Marion bei den Mexis, Teil 31: Hundeentführungen mit Lösegeldforderungen, Joaquin „El Chapo“ Guzmán geschnappt, „12 Years A Slave“ und Karneval in Veracruz.

Dieser Artikel ist der 31. Teil einer persönlichen Serie über das Leben in Mexico und Mexico-City. Wir lesen über eine neue Form von Kriminalität (Hundeentführungen) und erfahren, dass der Drogenbaron Joaquin „El Chapo“ Guzmán im nordmexikanischen Bundesstaat Sinaloa geschnappt worden ist.

¡Hola a todos!

Eine beliebte Aufgabe, um das Präteritum und Perfekt zu üben, ist es, die Schüler zu fragen, was sie am Wochenende gemacht haben. Eine Lehrkraft für Deutsch als Fremdsprache in Deutschland wird da wohl andere Antworten erhalten als eine in Mexiko.

So friedlich sieht normalerweise der Lincoln-Park an einem gewöhnlichen Mittwoch aus. Doch hier soll sich eine neue Form der Kriminalität etabliert haben: die Hundeentführung. In den letzten Wochen war es vermehrt zu bewaffneten Überfällen auf Männern in Polanco gekommen. Objekt der Begierde war die Armbanduhr. So wurde vor zwei Wochen auch der Arbeitsminister Mexikos in einem Parkhaus überfallen. (foto: koerdt)
So friedlich sieht normalerweise der Lincoln-Park an einem gewöhnlichen Mittwoch aus. Doch hier soll sich eine neue Form der Kriminalität etabliert haben: die Hundeentführung. In den letzten Wochen war es vermehrt zu bewaffneten Überfällen auf Männern in Polanco gekommen. Objekt der Begierde war die Armbanduhr. So wurde vor zwei Wochen auch der Arbeitsminister Mexikos in einem Parkhaus überfallen. (foto: koerdt)

Eine neue Form der Kriminalität: Hundeentführung
Ich habe vor einem Monat einen Fortgeschrittenen-Kurs für Erwachsene übernommen und stelle wieder einmal fest, wie froh ich darüber bin, diese ganzen Formen nie bewusst gelernt haben zu müssen. Aber ich stelle auch fest, dass mich nach wie vor Antworten verblüffen können: So erzählte eine Schülerin, dass sie am Sonntag mit ihrer Familie in einem Einkaufszentrum war, als nebenan ein Geschäft von fünf maskierten Männern überfallen wurde. Das Geschäft, in dem sie waren, machte sofort alle Schotten dicht und so harrten sie dort die Schießerei aus. So erschloss sich dem Kurs auch ein neues Wortfeld: Überfall, Raub, Schusswunde, Erpressung, Lösegeld. Zum letzem Wort meinte eine Schülerin, na ja, das brauche man im Deutschen ja wohl nicht so oft wie in Mexiko und eine andere erzählte von einer neuen Form der Kriminalität: Hundeentführung. Davon hatte ich bis dahin auch noch nichts gehört. Einer Freundin sei das in der letzten Woche passiert: Sie sei mittags mit ihrem Hund im Park spazieren gegangen, da hielt ihr auf einmal jemand eine Pistole unter die Nase. Doch er hatte es nicht nur auf ihr Geld, sondern auch auf ihren Fiffi abgesehen. Am Wochenende kam die Lösegeldforderung: 20 000 Pesos, das sind rund 1100 Euro. Mir fiel dazu auch nichts mehr ein, zumal dieser Park direkt bei uns um die Ecke liegt und ich dort fast jeden Tag vorbeigehe. Zum Glück habe ich ja keinen Hund, aber ich denke, die Ideen der Kriminellen kennen da auch keine Grenzen. Vielleicht steht demnächst blondes Haar auf der Liste.

