California here I come: Reisebericht Teil X – Los Angeles, Teil 2

Unser Autor berichtet von seiner Fahrt durch Kalifornien. Heute streift Christopher  zu Fuß und mit der Metro durch die Autostadt Los Angeles. Über seine sehr persönlichen Eindrücke berichtet er hier.

Bei Wanderungen durch die Stadt von vier, fünf Stunden hätte ich die Menschen, denen ich auf den Bürgersteigen begegnete und die verstohlen herüberlugten, an der Hand mitzählen können.

 

Ein Artikel im „Spiegel“, der sich 1982 mit der Innenstadtgestaltung L.A.s befasste, sprach noch von der gegenteiligen Hoffnung der Stadtplaner:

„[Bunker Hill, downtown L.A.] soll Los Angeles endlich jene Silhouette verleihen, die von den Skyline-besessenen Amerikanern an dem Häuserteppich so schmerzlich vermißt wird. Sie soll aber auch noch etwas anderes bringen, was es in diesem Drive-in-Dschungel bislang so gut wie nicht gab: Fußgänger-Bereiche.“ (aus dem Spiegel Nr. 52, 36. Jg., 27.12.1982, Karl-Heinz Krüger: Städtebau, S. 114-119)

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Bunker Hill in Downtown Los Angeles (alle fotos: christopher)

Stets allein in einer Millionenstadt

So etwas wie Bunker Hill Downtown habe ich persönlich noch nie gesehen, und wer weiß, vielleicht gibt es so etwas erst wieder in Omsk in Sibirien. Im Zentrum des L.A.-Ballungsgebiets muss wohl der Kern der Anti-Materie sein, um welche die Physiker so trefflich streiten. Denn auch auf meinen Urlaubsfotos sind in der Stadtmitte dieser sogenannten Megacity keine drei Menschen zugleich drauf; es ist unheimlich; man ist stets allein und doch im Bewusstsein, dass dies eine Mehr-Millionenstadt sein soll. Aber hier liegt der Denkfehler: L.A. ist halt eine Agglomeration aus hundert Dörfern und keine Stadt.

Der Fußgänger, das fremde Wesen

Im Nachruf zu den Planungen zur Belebung des öffentlichen Raums in den 1980er Jahren muss man feststellen, dass es jetzt Bürgersteige und eine Minicity auf Bunker Hill für Fußgänger gibt; dort, wo auch das Stadtmuseum oder die neue Philharmonie vom Architekten Frank Ghery hinbetoniert wurde. Aber es gibt keine Fußgänger. Als Fußgänger ist man in L.A. suspekt, etwas Fremdes, deshalb toleriert Sittenloses, solange es fremd bleibt.

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Zentrumsplatz mit sozialistischem Wohnschick – „Suchbild Mensch“ in der Zehnmillionenmetropole an einem Werktag

L.A. zwischen deutscher Provinz und sozialistischem Plattenbau

Vielleicht sollte man auch erwähnen, dass die Häuser um den einfallslos hochgepäppelten Platz auf Bunker Hill an deutsche Kleinstädte nach der Entkernung der 1960er Jahre erinnern, nachdem das deutsche Wirtschaftswunder zu viel Geld in die kommunalen Kassen geschwemmt hatte, um das, was der Krieg von den Altstädten noch übrig gelassen hatte, zu sanieren und damit vollends zu zerstören.

So strahlt auch Bunker Hill etwas von einer Eisdiele Rio Alto vor bronzener Sprengelanlage, also Brunnen des örtlichen Provinzkünstlers ab, leicht süßsaurer, katholischer Hauch.

Oder aber L.A. will sich konsequent mondän geben und heraus kommen Plattenbauten, die man aus dem real existierenden Sozialismus kennt. Selten hat es der Städtebau so auf die Spitze des schlechten und wohl auch verzweifelten Geschmacks getrieben. Ich habe immer die Behauptung vertreten, dass so hässlich wie im Sozialismus sonst nirgendwo Städtebau getrieben worden wäre, aber hier komme ich ins Zweifeln. Der Spiegelautor Karl-Heinz Krüger fasste sein ästhetisches Gefühl 1982 in folgende Worte:

