Bleiberecht – unter welchen Voraussetzungen?

In meinem BriefkastenBleiberecht – unter welchen Voraussetzungen?

Meschede. Der Verein „Freunde der Völkerbegegnung“ (FdV) lädt alle Vereinsmitglieder und Interessierte am Mittwoch dem 31.März 2010 um 19.00 Uhr in die Gaststätte „Zum Pulverturm“, Pulverturmstraße in Meschede ein.

Gast ist Frau Menne, die Fachbereichsleiterin der Ausländerbehörde des HSK. Sie wird über die Voraussetzungen für die Erlangung des Bleiberechts für geduldete Flüchtlinge und Ausländer informieren.

Der Hintergrund: Die Innenminister der Bundesländer hatten sich im November 2006 auf eine Neuregelung des Bleiberechts geeinigt. Ende 2009 wurde das Bleiberecht für langjährig in Deutschland geduldete Ausländer um zwei Jahre verlängert. Voraussetzung ist, dass die Betroffenen gewisse Bedingungen erfüllen, wie beispielsweise eine Halbtagsstelle oder das nachweisliche Bemühen um Arbeit und Integration.

Ein Drama aus dem Sauerland: Ende der Bleiberechtsregelung – Freunde der Völkerbegegnung informieren sich

Heute erschien ein sehr informativer und bewegender Kommentar in unserem Blog. Damit möglichst noch mehr Menschen vom Schicksal der Roma und Ashkali im Sauerland erfahren, veröffentlichen wir  ihn nachfolgend als eigenständigen Artikel. Eingestreut sind Teile der Dokumentation „Die Abschieber“ aus dem Jahr 2005. Unbedingt sehenswert!

„Schon seit Jahrzehnten sind vielen Meschederinnen und Meschedern „Die Freunde der Völkerbegegnung“ (FdV) ein Begriff. Sie verbinden mit dem Verein Gedanken und Erinnerungen an Reisen in Partnerstädte z.B. in England, Frankreich und den USA , internationale Feste und Begegnungsabende. Der Name ist Programm – Die Freunde der Völkerbegegnung möchten Menschen aus anderen Ländern vorurteilslos begegnen, sie kennen und verstehen lernen.

Kontakte knüpfte der FdV aber auch zu Menschen mit nicht deutschen Wurzeln, die unter uns in Meschede leben, wie beispielsweise zu Mitgliedern der portugiesischen Gemeinde in Meschede. Und das Stammlokal der „Freunde“ ist ein griechisches mit dem geschichtsträchtigen Namen „Zum Pulverturm“. Die Vorstandsmitglieder treffen sich da ab und an und planen die nächsten Aktivitäten. Aus aktuellem Anlass wurde die Vorstandssitzung Anfang Oktober 2009 einem bestimmten Thema gewidmet – dem „Ende der Bleiberechtsregelung“.

Ende der Bleiberechtsregelung? Was bedeutet das?

Wer kann das besser erläutern, als ein Betroffener?! Mit Spannung und Interesse hörten die FdVer die Lebensgeschichte eines jungen Mannes, der im Alter von 6 Jahren mit seiner Familie aus dem ehemaligen Jugoslawien flüchten musste. Wir erinnern uns, es herrschte dort Bürgerkrieg.

Gehört man der ethnischen Minderheit der Volksgruppe Ashkali an, wie der jetzt 25jährige Gast der Freunde der Völkerbegegnung, war man damals in dieser Region noch stärker bedroht und gefährdet als die anderen Jugoslawen.

Ashkali? – Im Internet findet sich folgende Info:
„Bei den Ashkali / Aschkali handelt es sich um eine ethnische Minderheit im Kosovo. Sie sprechen die albanische Sprache. Eine Vielzahl glaubt, dass ihre Vorfahren in der Zeit Alexander des Großen aus Ägypten den Kosovo kamen und dort die ersten Bewohner waren. Andere wiederum sind der Überzeugung, sie seien während der Osmanischen Herrschaft aus der Türkei zugewandert.

und

Die Ashkali befinden sich derzeit im Kosovo ebenso wie die Roma und Kosovo-Ägypter in einer “bedrohlichen” Situation. Sie leben oft im “Verborgenen” unter der albanischen Bevölkerung. Würde man sie als Ashkali “erkennen”, würden sie vertrieben werden.“

