Auslaufmodell Rot-Grün: Konsequent ökologisch-soziale Politik nur mit einem starken Linksbündnis möglich und mehrheitsfähig.

knoppik20131005Am 22.9. sind die Würfel in Berlin gefallen. Es gab eine – wenn auch nicht große Siegerin -, und die heißt Angela Merkel. Und es gab – abgesehen von einer völlig indiskutablen FDP, die sich von der Lebenswirklichkeit der Menschen immer weiter entfernt hat, und deren Anwesenheit im Bundestag kaum noch jemand wünscht – auch noch weitere große Verlierer, nämlich Sozialdemokraten und Grüne.

(Unser Autor Karl Josef Knoppik macht sich Gedanken zur strategischen Ausrichtung der Grünen. Lang aber lesenswert.)

Aber nicht nur Parteien blieben buchstäblich auf der Strecke; auch die Hoffnungen auf eine ökologische und soziale Wende erfüllten sich abermals nicht. Daher wird es höchste Zeit, daß insbesondere die Grünen als einstige Protestpartei endlich wieder zu ihren Wurzeln zurückkehren und entschlossen die Werte verteidigen, die von den so genannten Konservativen in der alltäglichen Praxis nur zu oft als merkantiler Gegenstand verschachert werden.

Sich der Bevölkerung gegenüber als eine fortschrittliche, an der Bewahrung von Natur und Umwelt orientierte Partei darzustellen, sollte den Grünen eigentlich um so besser gelingen, als die Union nach wie vor dem materiellen Wachstum huldigt, welches dafür verantwortlich ist, daß es mit der ökologischen Substanz hierzulande und weltweit Tag für Tag weiter rapide bergab geht.

Würden die Grünen ökologische Vorsorge so ernst nehmen, wie man es von ihnen erwartet, wäre ja der Vorwurf von Seiten der Wirtschaft, der C- und F-Parteien absolut zu Unrecht erhoben, bei dieser Partei handele es sich um notorische Neinsager, Blockierer und Bremser.

Nein – es ist die Industrielobby und deren Verbündete, vor allem aus dem Lager von Schwarz-Gelb, die durch ihre Festlegung auf permanente Steigerungsraten kommenden Generationen den Weg in eine lebenswerte Zukunft verbauen.

Die Grünen sind gewarnt: Sollten sie ihre Urthemen Ökologie, Umwelt- und Naturschutz nicht schleunigst wieder in den Vordergrund stellen, dürften sie früher oder später das selbe Schicksal erleiden wie neulich die FDP. Das schlechte Wahlergebnis müßte ihnen also eine Lehre sein.

Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen ganz deutlich, daß die Alternativen immer dann punkten können, wenn sie ihre Kernkompetenz voll ausspielen, etwa im Gefolge der Reaktorkatastrophe von Fukushima oder im Vorfeld der einstigen Landtagswahl in Baden-Württemberg, als das heftig umkämpfte Prestigeprojekt „Stuttgart 21“ für Furore sorgte.

Doch es dauerte nicht lange, bis die Grünen in der Wählergunst wieder „auf Normalmaß“ zurechtgestutzt wurden, weil sie falsche Erwartungen geweckt hatten, sich anderen Themen zuwendeten und so das gerade erst gewonnene Vertrauen leichtfertig verspielten.

Als m.E. katastrophaler Fehler erwies sich in dem Zusammenhang die damalige Zustimmung zum so genannten Atomkonsens der Bundesregierung, womit man das Heft des Handelns aus der Hand gab und Schwarz-Gelb – völlig zu Unrecht – den grünen Segen erteilte.

Aber zurück zur Bundestagswahl. In den Medien hieß es über Wochen und Monate, der Wahlausgang sei – aller demoskopischen Umfragen zum Trotz – so spannend wie nie zuvor, da das Wählerverhalten immer schwerer einzuschätzen sei und die langfristigen Bindungen an die Parteien kaum mehr vorhanden seien. Gleichwohl zeichnete es sich sehr früh ab, daß der Versuch von Rot-Grün, Angela Merkel in Berlin abzulösen, von vornherein zum Scheitern verurteilt war.

Diese Konstellation stand nie als ernst zu nehmende und aussichtsreiche Alternative im Raum. Und obwohl dies allen Beteiligten klar sein mußte, präsentierten sich noch 2 Tage vor dem 22.9. SPD und Grüne mit ihrem Kanzlerkandidaten Steinbrück in Siegerpose.

Grenzenlosen Optimismus vor Wahlen zu verbreiten, ist zwar legitim und durchaus verständlich; aber nur dann, wenn sich dieser nicht auf Luft, sondern auf realistische Annahmen gründet.

