Das Elend der Raucher

Zigarette
Entspanntes Rauchen. (foto: privat)

Rauchen ist gesundheitsschädlich, Rauchen verkürzt das Leben. Wer in geschlossenen Räumen raucht, schädigt nicht nur sich selbst, sondern auch andere.

Das ist schlecht, und deshalb werden öffentliche Räume für Raucher immer enger.

Rauch stinkt, Raucher stinken, alles, was in einem Raum mit einem Raucher war, stinkt.

Ich rauche seit vielen Jahren nicht mehr, ich fühle mich gesünder, huste nicht mehr und bin fit. Klamotten, Wohnung und Atem stinken nicht mehr nach Zigarettenrauch. Alles ist gut.

Ich habe mich über arrogante Vorgesetzte geärgert, die selbstverständlich und ungefragt in Besprechungen geraucht haben. Ich ärgerte mich über Qualm in Eisdielen, wenn kleine Kinder dort saßen. Und genervt hat es mich, nach jeder Party und jedem Kneipenbesuch alle Klamotten komplett in die Waschmaschine packen zu müssen. Alles wahr, alles richtig. Und dennoch:

Kürzlich ging ich bei einer Feier vor die Tür, um mitten in der Gruppe von Rauchern ein wenig „passiv zu rauchen“. Es war wie früher, als die vermeintlich netteren und interessanteren Gespräche unter Rauchern stattfanden, zuerst in den kleinen Pausen zwischen den Unterrichtsstunden, später in den kurzen Pausen, die die Arbeit unterbrachen.

In diesen sieben Minuten, die es dauert eine Zigarette zu rauchen, konnten wir politisieren, debattieren, quatschen, tratschen und labern. Es war nicht nur die Zigarette, es war soziales Miteinander, ein Zusammentreffen unter Gleichgesinnten. Wir waren Raucher, wir hatten sieben Minuten Zeit und in dieser Zeit stand nichts anderes an: keine Arbeit, kein Unterricht, keine Pflichten, nichts.

Inzwischen ist alles anders: Rauchen ist an vielen öffentlichen Orten verboten, Raucher müssen sich Schlupflöcher suchen. Rauchen hat heute etwas Subversives. Während der Arbeit suchen sich Raucher versteckte Ecken in Kellerräumen, auf Dächern oder Balkonen. Heimlich schleichen sie sich an die Orte ihres sündigen Tuns und häufig frönen sie allein und einsam ihrer Sucht. Während in den Ländern der Peripherie das Rauchen noch immer ein soziales Ereignis ist, an dem viele gemeinsam teilnehmen, haben wir das Rauchen als gesellschaftlich verbindende Droge abgeschafft.

Was haben wir dafür bekommen? Ein gesünderes, längeres Leben, damit wir gesünder, länger und intensiver arbeiten können? Dient die ganze, seit Jahren andauernde Anti-Raucherkampagne letztendlich nicht dazu, uns noch dienstbarer, noch produktiver zu machen?

Ich habe darüber nachgedacht, ob ich nicht wieder mit dem Rauchen anfangen soll. Aber dann müsste ich mich ja auch in Kellerräumen verkriechen und im Winter mit klammen Fingern auf den Balkonen von Freunden sitzen oder vor den Türen von Kneipen stehen. Was für ein freudloser Genuss, was für eine freudlose Zeit.

Ernst Barlach – noch zeitgemäß?

Der Bettler von Ernst Barlach
Der Bettler von Ernst Barlach im Garten des Ateliers in Güstrow (foto: chris)

Zeitgeist: Die Menschen sind beschäftigt, ständig erreichbar. E-Mail checken am Strand, Telefonate in der Bahn, Smartphone auf der Toilette, mit dem Laptop vorm Fernseher. Früher gab es Orte und Zeiten, an denen wir mit uns und für uns waren.

Ernst Barlach, der norddeutsche Bildhauer, Zeichner und Dramatiker, hat Menschen dargestellt, die über sich, über das Leben nachdenken. In seinen Kunstwerken werden Gefühle sichtbar: Die Liebe, die Trauer, die Verzweiflung, Wut, Hass, Glaube. All dies kann Ernst Barlach mit scheinbar einfachen Formen ausdrücken.

Ernst Barlachs Kunst galt den Nationalsozialisten als „artfremd“ . So kritisierte der NS-Gauleiter von Mecklenburg und Lübeck Friedrich Hildebrandt , „der deutsche Mensch kennt nicht den Bauern als einen faul auf die Erde gestreckten Menschen, sondern als den harten, selbstbewußten Mann, der gewillt ist, alle Schwierigkeiten zu überwinden, der mit brutaler Faust, mit dem Schwert in der Hand sich den Weg bahnt.“

Ein Mensch, der nachdenkt und innehält ist nach Hildebrandts Verständnis“ „faul“ . Im Nationalsozialistischen Staat war kein Raum für Denker, Zweifler, Fragende und Trauernde. Die NS-Ideologen wollten Macher und Kämpfer.

In der heutigen Zeit scheint es fast so, als würden wir uns selber die Zeit, die Ruhe und Muße zum Denken, zum Zweifeln und zum Fühlen nehmen. Ständig sind wir beschäftigt, wir haben immer etwas zu tun. Wir horchen kaum noch in uns hinein. Wie geht es uns? Was fühlen wir? Was denken wir? Keine Zeit. Zeitgeist.

Barlachs Figuren wirken wie aus einer anderen Zeit. Sie strahlen Ruhe aus. Sie sind fröhlich, sie singen, sie sind verzweifelt, sie hungern, sind arm oder mit dem Tod ihrer Liebsten konfrontiert. Aber die dargestellten Menschen sind bei sich, sie sind eins mit sich. Sie lassen sich auf diese Empfindungen ein und geben sich ihnen hin.

Ernst Barlach hat Skulpturen geschaffen, die auch in unserer schnelllebigen und oft oberflächlichen Zeit eine Menschlichkeit und Tiefe darstellen, die berührt.