aufbauwille-sie-lebenhoch-hoch-hoch/

[2] Vgl. Martin Teigeler: Merz bejubelt rechten Großvater. In: taz, 16.01.2004. https://taz.de/Merz-bejubelt-rechtenGrossvater/!806584/ / Patrik Schwarz: Der seltsame Stolz des Friedrich Merz. In: taz, 19.01.2004. https://taz.de/!805458/ / Toralf Staud: „Opa war okay“. In: Zeit Online, 22.01.2004. https://www.zeit.de/2004/05/Glosse_Seite_2 / Patrik Schwarz: Merz‘ Großvater SA- und NSDAP-Mitglied. In: taz, 22.01.2004. https://taz.de/!803355/ / PAT: Friedrich Merz verteidigt Großvaters Ehre. In: taz, 22.01.2004. https://taz.de/Friedrich-Merz-verteidigt-Grossvaters-Ehre/!803973/ / Pascal Beucker: Der Vormerz. In: Jungle World, 28.01.2004. https://jungle.world/artikel/2004/05/der-vormerz

[3] P. Bürger: Sauerländische Friedensboten. (=Friedensarbeiter, Antifaschisten und Märtyrer des kurkölnischen Sauerlandes.
Erster Band.) Norderstedt: BoD 2016. – Vorstellung: https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/010277.html

[4] P. Bürger: Sauerländische Lebenszeugen. (=Friedensarbeiter, Antifaschisten und Märtyrer des kurkölnischen Sauerlandes.
Zweiter Band.) Norderstedt: BoD 2018. – Geleitwort im Netz: https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/011357.html

[5] Dieser Adelige später allerdings voller Reue; vgl. ein Kurzbiogramm:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_von_L%C3%BCninck_(Oberpr%C3%A4sident)

[6] Vgl. ein Kurzbiogramm: https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_von_L%C3%BCninck

[7] „Siedlinghauser Kreis“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Siedlinghauser_Kreis).

[8] Abgebildet im Netz auf dieser Seite: https://oskarstillich.de/2020/03/26/die-deutschen-aus-unbekannter-sicht/

[9] Nachweise u.a. im Buch P. Bürger: Friedenslandschaft Sauerland. Antimilitarismus und Pazifismus in einer katholischen Region. Norderstedt: BoD 2016. Dazu ein Internetdossier: http://www.sauerlandmundart.de/pdfs/daunlots%2077.pdf

[10] Vgl. zu ihm auch meinen Aufsatz in „daunlots nr. 78“, S. 167-176:
http://www.sauerlandmundart.de/pdfs/daunlots%2078.pdf

[11] Zuerst Hans-Günther Bracht: Zur Problematik von Straßenbenennungen. Dargestellt am Beispiel der Pöggelerstraße in Rüthen. In: Heimatblätter – Beilage zum „Patriot“ und zur Geseker Zeitung 95. Jg. (Lippstadt 2015), Folge 4, S. 25-32.
Kurzbericht dazu: https://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-soest-lippstadt-moehnesee-und-ruethen/anwohnerwuenschen-umbenennung-der-poeggelerstrasse-id10429216.html

[12] Angabe nach O. Knepper-Babilon (Zitat nach: Stadtarchiv Brilon C 593). – Vgl. zu Savigny und seine Familie auch Alfred Bruns: Brilon 18-16-1918. Brilon: Weyers Verlag 1988. (s. Namenregister)

[13] Ottilie Knepper-Babilon / Hanneli Kaiser-Löffler: Widerstand gegen die Nationalsozialisten im Sauerland. (= Hochsauerland Schriftenreihe Band IV). Brilon: Podszun 2003, S. 104-105, 114-115.

[14] Das Volksfest der nationalen Arbeit in Brilon. In: Sauerländer Zeitung (Unsere Sauerländische Heimat), Brilon den 3. Mai 1933. [Volltextdokumentation erfasst von Peter Bürger; nach einem Scan der Zeitungsseite aus dem Stadtarchiv Brilon.
https://www.schiebener.net/wordpress/hitler-sein-tatgewordener-aufbauwille-sie-leben-hoch-hoch-hoch/ ]

[15] Patrik Schwarz: Merz‘ Großvater SA- und NSDAP-Mitglied. In: taz, 22.01.2004. https://taz.de/!803355/

[16] Ottilie Knepper-Babilon / Hanneli Kaiser-Löffler: Widerstand gegen die Nationalsozialisten im Sauerland. (= Hochsauerland Schriftenreihe Band IV). Brilon: Podszun 2003. (Kapitel zum Altkreis Brilon.)