Da ich ja nicht live dabei war, muss nun ein Magazintitel herhalten. Das ist "El Chapo" direkt nach seiner Festnahme am Samstag. Manche behaupten, dass "Proceso" so etwas wie der mexikanische Spiegel sei. Nun ja, ich finde ihn da eher monothematisch (als würde ganz Mexiko nur aus Narcos bestehen) und bei der Bilderauswahl im Heft habe ich auch schon öfter mal gedacht, die hätte ich mir mal besser auf leerem Magen angeschaut. (foto: koerdt)
Da ich ja nicht live dabei war, muss nun ein Magazintitel herhalten. Das ist „El Chapo“ direkt nach seiner Festnahme am Samstag. Manche behaupten, dass „Proceso“ so etwas wie der mexikanische Spiegel sei. Nun ja, ich finde ihn da eher monothematisch (als würde ganz Mexiko nur aus Narcos bestehen) und bei der Bilderauswahl im Heft habe ich auch schon öfter mal gedacht, die hätte ich mir mal besser auf leerem Magen angeschaut. (foto: koerdt)

Apropos Kriminalität: Am Samstag haben sie Joaquin „El Chapo“ Guzmán im nordmexikanischen Bundesstaat Sinaloa geschnappt.
In einem geschlossenen Wohnkomplex in Mazatlán, schön gelegen an der Pazifikküste (Mazatlán ist übrigens eine Partnerstadt von Hamm in Westfalen. Aber das nur als Halbwissen am Rande.). Er war zur Symbolfigur des Narcos schlechthin geworden. Fast wöchentlich gab es vermeintliche Meldungen zu seiner Festnahme. Mal wurde er in Guatemala, mal in den USA gesehen. Jenseits dieser Gerüchte war es jedoch eine Tatsache, dass „El Chapo“ im Januar 2001 aus einem Hochsicherheitsgefängnis fliehen und seine Geschäfte als Chef des Sinaloa-Kartells weiterbetreiben konnte. Einem Monat vor seiner spektakulären Flucht (er soll in einem Wäschetransporter versteckt einfach aus dem Gefängnis gefahren sein) hatte Vicente Fox von der konservativen PAN-Partei die Präsidentschaft übernommen. 2006 wurde sein Parteikollege Felipe Calderón Präsident. Und mehr als zwölf Jahre soll es niemanden geglückt sein, einen der angeblich gefährlichsten Verbrecher der Welt zu schnappen. Tja, und nun nachdem Enrique Peña Nieto von der PRI-Partei an der Macht ist, wird er zufälligerweise geschnappt. Die Gerüchte wollen nicht verebben, dass der Chef des Sinaloa-Kartells der PAN-Partei 20 000 US-Dollar für seine Flucht bezahlt haben soll.

Seinen possierlichen Namen „El Chapo“, der Kurze, hat Guzmán aufgrund seiner Körpergröße erhalten. Wobei die bei der Fahndung zwischen 1,55 und 1,68 angegeben wurde. Ich habe mich mal gefragt, wenn man selbst das noch nicht einmal weiß, wie soll man ihn denn dann fangen? Mal sollte er 59, dann wieder nur 57 Jahre alt sein. Auch seine Einkommensverhältnisse sind nicht genau geklärt: Aber immerhin hat es Guzmán in den letzten Jahren immer wieder auf die Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt geschafft (seine Spitzenposition war im Jahre 2009 der 41. Rang). Einen weiteren Erfolg konnte er auch im nördlichen Nachbarland verbuchen: Die USA kürten ihn zum Public Enemy No.1. Kein Krimineller seit Al Capone sei so gefährlich wie „El Chapo“ hieß es. Die US-amerikanische Anti-Drogeneinheit (DEA) hat bei der Festnahme richtig mitgemischt. Nun wird ernsthaft überlegt, ob man Guzmán nicht in ein US-amerikanisches Gefängnis stecken soll. Rechtlich soll das möglich sein. Er bzw. sein Kartell sollen auch in San Diego, Chicago, New York sowie in Texas Verbrechen verübt haben. Bei einem ersten Verhör soll er zugegeben haben, den Mord an 2000 oder vielleicht 3000 Menschen in Auftrag gegeben zu haben. Die Dimensionen sind wahrscheinlich so ungeheuerlich, so dass sie mit dem bloßen Verstand nicht zu fassen sind. Jedenfalls nicht mit meinem. Was mir aber mein Verstand leider auch sagt, ist, dass die Festnahme wahrscheinlich eine Hydra ist. Ein Kopf ist abgeschlagen, viele andere wachsen nach. So sollen seine Nachfolger Juan José „El Azul“ Esparragoza und Ismael „El Mayo“ Zambda bereits in den Startlöchern stehen. „El Mayo“ ist seit knappen 50 Jahren im Geschäft und saß im Gegensatz zu seinem Kompagnon Chapo noch nie im Knast. Dort sitzt aber bereits der Rest seiner Familie. Es ist womöglich auch nur eine Frage der Zeit ist, wann Guzmáns Leben verfilmt wird.