„Tatsächlich hat die Downtown von Los Angeles bislang nicht viel zu bieten. Das Sammelsurium der ersten neuen Wolkenkratzer ist weder für die Baukunst noch für das Stadtbild ein Gewinn. Die hohen Hülsen stehen fremd und verschlossen am Straßenrand, das spiegelgläserne fünfzylindrige Bonaventure Hotel erhebt sich über einem hohen Betonsockel, der so einladend wirkt wie ein Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg.“

Innenstadt als großer städtebaulicher Murks

Dies Gefühl, eigentlich in einer Ruine des öffentlichen Raums angekommen zu sein, pflanzt sich im großen Unbehagen unter den Menschen fort. Stets hat man das Gefühl, eigentlich nicht wohin, also zum Ziel, sondern nur ziellos weg zu wollen. Die Innenstadt ist großer städtebaulicher Murks, und deshalb will niemand freiwillig ins Zentrum, das nachts zudem, weil ausgestorben, zu allem Überfluss gefährlich wird.

Schon tagsüber bestimmen auf den paar öffentlichen Plätzen verwahrloste Obdachlose das Stadtbild und ihr Gebettel das Sozialklima. Man fragt sich, wie es eigentlich die Angelinos in ihrer Stadt auf Dauer so aushalten, die dem Touristen aus andern Weltteilen leicht als dreckiger Witz der Postmoderne vorkommen mag. Ästhetische Genusswerte kann man in dieser selten geschichts- und gesichtslosen Stadt keine konsumieren, nur Smog, dumm-aggressive Sprüche und Fastfood.

Das Ruhrgebiet kann man wenigstens mögen

Wie wohltuend ist noch jede Stadt der Ruhrgebiets-Agglomeration dagegen, wo jede Ecke lebt, jeder Kiez seinen eigenen Sound spricht. Zwar ist es wahrlich kein Vergnügen, eher ein echtes Abenteuer durch Zeit und Raum, Menschen, Länder, Abenteuer, früh Abends die 120 km S-Bahn von Düsseldorf nach Unna zu nehmen. Ein echt „assiges“ Erlebnis der schlimmsten Sorte erwartet einen – der lieben betrunkenen Pöbler wegen, dann ist da der Schienenersatzverkehr, der zuweilen geschlagene 2 Stunden durch das südlich angrenzende Tal der Wupper kurvt, um von Bochum nach Dortmund zu kommen, sodass man als Tourist garantiert nie wieder das Ruhrgebiet betritt – aber jede Ecke atmet autochthon und authentisch. Man muss es wohl mögen, aber man kann, und das ist der Unterschied zu L.A.

Auf der Flucht

Zimmernachbarn in meiner Unterkunft wurden rasch vom L.A.-Syndrom befallen und begannen regelmäßig nach einem einzigen Tag über die Stadt zu klagen, am zweiten Tag äußerten sie beklemmende, klaustrophobische Vorstellungen und dass sie wegwollten und nur hier wären wegen des nicht umbuchbaren Flugs, dass sie sich deprimiert fühlten beim Gedanken, morgen noch einmal einen ganzen Tag in dieser Stadt verbringen zu müssen – danach wälzte einjeder intensiver den Stadtführer, um den Notausgang zu finden, oder ging zwecks Realitätsflucht verschärft ins Kino

Die Stadt Los Angeles wird oft von Soziologen hermeneutisch zerlegt, um stadtsoziologische Expertisen á la Experiment der Postmodernität an den Mann zu bringen. Das Problem ist, dass die Stadt schlicht langweilig ist und im Grunde genommen mausetot. Deshalb ja auch der Glanz der Filmindustrie, damit überhaupt etwas los ist. Hier tut der schöne Schein Bitternot, der ein Drittel des Aufkommens der städtischen Volkswirtschaft in die wirtschaftlichen Kapillaren pumpt.