[17] Vgl. zu ihm Ulrich Wagner: Glaubenszeugnis und Widerstand. Pfarrer Wilhelm Ochse (1878-1969). Siegen: Vorländer 1990. – Im Netz auch: https://www.vielfalt-mediathek.de/data/hellwig_raimund__siegen_unter_dem_hakenkreuz.pdf

[18] Sigrid Blömeke: Nur Feiglinge weichen zurück. Josef Rüther (1881-1972). Eine biographische Studie zur Geschichte des Linkskatholizismus. Brilon 1992.

[19] Vgl. zum ihm auch den Sonderband „daunlots“ Nr. 61 (mit Abbildung eines drastischen Drohbriefes):
http://www.sauerlandmundart.de/pdfs/daunlots%2061.pdf

[20] Vgl. Ottilie Knepper-Babilon / Hanneli Kaiser-Löffler: Widerstand gegen die Nationalsozialisten im Sauerland. Brilon 2003, S. 118-119, 135-137.

[21] Knappe Übersicht zu ihm: https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Schramm_(Verwaltungsjurist)

[22] „Brilon, den 2. Juli 1937. Bürgermeister Sauvigny nahm Abschied“. In: Sauerländer Zeitung (Brilon), 02.07.1937.
[Volltextdokumentation erfasst von Peter Bürger; nach einem Scan der Zeitungsseite aus dem Stadtarchiv Brilon.
https://www.schiebener.net/wordpress/hitler-sein-tatgewordener-aufbauwille-sie-leben-hoch-hoch-hoch/ ]

[23] Patrik Schwarz: Merz‘ Großvater SA- und NSDAP-Mitglied. In: taz, 22.01.2004. https://taz.de/!803355/

[24] https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Paul_Sauvigny (Abruf zuletzt 11.01.2021).

[25] Pascal Beucker: Der Vormerz. In: Jungle World, 28.01.2004. https://jungle.world/artikel/2004/05/der-vormerz

[26] Georg Nellius (1891-1952). Völkisches und nationalsozialistisches Kulturschaffen, antisemitische Musikpolitik, Entnazifizierung. – Darstellung und Dokumentation im Rahmen der aktuellen Straßennamendebatte. Vorgelegt von Peter Bürger und Werner Neuhaus in Zusammenarbeit mit Michael Gosmann / Stadtarchiv Arnsberg. (= daunlots. internetbeiträge des christine-koch-mundartarchivs am museum eslohe. nr. 69). Eslohe 2014. – Im Internet auch:
https://www.heise.de/tp/features/Juden-und-Thomas-Mann-Todfeind-3502577.html

[27] Josefa Berens-Totenohl (1891-1969), nationalsozialistische Erfolgsautorin aus dem Sauerland. – Forschungsbeiträge von Peter Bürger, Reinhard Kiefer, Monika Löcken, Ortrun Niethammer, Ulrich Friedrich Opfermann und Friedrich Schroeder.
Herausgegeben vom Christine Koch-Mundartarchiv in Zusammenarbeit mit dem Kreisheimatbund Olpe. (= daunlots. internetbeiträge des christine-koch-mundartarchivs am museum eslohe. nr. 70). Eslohe 2014.
http://www.sauerlandmundart.de/pdfs/daunlots%2070.pdf

„Hitler, sein tatgewordener Aufbauwille, sie leben hoch, hoch, hoch!“

Textdokumentation: Wie sich 1933 in Brilon unter Propagandaworten des katholischen Bürgermeisters die sogenannte „Volksgemeinschaft“ formierte.

(Gastbeitrag von Peter Bürger, hier auch als PDF)

„Der Nationalsozialismus (siehe Hitler ‚Mein Kampf‘) wünscht Krieg gegen Russland, Krieg gegen Frankreich und Krieg gegen die Randstaaten. – Nun, das wird kein Krieg, sondern eine Jagd. – Aber Sie, Herr von Papen, wird man dann fragen, wer die Bestie aus dem Käfig gelassen!“ (Der wahre Jacob, 1932)

Zu den katholischen Pazifisten, Kapitalismuskritikern oder Zentrumsleuten Südwestfalens, die von den deutschen Faschisten verfolgt oder gar ermordet worden sind, habe ich die Bücher „Sauerländische Friedensboten“ (https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/010277.html) und „Sauerländische Lebenszeugen“ (https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/011357.html) herausgegeben.