Die mageren Prozentpunkte für Sozis und Grüne sind, – und davon bin ich fest überzeugt -, die Quittung dafür, daß beide Parteien in den letzten 4 Jahren auf eine ganz falsche und unglaubwürdige Oppositionsstrategie gesetzt haben. Wäre es ihnen nämlich um einen grundlegenden Politikwechsel gegangen, hätten sie sich nicht Union und FDP in der Europa- und Außenpolitik angebiedert, sondern selbstbewußt einen eigenständigen Kurs verfolgt, und zwar in Kooperation mit der Linkspartei.

Ja, „hätte, hätte Fahrradkette!“ Nun ist es zu spät, Herr Steinbrück! Dabei bestand von Anfang an nicht der geringste Zweifel, daß Frau Merkels Abwahl nur mit einem starken Linksbündnis erreicht werden konnte. Nicht zuletzt deshalb, weil zwischen den drei Lagern im „linken“ Parteienspektrum doch viele inhaltliche Übereinstimmungen vorhanden sind, die SPD und Grüne offenbar nicht zur Kenntnis nehmen wollten. Es mag deshalb so recht niemandem einleuchten, weshalb man nach dem Rauswurf der FDP aus dem Parlament die Chance für einen solches Dreierbündnis ungenutzt verstreichen ließ.

Aber solange die alte SPD-Garde das Zepter in der Hand hält, wird sich in dieser Richtung wohl bis auf weiteres nichts tun. Von Trittin, Göring-Eckardt, Künast und anderen Parteigenossen war bislang stets zu hören, die LINKE sei in der Europa- und Außenpolitik unberechenbar, kein zuverlässiger Partner; und sie befürworte innenpolitisch eine maßlose Schuldenpolitik.

Ich halte das Argument für vorgeschoben und durch die Tatsachen nicht gerechtfertigt. Fadenscheinig wie es ist, dient es nur dazu, die wahren Beweggründe zu verschleiern. Man fürchtete sich wohl vor der eigenen Courage.

Wer 4 Jahre lang zur Abwahl von Schwarz-Gelb aufruft und zugleich die Macht der Oberschulden-Kanzlerin Merkel festigt, indem er mit ihr in wesentlichen Fragen der Außen- und Europapolitik gemeinsame Sache macht, muß sich fragen lassen, welcher Teufel ihn reitet.

Das dürfte sich für die Sozis noch bitter rächen! Denn als Juniorpartner einer erstarkten CDU/CSU wird sich die SPD in einer Großen Koalition nicht profilieren können. Daher wird es m.E. darauf hinauslaufen, daß wegen vieler Meinungsdifferenzen Kompromisse nur auf kleinstem gemeinsamem Nenner erzielt werden und Gesetzesvorhaben nur schwer über die parlamentarische Hürde zu bringen sind.

Parteipolitische Auseinandersetzungen würden die Sacharbeit derart überlagern, daß diese nur allzu oft auf der Strecke bliebe. Die SPD wäre auf Gedeih und Verderb dazu verdammt, loyal zu einer Kanzlerin Merkel zu stehen. Und mehr noch: Sie beraubte sich ihrer Möglichkeit, in der Opposition zur alten Stärke zurückzufinden und zusammen mit Grünen und Linkspartei auf eine Übernahme der Bundesregierung in Berlin hinzuarbeiten. Natürlich mit einem erneuerten Personaltableau! Die SPD sollte sich in einer möglichen „Großen Koalition“ schwer davor hüten, der Union um der Macht willen zu sehr entgegenzukommen. Das wäre ihr Untergang.

Wer bei Wahlen erfolgreich sein will, muß sich das Vertrauen der Wähler hart erarbeiten und in die Niederungen des Volkes hinabsteigen. Dazu gehört auch, daß Kandidat und Programm eine Symbiose eingehen. Das war allerdings im Fall von Peer Steinbrück nicht so. Letzterer hat es auch aufgrund seiner unrühmlichen Vergangenheit und seines häufig ungeschickten, ja tollpatschigen Auftretens nicht vermocht die Programmatik seiner Partei glaubhaft herüberzubringen und sowohl Wähler aus der Mitte als auch diejenigen, die während der Schröder-Ära und in der Zeit danach der Partei den Rücken gekehrt haben, zu mobilisieren.

Wähler haben – gerade heutzutage – ein gutes Gedächtnis. Das sollte man nicht unterschätzen!