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„Whisky a go go“ – legendäre Bar des Musik-Showbiz

‚So alone‘

Am vorletzten Tag ging ich vom Walk of Fame, dem proletaroiden Abschnitt des gefeierten Hollywood Boulevards hinunter zum Whisky a go go, wo The Doors einen ihrer ersten Auftritte hatten und Jim Morrison offenbar das Dilemma in L.A. Woman besang, dass, wie man es auch macht, mit oder ohne Auto, man es in dieser Stadt nur falsch anpacken kann:

Drivin‘ down your freeways
Midnite alleys roam
Cops in cars, the topless bars
Never saw a woman…
So alone, so alone
So alone, so alone

Mit der Metro in die falsche Richtung
Es ist schon eine seelenlose Veranstaltung mit L.A. Nachts fühlt man sich auf den Straßen nicht sicher, Sperrstunde der Freiheit, und tagsüber darf man mit der Metro auch nicht in die falschen Viertel wie South Central Los Angeles fahren. Dort war ich am zweiten Tag unterwegs. Jedoch häufte sich von Station zu Station das jugendliche Gangunwesen aufdringlicher und aggressiver Schwarzer mit einem lautstarken Gehabe wie aus dem ortsüblichen Gangsterfilm, sodass ich lieber schnellstmöglich abgedreht habe, zumal ich, je tiefer in die Vororte fahrend, als einziges Bleichgesicht im Waggon saß und unangenehm angeglotzt wurde. Weiter fuhren nur muslimische Proselytenmacher, die den Koran unters Volk bringen wollten. Inschallah und Gott sei mit ihnen!

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South Central Los Angeles – heimeliges Viertel, netter Ausblick!

Verbrechen und Glamour

Abends dann erlebte ich auch prompt die erste Schießerei in meinem Leben. Der Seitenflügel der Herberge ging zu einem Parkplatz hinaus, woneben sich eine alt-eingesessene Diskothek befand, der gegenüber eine neue Bar an diesem Abend eröffnet hat. Der Türsteher der alten Bar muss im Laufe des Abends dem Türsteher der neuen Bar den Platzhirschen gegeben und sich infolgedessen mit ihm überworfen haben, sodass der eine Gorilla dem andern in den Arm schoss. Peng! – Die Nacht zuvor hatte unweit am Boulevard bereits eine Bar eröffnet und man sah, wie in einer Traube von Journalisten Brad Pitt die Bar verließ. – Also kann man sich als Tourist nicht beschweren, nicht das zu bekommen, was der Blockbuster verspricht: Verbrechen und Glamour, ein bisschen Glanz:

„Und damit wurde aus diesen Straßenzügen im Westen von Los Angeles „Hollywood“, das universelle Codewort für die Macht schöner Lügen, für eine Bildsprache, die noch in Karatschi und in Wladiwostok verstanden wird, für großes Gefühl und noch größere Geschäfte. Hollywood sei eigentlich [kein Ort … sondern eine Geisteshaltung] … Mag die Supermacht des Westens auch wanken, diese Kulturleistung wird bleiben: So, wie uns die griechische Antike die Tragödie gegeben hat und das römische Imperium das Recht, so wird von Amerika Hollywood bleiben, und das ist nur ein anderes Wort dafür, dass sich das Leben in einen anrührenden oder optischen Traum verwandeln lässt. … Bilder strömen, täglich, stündlich, wie Erdöl aus einem leckgeschlagenen Bohrloch, hartnäckig, unaufhörlich, ist das gifitg? Wir sind dabei, uns in voralphabetisierte Zeiten zurückzubewegen, in denen die Magie von Bildern und Zeichen gilt und sonst nichts. Wir werden nicht dümmer, aber zunehmend hypnotisierter von unseren erfundenen Legenden, die sich über die Wirklichkeit stülpen … [Zu Beginn] handelte es sich um eine andere, neue „Manifest Destiny“: Die Eroberung des Westens war abgeschlossen, nun sollte die Eroberung der Träume beginnen.“ (Matthias Matussek: Im Kino gewesen. Geweint, in: Der Spiegel 1/2011, 3.1.2011, S. 100 -108)

Hollywood als Soft Power

Ob wir nicht dümmer werden? Wer mag das kollektiv entscheiden können. Aber der Kulturphilosoph Theodor W. Adorno zumindest gab zu, dass die affirmativen Schnulzen der Kulturindustrie seiner Zeit, welche die gesellschaftspolitischen Verhältnissen zur schönen heilen Welt fabulierten, ihn dümmer gemacht hätten. Und in Ermangelung eines modernen Siegfried Kracauers, der die autoritativen Sehnsüchte und Träume des deutschen Publikums analysiert hatte, das damals in der Weimarer Republik vom rechtskonservativen, kaisertreuen Hugenberg-Imperium und der UFA (Universum Film AG) bedient worden war, müssen wir uns bescheiden und es bei der offiziellen Meinung zu Hollywood aus US-Regierungskreisen bewenden lassen, wonach Hollywood und seine miteinander verflochtenen Konzernkartelle in Nachfolge von Paramount (1912), Universal (1912), MGM (1924), Disney, Dreamworks, Miramax, und wie sie alle heißen, eine Soft Power zur Eroberung der Herzen und Gehirne sei, um ihnen den American Dream und American Way of Life einzuimpfen.