Doch diese Vorbilder bildeten eben nur einen denkbar kleinen Kreis, während sich die Mehrheit der Leute auch im schwarzen Sauerland den nationalsozialistischen Vorgaben fügte oder alsbald lautstark mit den Wölfen heulte. In Brilon formierte sich die sogenannte „Volksgemeinschaft“ auf einer Massenversammlung am 1. Mai 1933, geleitet im Auftrag der NSDAP vom katholischen Bürgermeister. Dessen Ansprache wurde von der vormals schwarzen, jetzt über Nacht stark eingebräunten „Sauerländer Zeitung“ im Wortlaut wiedergegeben, was nachfolgend ebenso wie der Bürgermeisterabschied 1937 – auf Grundlage von Scans der Originalartikel – dokumentiert sei:

Quellendokumentation aus:
Sauerländer Zeitung (Unsere Sauerländische Heimat), Brilon vom 3. Mai 1933.
[Zwischenüberschriften in eckigen Klammern nachträglich, pb]

„„Das Volksfest der nationalen Arbeit in Brilon

Der Festzug

Das äußere Hauptereignis des National-Feiertages in Brilon bildete der Festzug. Um allen Mitbürgern die Möglichkeit zu bieten, sich an ihm und an der Kundgebung in der Schützenhalle zu beteiligen, war zuvorkommend die in früheren Jahren abends 8 Uhr stattfindende Maiandacht auf 4 Uhr nachmittags verlegt worden. So konnte denn auch der Festzug ein Ausmaß annehmen, wie es Brilon wohl nur selten erlebt haben wird. Alle Vereine der Stadt traten an ihren Sammelplätzen an und marschierten dann zum Marktplatz, wo der Zug seine Aufstellung nahm. Unter Vorantritt der Feuerwehrkapelle und des Tambourkorps erfolgte der Abmarsch pünktlich 6 Uhr durch die Straßen der Stadt. Ueberall bildeten die sich nicht an dem Festzuge beteiligenden Mitbürger Spalier, überall, besonders aber am Marktplatz und in dessen Nähe, sah man dichte Menschenmauern. Der Vorbeimarsch des Zuges dauerte ca. 10 Minuten. Man geht wohl nicht fehl, wenn man die Teilnehmerzahl auf etwa 2000 schätzt. Anerkennend und wohltuend wurde es empfunden, daß ein von den Postbeamten gestelltes Postauto im Zuge mitfuhr, um der Bürgerschaft, die aus Gründen der Gebrechlichkeit, des Alters usw. sich sonst nicht hätte am Festzuge beteiligen können, die Teilnahme zu ermöglichen. Und in der Tat waren alle Kreise der Bevölkerung im Festzuge vertreten: Neben dem Arbeiter mit der schwieligen Faust der Geistesarbeiter, alles ohne Unterschied von Klasse, Stand, Beruf, Partei und Bekenntnis. Durch die Straßen der Stadt bewegte sich der Zug zur Schützenhalle, wo er sich auflöste. Die Fahnenabordnungen marschierten in den Saal und nahmen dort Aufstellung. Wie der Marktplatz, die Straßen und Häuser, so trug auch die Schützenhalle reichen Festschmuck, Tannengrün, Guirlanden, Kränze, Wimpel und Fahnen, Embleme usw. Nach einem flott gespielten Marsch der Musikkapelle nahm Herr Bürgermeister Sauvigny das Wort zu folgender Begrüßungsansprache:

[Rede von Bürgermeister Josef Paul Sauvigny (1875-1967)]
„Daß neu geformte Deutschland feiert heute seinen ersten Nationalfeiertag. Frühlingshaft, wie der erste Mai, und der Schmuck unserer festlichen Straßen, jung und kraftvoll wie die Scharen seiner jugendlichen Träger, so steht das neue Reich vor uns. Noch brausen die Stürme der nationalen Revolution über es hinweg, diese Frühlingsstürme, die allen Unrat hinwegfegten, die die Wolken verjagen, die uns bisher die Sonne rauben wollten. Dieser Sturm, der so manchen hart ankommen mag, er wird sich legen, nachdem er die Luft gereinigt hat, von allen giftigen Dünsten, die sich in Jahren mißverstandener Freiheit und ohnmächtiger Selbstzerfleischung angesammelt hatten.

