Bürgerversammlung in Adelberg – ein Augenzeugenbericht: „Insgesamt fühlte sich der Rat bei Herrn Wäschers Ansprache wie auf einer Kaffeefahrt.“

WordleAdelberg20131024Während sich in Winterberg die Auseinandersetzungen um das gescheiterte Oversum-Projekt hinter verschlossenen Türen seit Monaten hinziehen, wirbt Oversum-Investor Wolfram Wäscher in anderen Gemeinden um Zuspruch für neue  Unternehmungen. 

Eine dieser Gemeinden ist Adelberg in Baden-Württemberg.  Viele Adelberger Bürgerinnen und Bürger sowie große Teile des Rates sehen das Engagement Wolfgang Wäschers kritisch. Wir haben hier im Blog ausführlich berichtet (scrollen!).

Ralf Frühwirt ist Ratsmitglied der Stadt Leimen. Dort gab und gibt es seit mehreren Jahren Probleme mit Herrn Wäscher und seiner Firma. Zu Leimen wurde hier im Blog ebenfalls ausführlich berichtet (scrollen!).

Ratsherr Ralf Frühwirt  wurde vom „Forum Adelberger für Adelberg“ gebeten, seine Erfahrungen aus Leimen für die Adelberger nutzbar zu machen. Wir haben seine (ungehaltene) Rede auf der Bürgerversammlung hier im Blog dokumentiert.

Auf Einladung des Forum reiste Ralf Frühwirt am 24. Oktober zur Bürgerversammlung nach Adelberg. Was ihm dort passierte beschreibt er hier und und auf der Website der GALL-Leimen:

„Die s.a.b. ist Geschichte, allerdings nicht Herr Wäscher. Das aqua-balance-Konzept ist tot, jetzt sollen Bio Vital Parks entstehen, nicht mehr Schwimmbäder im PPP-Modell sondern Glamping [sic!]-Plätze gemeinsam mit anderen Investoren.

(Ein Bericht von Ralf Frühwirt, GALL-Leimen, Ratsherr)

Adelberg, eine idyllische Kommune im Schurwald nahe Stuttgart, ist eines der Objekte, die er sich als lohnenswertes Projekt ausgewählt hat. Schon seit zwei Jahren wirkt er hier nach eigener Aussage, ein erster Anlauf – damals noch mit der s.a.b. war gescheitert. Zumindest die Bürgermeisterin Frau Marquardt konnte er seither wohl überzeugen, die Mehrheit des Gemeinderates allerdings nicht. Nachdem im Gemeinderat eine immer deutlicher werdende ablehnende Haltung gegen die Investorengruppe erkennbar wurde, wurden von der Bürgerinitiative „Attraktivität für Adelberg“ Unterschriften für einen Bürgerentscheid gesammelt, das nötige Quorum wurde erreicht, der Entscheid für den 10.11.2013 festgesetzt.

Zur Information der Bevölkerung gab es am 24.10.13 eine Bürgerversammlung, in der neben Herrn Wäscher, der Bürgermeisterin, Gemeinderatsmitgliedern und der Bürgerinitiative „Attraktivität für Adelberg“ auch die schon länger existierende Initiative „Forum Adelberger für Adelberg“ (Forum), die sich gegen das Projekt ausspricht, Rederecht haben sollte. Da bei einer solch wichtigen Entscheidung, bei der ein Schlüsselgrundstück einer Kommune an Investoren vergeben werden soll, natürlich auch wichtig ist, welche Reputation diese Investoren haben, hat sich das Forum an die GALL gewandt, da die Leimener Erfahrungen mit dem Geschäftsmann Wäscher bei uns ausführlich dokumentiert sind und es ganz offensichtlich war, dass die Verwaltung sich nicht gerade überschlagen hat, in ihren Bemühungen aus den Kommunen, die mit Herrn Wäscher schon ihre Erfahrungen gemacht haben, Informationen herbei zu schaffen.

Mit dem Forum wurde daher vereinbart, dass ein Vertreter der GALL zur Bürgerversammlung kommen würde, um einen Teil der Redezeit des Forums dazu zu nutzen, Leimener Erfahrungen zu berichten. Frau Marquardt wollte nicht und musste erst vom Gemeinderat dazu überredet werden. Nächste Forderung war, den Namen des Redners zu erfahren, was das Forum ablehnte, auch Herr Wäscher lehnte es bis heute ab, die Namen seiner Mitinvestoren zu nennen. Man befürchtete, dass die Bürgermeisterin den Namen an Herrn Wäscher, mit dem sie sich bereits duzt (auch mit seiner Frau, man hat schließlich Töchter im gleichen Alter), weiter geben würde. Herrn Wäschers Geheimhaltungswünsche werden respektiert, die des Forums wurden es nicht. Frau Marquardt entschied, dass ohne vorherige Namensnennung das Rederecht für den Gastredner wieder entzogen würde. Unser Vertreter nahm die Einladung des Forums trotzdem an und reiste nach Adelberg, wo er einen interessanten Abend verlebte.