California here I come: Reisebericht Teil IX – Los Angeles, Teil 1

Unser Autor berichtet von seiner Fahrt durch Kalifornien. Heute streift er mit öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuß durch die Straßen von  Los Angeles.

Zum ersten Mal begegnete ich L.A. zufällig, einige Tage zuvor, auf meinem Weg vom Joshua Tree Park nach Westen, als ich Santa Barbara besuchen wollte, da ich dort die „Villa Aurora“ des Emigranten Lionel Feuchtwanger aus dem Gedächtnis vermutete. Mein Gedächtnis trog und war mit Santa Monica über Kreuz gegangen, weshalb ich weiter nach Norden die Big Sur hochzog.

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Downtown Los Angeles, einmal vorteilhaft erwischt (fotos: christopher weber)

Bei der Anfahrt nach L.A. vor vier Tagen, um es zu umrunden, verpasste ich die Abfahrt, folgte dem Schild nach Hollywood und aus dem strömenden Regen über dem Stau schälte sich schemenhaft ein nächtliches Downtown L.A. heraus.

Es sieht nichtssagend aus
Erst einmal glaubt man gar nicht, dort zu sein, worum so viele Träume kreisen, nachdem die US-Amerikaner die Herzen der westlichen Welt mit ihrer Filmindustrie erobert haben. Denn es sieht nichtssagend aus; man fasst gar nicht, im Zentrum einer Stadt mit zehn Millionen und mehr Einwohnern zu sein, sondern verortet sich auf dem Ruhrschnellweg bei Duisburg.

Wolfgang Emmerichs apokalyptischem Drama
Perplex lugt man hinüber zum Turm und ja, jetzt erkennt man ihn aus Wolfgang Emmerichs apokalyptischem Drama, in dem Wirbelstürme diesen Bankenturm mit dem rot-blauen Logo der American Bank auf Bunker Hill Downtown hinweggefegt haben. Ansonsten sieht man nicht viel mehr als ein typisches Autobahnkreuz tief im Westen im Ruhrgebiet, aber ohne viel Kultur oder etwa Tradition wie in Alteuropa, ne?, wie es das hier halt im Westen der USA nicht gibt, is‘ ja alles „Cultureless West“.

William S. Burroughs‘ „Naked Lunch“
Die zweite Begegnung mit LA geschah am hellichten Tag. Am 6. Januar entstieg ich an der Union Square Station dem Greyhound Bus von Bakersfield kommend, nachdem ich geschlagene fünf Stunden seit Reiseantritt mit der Eisenbahn AMTRAK von Merced aus William S. Burroughs‘ „Naked Lunch“ gelesen hatte. Nach der üblen Lektüre benebelt und betäubt, taumelte ich aus der Bustür Richtung Gepäckausgabe und erkannte meine Tasche eine geraume Weile nicht wieder, so offensichtlich hatte der Lesestoff angeschlagen.

Hochhäuser Marke Duisburg
Nach einem gemeinsamen Gelächter mit dem Busfahrer, der mir sagte, ich wäre ja ein alter Mann, schulterte ich die Tasche und schlenderte aus dem Busbahnhof in den Bahnhof von Eisenbahn und Metro und von dort zum Hauptausgang. Die Plaza davor sah nett lateinamerikanisch aus, dahinter diese Versammlung einiger Hochhäuser Marke Duisburg und … sonst nichts weiter. Daraufhin zog ich es vor, die U-Bahn zu besuchen und mich standesgemäß in Hollywood einzuquartieren.