Ob ein Kanzler Steinbrück für die Grünen auch der richtige Partner gewesen wäre, darf bezweifelt werden. Aus meiner Sicht steht dieser Finanzlobbyist eher für eine Fortsetzung der industriehörigen „Basta-Politik“ des einstigen „Autokanzlers“ aus Niedersachsen. Wie dieser hätte er die Grünen ebenso diszipliniert. Darauf deutete schon seine provokante Äußerung im Wahlkampf hin, mit ihm werde es ein generelles Tempolimit auf Autobahnen nicht geben, wohl wissend, daß es sich hierbei um eine Kernforderung grüner Verkehrspolitik handelt. Es gab Zeiten, da standen SPD und Grüne in dieser Frage eng zusammen. Und heute handeln die Sozis gemäß der Devise: Was interessiert mich mein Geschwätz von damals!

Wer sich seinen Partner jedoch nach den programmatischen Schwerpunkten aussucht, darf keinesfalls den Eindruck erwecken, als stünde er auf Seiten des politischen Gegners.

Doch auch um die grüne Glaubwürdigkeit ist es schlecht bestellt. Sehr viele Menschen fragen sich seit langem, was an dieser Partei eigentlich noch grün ist. Im Wahlkampf spielte das Thema Ökologie jedenfalls nicht mal eine Nebenrolle. Lediglich auf der Zielgeraden dieses Wahlkampfes sah man sich dazu genötigt auch einmal auf die Exzesse in der Massentierhaltung hinzuweisen und darauf, wie gleichgültig die Regierung etwa dem dramatischen Schwund der biologischen Artenvielfalt gegenübersteht. Aber erst, nachdem Medienvertreter und Politikwissenschaftler für sinkende grüne Umfragewerte eine sträfliche Vernachlässigung ihrer Urthemen verantwortlich gemacht hatten.

Im Wahlprogramm der Ökopartei stand zwar sehr viel Begrüßenswertes über Ökologie, Nachhaltigkeit, Umwelt-, Natur- und Klimaschutz. Höchst befremdlich wirkt es jedoch auf die Wähler, daß diese Themen von den Spitzenkandidaten nicht offensiv und kämpferisch in die öffentliche Diskussion eingebracht wurden. Und Papier ist bekanntlich geduldig! Es fehlte den Grünen am unbedingten Siegeswillen und schon immer an Biß. Obwohl die ökologischen Probleme von so gewaltiger Dimension sind und daran wahrlich kein Mangel besteht, und die eklatant industriefreundliche Politik von Union und FDP trotz des leeren Geredes von der „Bewahrung der Schöpfung“ reichlich Angriffsfläche bot, unternahmen die Grünen nichts, um die Ökologie aus dem Schatten des Wirtschaftswachstum hervorzuholen.

Andererseits wurde mit dem Steuerkonzept aus der Feder des Jürgen Trittin das falsche Thema in den Mittelpunkt gerückt, das zahlreiche Wähler irritierte, zumal es bei genauerem Hinsehen z. B. für Familien mit Kindern zu Mehrbelastungen geführt hätte, statt der versprochenen Entlastungseffekte!

So kamen die Grünen schnell in den Ruf einer reinen Steuererhöhungspartei, den sie bis zum Wahltag nicht mehr los wurden. Und wenn von einer den Mittelstand fördernden Politik die Rede ist, dann kann nur die Linkspartei für sich in Anspruch nehmen, diese auch tatsächlich umsetzen zu wollen. Keine andere Partei außer der Linken, hat nämlich den Steuerfreibetrag für den arg gebeutelten Mittelstand mit 69.000,– € als Obergrenze angesetzt und ihn damit spürbar entlastet. Es muß doch im wesentlichen darum gehen, daß die ganz großen Einkommensbezieher wesentlich stärker zur Kasse gebeten werden, etwa auch durch eine Millionärssteuer.

Auch in den vielen TV-Talkrunden waren Vertreter der Linken, z. B. Dr. Gregor Gysi, die einzigen, welche nicht nur in dieser Frage Klartext sprachen. Nicht um den heißen Brei herum, sondern so, daß es jeder Bürger versteht.

Was man vor allem den Grünen zum Vorwurf machen muß, ist die Tatsache, daß sie ohne Not darauf verzichteten, in diesen Diskussionsrunden die Beschäftigung der anwesenden Journalisten mit dem Themenkomplex Ökologie, Natur und Umwelt energisch einzufordern, statt sich von Deppendorf, Illner, Schönenborn, Gottlieb & Co. die bereits monatelang zuvor durchgekauten Ressorts Wirtschaft, Infrastruktur, Steuern, Rente, Mindestlohn, Betreuungsgeld, Kitaplätze, Bildung, Familie etc. aufzwingen zu lassen.

Bei aller Wichtigkeit dieser Punkte darf eines nicht vergessen werden, daß nämlich erst intakte natürliche Lebensgrundlagen die Voraussetzungen dafür schaffen, um das alles zu verwirklichen. Um es auf eine Formel zu bringen: Ohne Lebensplätze keine Arbeitsplätze!