Dann erst wird die schwerste Zeit beginnen, die harte, entsagungsschwerste Arbeit des endlichen Wiederaufstieges. Doch während bisher sich deutsche Kraft und deutsches Aufbaustreben zerspalten und verbluten am Parteigezänk und ewigen Führerwechsel [sic], ist es heute ein Wille, der uns eint, eine Kraft, die uns leitet, ein Führer, der uns ruft. Vergessend des Parteienhasses von gestern, hat das große Sammeln begonnen, die Einigung aller Deutschen, deutschen Blutes zur gemeinsamen Tat, deren Sinnbild der heutige Festtag ist.

Heute liegt nicht nur eine Schicht des Volkes die Hände zum Feiern in den Schoß, eine Schicht, die klassenkämpferisch verhetzt, nur sich allein arbeitend sah. Es ist das ganze schaffende Volk, das ausruhend sich die Hände reicht in Ehrfurcht vor gemeinsamer deutscher Leistung, der deutschen Leistung, die dem Kopfe des Erfinders entspringt, die der deutsche Arbeiter ausführt, der diensttreue Beamte befestigt und unsere Wehrmacht verteidigt.

Es ist nicht die Schönheit unseres Vaterlandes, die uns in der Welt die Geltung verschafft, die wir fordern. Es ist nicht die Größe vergangener Jahrhunderte, die die anderen Völker vergessen haben. Das, was die Völker der Welt uns zu Freunden wirbt oder zu Feinden zwingt, das ist die Qualität der deutschen Arbeit; der Arbeit, die aus ungebrochenem Lebenswillen ihre Impulse schöpft, die in deutscher Verstandesleistung ihre Qualität besitzt, die in zähester Gründlichkeit und altpreußischer Zucht, ihre unnachahmliche Ausführung erhält. Diese gemeinsame deutsche Arbeit zu feiern, haben wir uns hier in erhebend großer Zahl vereint.

Im Auftrag der National-Sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei heiße ich Sie alle auf das herzlichste willkommen. Ich wünsche, daß Sie von aller Arbeit ruhend, ihr zur Ehre ein klassenversöhnendes, aufbaubereitendes Fest begehen. Ich fordere Sie alle auf, wenn der Festjubel verrauscht ist, aufzustehen zur großen Tat, vereint mit Hand anzulegen an das große Befreiungswerk, zu dem wir alle aufgerufen sind, damit deutscher Arbeitswille wieder Raum, deutsche Arbeitsleistung wieder einen Boden findet. Ich bitte Sie sich zu erheben und mit mir einzustimmen in den Ruf: Das arbeitende deutsche Volk, sein ehrwürdiger Reichspräsident, die Verkörperung deutscher Treue, der Kanzler Hitler, sein tatgewordener Aufbauwille, sie leben hoch, hoch, hoch!“

[Anbetung des Kampfzieles im Zeichen der Hakenkreuzfahne]
Mit Begeisterung folgte den Hochrufen das stehend gesungene Deutschlandlied.

Ein SA-Mann (Fritz Tigges) trug ein Gedicht nach eigener Fassung vor, das auf die Bedeutung des Tages hinwies. Recht anmutig wirkte der dann folgende Vortrag des Sprechchores des „Bundes Deutscher Mädchen. Das hohe Lied der Arbeit“ [sic]. Auch der Männergesangverein stand selbstverständlich mit im Dienste des Tages. Das von ihm entbotene Lied wurde mit sehr großem Beifall angenommen. In lautloser Stille lauschte dann die große Menschenansammlung der durch Lautsprecher übertragenen Rede des Herrn Reichskanzlers.