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Jeder in den 1970er Jahren sanierte Buchstabe kostete privat gespendete 28.000 US-Dollar

Hollywood am gleichbenamten Boulevard mischt das Amsterdamer Rotlichtviertel mit einer lichterfunkelnden Mall und ist so interessant wie die Oberhausener Eventmeile „Centro“. Wer’s mag, kommt auf seine Kosten. Im Großen und Ganzen ist der Boulevard, wo im Kodak Theatre jährlich im März die Oscars vergeben werden und das auf altägyptisch getrimmt ist, ziemlich heruntergekommen so wie in Essen hinterm Europaplatz die Fortsetzung der Fußgängerzone mit anderen Mitteln, nämlich mit Kiff-Shops, Tattoo-Bude und Hundekacke statt Kunst und Kommerz.

Der letzte Fußgänger
Der Weg von dort, wo der Boulevard beginnt, nämlich vom Westrand der Innenstadt, oder was man so dafür hält, nach Hollywood spricht Bände, wenn man ihn per pedes zurücklegt: Auf einem der eigentlich berühmtesten Straßen der USA begegnet man keinem, keinem einzigen Passanten. Man ist allein, während im Minutentakt ‚mal ein Auto gemächlich vorbeirollt.

Die perfekte Kleingartenschreberkolonie und Christa Wolf
Alles erinnert stark an eine Kleinstadt, die dabei ist einzuschlafen. Die einstöckigen Häuser davor wiederum geben die perfekte Kleingartenschreberkolonie ab. Die war mir bereits in manchen Gangsterfilmen über South Central Los Angeles, dort an Originalschauplätzen aufgenommen, aufgefallen und bestätigte sich hier auf überraschende Weise. Leider wohl vergaß ich den Schutz geistigen Erzeugnisses anzumelden. Ein Kollege aus Los Angeles, der gerade Christa Wolfs neuen Roman „Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud“ (2010) gelesen hatte, schaute mich an jenem Abend im Fischrestaurant in San José/ Costa Rica erstaunt an, nachdem ich ihm gesagt hatte, noch nicht in L.A. gewesen zu sein, mir die Stadt aber wie eine überdimensionierte Kleingartenschreberkolonie vorstelle. Diese Metapher habe eben Christa Wolf in ihrem neuen Roman gebraucht, ob ich sie von dort zitiert habe, was ich wahrheitsgemäß verneinte – den Roman werde ich wohl bald lesen; er solle meinem Kollegen nach ganz gut sein.

L.A. wird auch mit zunehmender Dauer des Umherirrens nirgends anders, ein Siedlungsbrei ohne Kopf, eine Ausgeburt von Autoparkplatz im Ambiente des Kleinstadtindustrieviertels. Schon bei der Einfahrt nach L.A., als ich mit benommenem Kopf in den gesundheitspädagogischen Ausführungen zum Richtungen Heroinentzug gemäß Burroughs herumschaukelte, fielen diese grün-wuchernden und recht großzügig bebauten Hügel auf, die sich von Nordwesten nach Süden zur Innenstadt hin ziehen. Flach ist auch dort das Stadtbild und erinnert eben an die Kleingartenkolonie am Tegeler Damm in Berlin oder natürlich an die in Bochum-Süd. – „Junge, Junge!“

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Los Angeles Innenstadt nach Osten gesehen

Und das hier ist das Paradies eines jeden Ami-Traums. Dieser Eindruck, dass L.A. im Prinzip zu großflächig angelegt wurde, bestätigt sich in Folge des Aufenthalts auf Schritt und Tritt. Während der Lateinamerikaner es geballt und gewuselt bevorzugt – so verlassen etwa Argentiniens Hauptstädter, die Porteños, Buenos Aires nur dann, wenn sie alle in der Ferienzeit im Januar zusammen zum Strand vierhundert Kilometer weiter östlich nach La Plata fahren, wo sie sich dann ölsardinengleich am Strand gestapelt erholen; oder so kommt der mexikanische Hauptstädter, der Chilango, in den Schluchten von Mexiko-Stadt offenbar ohne motorisiertes Bad in der Menge, also Stau und Verkehrsinfarkt, gar nicht zurecht – während also die Ballung zur Masse in Lateinamerika die Menschen zum öffentlichen Glück berauscht, ist es hier die kühle Distanz des Garten-, gar Jägerzauns seiner Kleingartenschreberkolonie.