Der junge Mann berichtete weiter von seinen Erlebnissen in Deutschland. Die Familie kam zunächst nach Steinfurt und fristete ihr Leben in einer großen Turnhalle, zusammen mit Menschen aus 10 verschiedenen Nationen. Nach 6 Monaten wurde sie für weitere 6 Monate in einer alten Schule untergebracht. „Deutschland war damals überfordert mit den vielen Flüchtlingen“, meint er rückblickend. Praktische Hilfe und Unterstützung hätten sie damals weder behördlicherseits noch von Privatpersonen erfahren. „Es war für alle sehr schwierig.“ Dann hätte eine Gemeinde im Hochsauerland die Familie „übernehmen“ müssen. Eltern und drei Kindern wurde eine Einzimmerwohnung zugewiesen. Er selbst hätte im weiteren Lebensverlauf sehr viel Glück gehabt. Schulbesuch – eine hilfsbereite Sauerländerin unterstütze ihn beim Lernen – erfolgreicher Schulabschluss, Lehre, Arbeitstelle. Und das alles, obwohl er die ganzen Jahre hindurch nur eine sogenannte Duldung hatte.

Duldung? – Dazu steht im Internet:

„Die Duldung ist nach der Definition des deutschen Aufenthaltsrechts “vorübergehende Aussetzung der Abschiebung ausreisepflichtigen Ausländern und stellt damit keinen Aufenthaltstitel dar. § 60a Aufenthaltsgesetz regelt, wer eine Duldung erhält. Die Duldung dient ausschließlich dazu, dem Ausländer zu bescheinigen, dass von einer Durchsetzung der bestehenden Ausreisepflicht für den genannten Zeitraum abgesehen wird. Mit der Duldung wird lediglich die rechtliche Situation eines Ausländers klargestellt, dessen gesetzliche vollziehbare Ausreisepflicht derzeit nicht im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden kann. Der Aufenthalt eines Ausländers wird mit der Duldung keineswegs legalisiert. Ein Duldungsinhaber hält sich somit widerrechtlich im Bundesgebiet auf. An eine Duldung können Auflagen geknüpft werden. Die Duldung erlischt mit der Ausreise des Ausländers.“

1990 bis 2009 – So lange leben der junge Mann, seine Eltern und die mittlerweile vier Geschwister in Deutschland, davon 18 Jahre in der Gemeinde im Sauerland. Er und sein einige Jahre jüngerer Bruder sind in festen Arbeitsverhältnissen und haben zum Glück, nach langen Jahren der Duldung, eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Die anderen Familienmitglieder leben mit der bedrückenden Aussicht, Deutschland von heute auf morgen verlassen zu müssen.

Arbeitserlaubnis und Duldung – Duldung und Arbeitserlaubnis. Da beißt sich die Katze in den Schwanz; denn an eine Arbeitserlaubnis ist für Menschen, die unter die „Duldung“ fallen, kaum zu denken. Die Regel lautet: Ein frei werdender Arbeitsplatz wird erst mit einem Deutschen und, falls sich kein Deutscher findet, mit einem EU-Ausländer besetzt. Ab und an kann es kurzfristig eine zumeist schlecht bezahlte Arbeitsstelle geben. Das was man da verdient, reicht in der Regel nicht aus, die Kriterien des Gesetzes zum Erhalt des Bleiberechts zu erfüllen.

Die gesetzlichen Hürden für Asylbewerber sind sehr hoch. Nur wenige derer, die unter dieses Gesetz fallen, können bis Ende 2009, also bis zum Auslaufen der jetzigen Regelung, die für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland erforderliche Einkommenshöhe erreichen, zumal in Anbetracht der aktuellen Wirtschaftskrise. All diesen Menschen droht die Abschiebung!

Vater, Mutter und die beiden jüngsten Geschwister des 25jährigen würden dann in den Kosovo abgeschoben. Das bedeutet für Angehörige einer ethnischen Minderheit wie Roma und Ashkali eine besondere Härte und Gefahr.

Ein Blick in`s „www“ macht deutlich

„Die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch (HRW) und Amnesty International haben auf die ungebrochene Gefährdungssituation für Roma im Kosovo aufmerksam gemacht: Im Kosovo sei die Roma-Minderheit nach wie vor Gewaltakten ausgesetzt; die Behörden würden keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz der Minderheit und zur Aufklärung solcher Straftaten ergreifen.“

und

„Seit der einseitigen Anerkennung der Republik Kosovo durch einige NATO-Staaten im vergangenen Jahr laufen die Vorbereitungen für neue Massenabschiebungen in den Kosovo. Im November 2008 hat die UNMIK – die UN-Verwaltung des Kosovo – die Zuständigkeit für Rückführungsfragen an die neue kosovarische Regierung abgegeben. Und diese ist zur Aufnahme der Flüchtlinge in Europa bereit. Zehntausenden Roma und Ashkali steht die Abschiebung bevor. Den Abgeschobenen drohen im Kosovo massive soziale Ausgrenzung und ethnische Verfolgung. Übergriffe durch Polizei und albanische Nationalisten, systematische Benachteiligung durch die Behörden, fehlende Gesundheits- und Sozialversorgung bestimmen ihr Leben.“