Ich war übrigens am Wochenende im Kino und habe „12 Years A Slave“ (ich glaube, in Deutschland läuft er auch unter seinem Originaltitel) gesehen. Die Geschichte ist ein Alptraum, aber mal angenehm langsam erzählt. Wer nun glaubt, das sei ja zum Glück eine Geschichte aus dem vorvergangenen Jahrhundert, dem sei noch folgende Meldung aus der letzten Woche mitgegeben. Wobei ich aber natürlich erwähnen muss, dass das auch in Mexiko absolut illegal ist. In Yautepec im Bundesstaat Morelos haben Angehörige des Sicherheitsministeriums elf Jugendliche im Alter zwischen 13 und 17 Jahren befreit, die im Dezember im Bundesstaat Puebla entführt worden waren. Sie haben in Yautepec, das keine 100 Kilometer von der Hauptstadt entfernt liegt, unter sklavenähnlichen Bedingungen auf Zuckerrohrfeldern arbeiten müssen. Drei Verantwortliche sind festgenommen worden.

Hier ist Karneval übrigens nur im Bundesstaat Veracruz angesagt. Deshalb werden die kommenden Tage hier auch narrenfrei ablaufen. Ich wünsche vor allen denjenigen im Rheinland (sofern sie denn wollen) eine jecke Zeit und ich hoffe, ich höre bald mal wieder etwas von euch!

Muchos saludos,
Marion

2 Gedanken zu „Marion bei den Mexis, Teil 31: Hundeentführungen mit Lösegeldforderungen, Joaquin „El Chapo“ Guzmán geschnappt, „12 Years A Slave“ und Karneval in Veracruz.“

  1. Interessant, dass Sie den Bogen von der Sklaverei in den USA zum modernen Sklavenhandel schlagen. Ich habe schon eine ganze Reihe sehr positiver Rezensionen zu „12 years a slave“ gehört und gelesen. Dieser Aspekt fehlte dort.

    Auf meinem Schreibtisch liegt gerade das Buch der mexikanischen Journalistin Lydia Cacho „Sklaverei – Im Inneren des Milliardengeschäfts Menschenhandel“.
    Der Originaltitel ist prägnanter: „Eslavas del poder. Un viaje al corazón de la trata sexual de mujeres y ninas en el mundo.“ Ich bin schon sehr gespannt.

  2. Vielen Dank für den Kommentar. So weit ich weiß, hat Lydia Cacho wegen dieses Buches Morddrohungen erhalten und Mexiko verlassen. In der Tageszeitung „La Jornada“ erscheint wöchentlich die Rubrik „Haben Sie einen dieser von uns geliebten Personen gesehen?“. Gerade bei den Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren frage ich mich oft, was mit ihnen passiert sein mag. Es ist eben wirklich kein Thema aus dem vorvergangenen Jahrhundert. Eine ausführliche Kritik des Filmes wollte ich nicht schreiben, da ja mein Hauptaspekt Mexiko ist. Nur so viel: Ich kann den Film empfehlen.

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