Nach der Uebertragung der Rede des Reichskanzlers sprach, nachdem eine SA-Mannschaft ihn zur Rednerbühne geleitet hatte, der in Brilon als ein alter Kämpfer für Nationale Bewegung bekannte Schulrat Dr. Schmeck. Wohl niemand in Deutschland habe es für möglich gehalten, daß der 1. Mai einmal ein Tag der nationalen Arbeit für das ganze Volk werden würde. Heute wehten Fahnen überall, die alten schwarz-weiß-roten, die neuen des wiedererwachten Deutschlands, in der roten Farbe ein Zeichen des Kampfes u. der Blutopfer, denen es zur Rettung der Nation bedurfte, in der weißen Farbe das Ziel des Kampfes anbetend, Schaffung eines sittlich, geistig, politisch und wirtschaftlich erneuerten Reiches, im Hakenkranz das Symbol sieghafter Auferstehung gebend. Frisches Maiengrün habe Straßen und Häuser geschmückt, ein Zeichen der Hoffnung, des Vertrauens, der beseligenden Maienfreude; leider habe uns unser großer Briloner Wald das frische Grün nicht schenken können. Einer sei immer und immer wieder genannt worden, von groß und klein, jung und alt, Männern und Frauen, von dem fast noch stammelnden Kinde als etwas nur geahntes Großes, von dem Geiste als Erfüllung eines heiß-gehegten Wunsches: der Name Adolf Hitler. Ein Bild sah man immer und immer wieder, sah es besonders schön am Briloner Rathaus: das Bild Adolf Hitlers. Ein Geist, eine Gesinnung, eine Tat scheine im ganzen Volke werden zu wollen, gelehrt von Adolf Hitler im Nationalsozialismus, der heute allein die Rettung unseres Volkes bringen könne. Ein Geist der Arbeit solle alle beseelen, der adelt, eint und führt. Vor uns stehe das herrliche Vorbild unseres Führers Adolf Hitler, von dem jeder Deutsche, besonders aber unsere leider vielfach so verderbte Jugend ein Vierfaches lernen könne: unbeugsame Willenskraft, nimmermüde, fleißige und ganze Tat, den Geist unerschrockenen Kämpfens und Ringens, den Geist kraftvollen, fruchtbaren Siegens über Hemmnisse aller Art. Ein Glück für uns sei es, daß auch in der Schule unseren Kindern endlich wieder einmal ein Vorbild solcher Art gezeigt werden könne. Innenpolitisch seien wir uns des großen Sieges Adolf Hitlers schon bewußt geworden. Wer könne wissen, welche außenpolitischen Wirkungen für Europa und die ganze Welt von der Idee und der Tat Adolf Hitlers unter Umständen ihren Ausgang nehmen könnten. In Brilon, wo der Kampf für die nationale Bewegung schwerer gewesen sei, sei der Tag der nationalen Arbeit würdig gefeiert worden; etwas derartiges habe die Stadt noch nicht erlebt. Beim nächstjährigen 1. Mai dürfe nicht ein Bürger mehr in Brilon sein, der nicht dem Führer im vereinten Deutschland willig, vertrauensvoll, mit aller Kraft mitwirkend folge. Mit einem vierfachen „Sieg Heil!“ auf die nationale Arbeit, auf das in der nationalen Arbeit geeinte Volk und auf den Führer Adolf Hitler schloß der Redner seine von Begeisterungsstarkem glühendem Empfinden getragenen Ausführungen. Stehend sang die große Festschar alle 4 Strophen des Horst Wessel-Liedes.

Nach dem Liede geleiteten SA-Leute den Redner zu seinem Platze zurück. Und nun endlich kamen auch diejenigen zu ihrem Recht, die sich am Feiertage der nationalen Arbeit auf ein Tänzchen gefreut hatten. Es war ein großes Gewoge in der Schützenhalle, das sich noch einige Stunden fortsetzte. Zurückschauend sagen wir: Alles hatte geklappt, alles war gut organisiert, alles tadellos durchgeführt.

Der 1. Mai 1933 war ein Tag der Volksgemeinschaft, an dem sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Hände reichten. Möchte eine solche Einmütigkeit, wie sie heute so offenkundig in Erscheinung getreten ist, das deutsche Volk stets beherrschen, namentlich, wenn es sich um die Interessen der Arbeiter und der Ehrung der deutschen Arbeit handelt. Wir geben der zuversichtlichen Hoffnung Raum, daß diese gewaltige Veranstaltung dazu beiträgt, die noch bestehenden Gegensätze zwischen den einzelnen Klassen und Ständen zu überbrücken, denn in dem neuen Deutschland soll es keinen Kastengeist mehr geben, sondern nur noch eine wahre Volksgemeinschaft, in der jeder in seinem Nächsten seinen Bruder sieht. Das walte Gott!““