„Auftritt Wolfram Wäscher. Schon kurz nachdem ich die Halle betreten habe, erblickt er mich und kommt durch die gesamte Halle auf mich zu. Er scheint entspannt, gelassen, ganz Herr der Lage und begrüßt mich mit einem flotten Spruch. Nach dem Austausch weniger Worte geht er wieder und spricht mit dem Moderator und Frau Marquardt. Der Moderator tritt auf. Nachdem ich erklärt habe, dass ich nur zum Zuhören gekommen bin und nicht die Absicht habe zu reden, ist er ratlos. Einen Anlass mich rauszuschicken findet er wohl nicht. Die Bürgermeisterin hat die rettende Idee. Obwohl ihr die Situation sichtlich unangenehm ist, fordert sie mich auf ins vorgelagerte Restaurant zu gehen, da die Halle in erster Linie für Adelberger da ist und die Halle mittlerweile schon sehr gut gefüllt ist. Ich erkläre mich bereit zu gehen, wenn es voll wird. Dann hat Herr Wäscher seinen zweiten Auftritt, diesmal sichtlich erregt. Er beschimpft mich vor Zeugen als Schmierer und Schmierfink. Jetzt wird deutlich, wie sehr die Anwesenheit eines Kenners seiner bisherigen Aktivitäten stört. Kurz darauf kommt die Durchsage von Frau Marquardt, dass doch bitte alle Nichtadelberger die Halle verlassen sollen.“

Vom Restaurant aus hat unser GALLier gute Sicht und auch die Akustik stimmt. Der Moderator – von Frau Marquardt geholt, weil sie nicht neutral ist – erklärt die Regeln und bittet um Sachlichkeit. Sie selbst zeigt dann einen Film zur Historie, während ihre Kämmerin die schwierige Haushaltslage erläutert. Dann erklärt Herr Wäscher mit wolkigen Worten sein Projekt Bio-Vital Park. Seine Anbiederei, nach zwei Jahren Arbeit hier sei er schon fast selbst ein Adelberger, kommt nicht wirklich gut an – Gelächter im Saal. Er verweist auf über 100 Bäder, die er saniert hat, streift kurz die s.a.b. und betont, dass er jetzt Privatunternehmer ist, der mit eigenem Geld arbeitet. Die Zusammenarbeit mit der Hochschule Biberach wird hervorgehoben, Hochschulen verbreiten schließlich immer eine Aura der Seriosität, als würden 10 Studenten, die sich mit dem Campingplatz beschäftigt haben, den Erfolg des Projekts wissenschaftlich untermauern. Schließlich nennt er einen zweiten Investor, während zwei weitere erst öffentlich gemacht werden wollen, wenn der Bürgerentscheid positiv ausgegangen ist. Nicht für jeden der Anwesenden Bürger ist das eine vertrauensbildende Maßnahme.

Anschließend musste das Forum seine Stellungnahme abgeben, obwohl es zunächst hieß, dass sie erst nach der Bürgerinitiative „Attraktivität für Adelberg“ sprechen sollten. Offenbar war der Bürgermeisterin inzwischen aufgegangen, dass eine Position am Ende der Rednerliste ein Vorteil sein könnte. So zwischen drin schienen die Gegner wohl besser versteckt. Trotz dieser Misslichkeit brachten die beiden Redner die Contra-Argumente gut zur Geltung. Die 120 000 Besucher, die von Herrn Wäscher pro Jahr erwartet werden, würden im Sommer 1500 Besuchern entsprechen, was 10 mal so viel ist ist, wie im Kreis Göppingen derzeit insgesamt. Mit ihren Beiträgen, die auch die unerwünschte Rede der GALL enthielten, blieben sie bei der vom Moderator geforderten Sachlichkeit.

Das konnte man vom darauffolgenden Redner der Bürgerinitiative „Attraktivität für Adelberg“ nicht uneingeschränkt sagen. Dem Gemeinderat wurde unterstellt, er sei nicht gewillt nach vorne zu schauen, er habe eine Blockadehaltung. Dem Forum wurde vorgehalten es produziere Negativschlagzeilen durch Bedrohung und Einschüchterung. Es wurde über Alternativlosigkeit gesprochen, über Herrn Wäschers Herzblut , das in dem Projekt hängt.

Dann sprach Gemeinderat Roos für „Die Fraktion“. Er verteidigte die Haltung des Rates, indem er klar stellte, dass man nicht über einen nicht existenten Vertrag habe abstimmen können. Anschließend nannte er Risiken, wie mögliche Altlasten, oder dass das Geld der Investoren erst nach zwei Jahren fließen würde. Insgesamt fühlte sich der Rat bei Herrn Wäschers Ansprache wie auf einer Kaffeefahrt.