Bisher waren Roma und Ashkali aus dem Kosovo auf Grund der besonderen Gefährdungslage durch zwischenstaatliche Übereinkommen vor Abschiebung geschützt. Seit Sommer 2009 gibt es aber ein Rückübernahmeabkommen zwischen Deutschland und der Republik Kosovo. Medien berichten über eine bevorstehende Abschiebewelle. Pressemitteilungen zufolge startete bereits am 29.09.2009 ein „Abschiebeflugzeug“ von Düsseldorf aus nach Prishtina. Unter den an Bord befindlichen Kosovaren hätten sich 12 Roma befunden, davon 4 aus NRW.
Der Hochsauerlandkreis bestätigte am 29.09.2009 auf Anfrage, er beabsichtige nicht, in nächster Zeit Kosovo-Roma abzuschieben.

Wir können dem jungen Mann aus Ex-Jugoslawien nur wünschen, dass er sich auf diese Aussage verlassen kann!

Er stünde im Fall der Abschiebung seiner vier Familienangehörigen vor einem großen Gewissenskonflikt. Lässt er seine Eltern und die beiden jüngsten Geschwister allein in eine ungewisse Zukunft ziehen? Gibt er seine langjährige Arbeitsstelle auf und damit eine recht vielversprechende Lebensperspektive und geht mit in den Kosovo? Wird auch der andere Bruder Beruf und Festanstellung in Meschede aufgeben? Kann er es verantworten, die Mutter und den schwer kranken Vater, den jüngsten Bruder und die Schwester allein in das Land gehen lassen, in dem eine nahezu 100prozentige Arbeitslosigkeit herrscht und in dem sie als Minderheit verfolgt werden?

Das Resümee dieses Abends im gemütlichen griechischen Lokal:

Im Kosovo begegnen sich die Völker leider unter weitaus ungünstigeren Vorzeichen und Bedingungen als in Meschede!

Mein persönliches Resümee:

Viel Aufklärungsarbeit ist vonnöten. Wie schön wäre es, wenn die Presse dabei mithelfen würde!

Gabi“

Abschiebung? Ende der Bleiberechtsregelung droht im Dezember.

„Man kann nicht in Mali mal kurz zur Deutschen Botschaft gehen und sagen, ich würd so gerne in Deutschland arbeiten. Wer es hierher schaffen will, muss sich oft illegal anschleichen, oft über das Meer. So wie die etwa 300 Menschen, die jetzt im Mittelmeer ertrunken sind. Im Massengrab vor der Festung Europa!“ (Sonia Mikich, Monitor 2. April 2009)

In meinem Briefkasten landete folgende Pressemitteilung der Sauerländer Bürgerliste, die ich nach Zitat noch ein wenig kommentieren werde:

Durch die derzeit gültige Bleiberechtsregelung von 2007 erhielten lange in Deutschland „geduldete“ Menschen Aufenthaltserlaubnisse auf Probe, die bis Ende 2009 befristet sind.

Die Erteilung einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis ist an sehr hohe Hürden gebunden, deren Kriterien von der überwiegenden Zahl der Betroffenen nicht erfüllt werden können. Ihnen könnte Ende dieses Jahres die Abschiebung drohen.

Wie vielen im Hochsauerlandkreis lebenden Flüchtlingen droht die
Abschiebung?

Diese Frage stellte jetzt die Kreistagsfraktion Sauerländer Bürgerliste
dem Landrat, um Klarheit zu gewinnen, wie viele Menschen im HSK
betroffen sind.

Insbesondere interessiert die SBL-Fraktion wie hoch die
Zahl der von Abschiebung bedrohten Kindern und Jugendlichen ist.

Meine Fragen:

Welches sind die hohen Hürden?

Hat der Landrat schon geantwortet? Wenn ja – was? Wenn nein – wann?

Bis ich die Fragen geklärt habe, können sich Interessierte auf der Website des Flüchtlingsrates NRW vorab informieren.

Weiterhin hat Monitor Anfang April einen fast siebenminütigen Beitrag mit dem Thema

„Leere Versprechungen? Warum trotz neuer Bleiberechtsregelung Tausenden die Abschiebung droht“

gesendet.

Zum Nachlesen und Ausdrucken eignet sich das Manuskript der Sendung(PDF).