* * *

Textdokumentation II:
Verabschiedung des Briloner Bürgermeisters im Jahr 1937

Der Briloner Bürgermeister Josef Paul Sauvigny, der 1933 Hitler hatte „Hoch, hoch, hoch“ leben lassen, trat 1937 in den Ruhestand. Bei seiner Verabschiedung bescheinigte ihm der Landrat, er habe sich nach der Machtergreifung der NSDAP „entsprechend seiner nationalen Gesinnung sofort eingeschaltet und sein Amt stets im nationalsozialistischen Geiste verwaltet“. Auch hier sei die einschlägige Zeitungsquelle dokumentiert:

„Sauerländer Zeitung:
Aus der Stadt.
Brilon, den 2. Juli 1937.

Bürgermeister Sauvigny nahm Abschied

Der am 1. Juli d.J. in den Ruhestand getretene Bürgermeister Sauvigny hatte am Abend des 30. Juni alle seine Mitarbeiter in der Stadt-, Forst- und Polizeiverwaltung zu einer Abschiedsfeier im Saale des Hotels zur Krone eingeladen. In einer herzlichen Begrüßungsansprache brachte er seinen Dank für die jahrelange treue Mitarbeit zum Ausdruck. Er wollte aber, bevor er scheide noch alle einmal um sich versammeln, die ihm stets mit Rat und Tat geholfen und mit denen er so gern zusammen gearbeitet habe. Nachdem er das Bürgermeisteramt mehr als 20 Jahre verwaltet, durch das Vertrauen seiner Mitarbeiter und der Bürgerschaft getragen, bat er, dieses Vertrauen auch seinem Nachfolger entgegenzubringen.

Oberstadtsekretär Martini hob hervor, daß der nunmehr Scheidende seit etwa 100 Jahren der zweite Bürgermeister der Stadt Brilon ist, der länger als eine Amtsperiode hindurch Bürgermeister war. Aber bei Herrn Sauvigny fiel diese doppelte Amtsperiode in eine besonders ereignisreiche und wechselvolle Zeit, die stets ganze Einsatzbereitschaft erfordere. Erst durch die Maßnahmen des dritten Reiches habe die Arbeit wieder Freude gemacht. So könne er heute das Amt unbesorgt in die Hand seines Nachfolgers übergeben. Es sei ihm eine Ehre, dem scheidenden Vorgesetzten den Dank der Beamten, Angestellten und Arbeiter der Stadtverwaltung auszusprechen. Die Zusammenarbeit mit ihm habe nie in einem Mißton geendet und der Bürgermeister dürfe versichert sein, daß er im Bedarfsfalle ruhig auf die Hilfsbereitschaft aller seiner Mitarbeiter zurückgreifen dürfe. – Weitere Trinksprüche wurden noch u.a. gehalten vom Stadtbaumeister Hellmold, der dem Bürgermeister seine Ernennung zum Ehrenmitgliede der Freiw. Feuerwehr bekanntgab, von Forstmeister Hötte, Gewerbelehrer Kannengießer u.a.m.

Auch Herr Landrat Schramm fand sich zu einem Abschiedsabend noch ein und betonte in einer Ansprache, daß Herr Bürgermeister Sauvigny eine ganz besonders schwierige Amtszeit zurückgelegt habe. Aber nach den schwierigen Zeiten habe er auch den Aufstieg noch miterleben dürfen. Nach der Machtübernahme habe er sich trotz seines vorgerückten Alters, entsprechend seiner nationalen Gesinnung sofort eingeschaltet und sein Amt stets im nationalsozialistischen Geiste verwaltet. Das sei sowohl von der Aufsichtsbehörde wie auch von der politischen Leitung durchaus anerkannt worden. Er spreche ihm dafür den Dank dieser Stellen aus und wünsche ihm noch einen langen Lebensabend in Brilon, als deren [sic] Mitbürger er sich auch ferner am öffentlichen Leben betätigen werde.

Es war eine schön und harmonisch verlaufene Feier im Geiste wahrer Volksgemeinschaft, die gleich ehrend für die Gefolgschaftsführer und Gefolgschaft war. Eine besondere Note erhielt das Fest durch das unerwartete Eintreffen und die Mitwirkung der Musikkapelle Dierkes, durch welche die glänzende Feststimmung naturgemäß noch eine Steigerung erfuhr.“