Für die andere Seite des Gemeinderates sprach dann Herr Regelmann, der appellierte, durch eine hohe Wahlbeteiligung die aufgerissenen Gräben im Ort wieder zu schließen.

Die Bürgermeisterin betonte dann, dass es keinerlei finanzielles Risiko für die Gemeinde gibt, dass keine Bürgschaften geleistet werden würden, dass die Besucherzahlen realistisch seien und dass die Verträge in den nächsten Tagen auf der Homepage der Gemeinde öffentlich gemacht würden. Wäscher würde kaufen, wie gesehen und auch seine zwischenzeitlich verschwundene Referenzliste würde wieder erscheinen.

Ein 15 Mio. Euro Projekt, bei dem die ausführende GmbH lediglich Grundstücke und Gebäude im Wert von 850 000.- Euro – das sagt das Gutachten – einbringen, finanziert wohl kaum irgend eine Bank ohne weitere Sicherheiten. Über das Eigenkapital, das die vier Investoren einbringen wollen und können, wurde an diesem Abend aber nicht gesprochen, weshalb die in der Fragerunde gestellte Frage, was bei einem Scheitern des Projekts geschieht, sehr interessant war. Die Antwort war es weniger: Insolvenzverwalter, Verkauf des Geländes an die Kommune (wenn diese will und kann) oder an einen Dritten. Das ist sicher eine Möglichkeit. Die andere ist, dass Herr Wäscher, wenn es anfängt eng zu werden, zu seiner Duzfreundin ins Rathaus geht, und um den einen oder anderen Nachschlag bittet, damit das gemeinsame Projekt, bei dem auch für sie viel auf dem Spiel steht, nicht den Bach runter geht. Einen kleinen kommunalen Zuschuss zu den laufenden Kosten hier, ein paar Baugrundstücke aus den 6,7 ha (mit Verzehnfachung des Wertes) da, der Möglichkeiten sind da viele. Und was Nachforderungen angeht, da kennt Herr Wäscher sich bestens aus.

Dass der Abend zwar durchaus informativ war, dass es aber bei vielen Adelbergern noch reichlich Bedarf an weiteren Informationen gab, zeigte sich nach Ende der Veranstaltung, wo Ralf Frühwirt von der GALL ein gesuchter Gesprächspartner war, der immer wieder nach seiner Einschätzung der Lage gefragt wurde.“

Ralf Frühwirt

8 Gedanken zu „Bürgerversammlung in Adelberg – ein Augenzeugenbericht: „Insgesamt fühlte sich der Rat bei Herrn Wäschers Ansprache wie auf einer Kaffeefahrt.““

  1. Als Film würde ich sagen: LONE RANGER:

    Das Böse ist richtig böse, geldgierig, oder genauer silbergeil und brutal. Es raubt die Frau des Gegenspielers, Das Böse sieht nicht nur hässlich und abstoßend aus, sondern kommt auch im Anzug, mit guten Umgangsformen und akzeptablem Aussehen daher.

    Das Gute ist fast zu gut, um dem Bösen Einhalt zu gebieten, denn das Böse ist natürlich so böse, dass es sich lauter fieser Tricks bedient. Aber schließlich siegt das Gute, mit einem lauten Knall fliegt der ganze Laden auseinander.

    Der Film jedenfalls hat ein Happy End.

  2. Das allegorische Gut/Böse von @Johanna erinnert mich an diesen Satz des irischen Konservativen Edmund Burke:
    „The only thing necessary for the triumph of evil is for good men to do nothing.”
    Vom irischen ins sauerländische: „Das Böse triumphiert allein dadurch, dass gute Menschen nichts unternehmen.“

    Ohne Ralf Frühwirt hätte bei dieser Veranstaltung das Böse triumphiert.

  3. „Schließlich nennt er (Wäscher) einen zweiten Investor, während zwei weitere erst öffentlich gemacht werden wollen, wenn der Bürgerentscheid positiv ausgegangen ist.“

    Welche Gründe kann es dafür geben, einen Investor erst dann zu nennen, wenn sich die Adelberger für das Projekt entschieden haben ?

  4. Viel einfacher:
    Finanzinvestoren sind auf einen guten Ruf angewiesen, er ist Teil ihres „Kapitals“.

    Sich mit solch einem Projekt namentlich verbinden zu lassen ist erst ab dem Moment sinnvoll, in dem die Realisierungs-, Erfolgs- und mithin Gewinnaussichten den Reputationsverlust der namentlichen Assoziation überschreiten. Ergo ein klassisches trade off-Kalkül.

Kommentare sind geschlossen.