Hier wäre es an der Zeit gewesen, Flagge zu zeigen. Aber offenbar sind auch bei den Grünen längst neue Zeiten angebrochen. Daß deren Annäherung an die Wachstumsparteien der „Mitte“ , also CDU/CSU und FDP inzwischen weit fortgeschritten ist, kann man daran ablesen, daß einer Wahlanalyse zufolge 50 Prozent der Grünen-Sympathisanten Frau Merkel gern als Kanzlerin sehen würden. Dies läßt aufhorchen! Wenn die Zahl stimmt, könnte man daraus schließen, daß sich die Wählerschaft der Ökopartei mit der Zeit geändert hat, besteht sie heute doch zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus Gutverdienern, Akademikern, Freiberuflern, jedenfalls nicht unbedingt aus solchen Leuten, die mit dem ursprünglichen Anliegen der Partei, dazu zählen auch ökonomische Bescheidenheit und Verzicht, im Einklang stehen.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Zitat der ehemaligen Grünen-Aktivistin Jutta Dittfurth: Sie beurteilt ihre einstigen Mitstreiter heute sehr kritisch und bezeichnete die Führungsspitze der Grünen vor ein paar Jahren als „eine FDP mit Fahrrad“. Und weiter: „Über die kann ich mich nicht mal aufregen, so langweilig sind die!“ Kaum noch Öko-Fundamentalisten und Hardliner findet man bei den Grünen, die es sich zur Hauptaufgabe machen würden, links-ökologische Fortschritts- und Wachstumskritik zu üben. Stattdessen haben sie ihr Alleinstellungs- und Wesensmerkmal Umwelt-, Natur-, Biodiversitätsschutz und Nachhaltigkeit, bescheidener Lebensstil, anderen Zielen geopfert. Der Zeitgeist läßt grüßen! Wie bei den übrigen Parteien auch rangieren diese Themen auf den hinteren Plätzen, haben also eher nachrangige Bedeutung.

Ebenso wollen die Grünen von ihrer pazifistischen Vergangenheit nichts mehr wissen. Selbst wenn Jürgen Trittin in einem Interview mit dem „Greenpeace-Magazin“ den Standpunkt vertrat, die Grünen seien nie eine pazifistische Partei gewesen, so ist doch das Gegenteil zutreffend!

Noch vor 20 bis 25 Jahren hätten die „Alternativen“ niemals Krieg als Mittel der politischen Auseinandersetzung befürwortet, geschweige denn einer Entsendung von Bundeswehrsoldaten in Spannungsgebiete ihre Zustimmung gegeben. Leider hat sich die Partei unter der bisherigen Führung im Laufe der Zeit von einer unbeugsamen, prinzipientreuen, jeglicher Gewalt abschwörenden Antikriegspartei, zu einer Organisation von anpassungsbereiten Jasagern gemausert.

Der Vorwurf des grünen Europaabgeordneten Werner Schulz an die Adresse von Trittin war vollauf berechtigt. Er bezog sich darauf, daß der Spitzenkandidat das Thema Finanzen deshalb so deutlich akzentuiert hat, weil er in einer rot-grünen Koalition selbst gern Finanzminister werden wollte.

Natürlich muß sich eine grüne Partei auch um gesellschaftspolitisch relevante Dinge kümmern, wie die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften, um Menschen- und Bürgerrechte, um die Bekämpfung von Armut, um Asylbewerber, um Maßnahmen gegen die Ausgrenzung von Benachteiligten und Minderheiten, um die sozial Schwachen, deren Stimme nicht mehr gehört wird. Doch für die Wahrnehmung solcher Aufgaben stehen in erster Linie Sozialdemokraten und vor allem Linke bereit! Und das ist gut so. Es darf keinesfalls der Eindruck entstehen, als wäre das Attribut „Die Grünen“ im Parteinamen fehl am Platz!

Es ist deshalb Eile geboten, daß eine personell erneuerte Führungsmannschaft mit jungen und motivierten Persönlichkeiten wieder für frischen Wind in der Partei sorgt. Dafür muß eine Strategie her, die an damalige Zeiten anknüpft. Es gilt, die antiökologischen Kräfte durch eine nach vorn gerichtete, angriffslustige und kämpferisch eingestellte Opposition unter Druck zu setzen und gemeinsam mit außerparlamentarischen Gruppen einen radikalen umwelt- und friedenspolitischen, sowie sozial orientierten Kurswechsel einzuleiten.

Von einer rot-schwarzen, oder – schlimmer noch – einer schwarz-grünen Bundesregierung wäre keine grundsätzliche Änderung auf den politischen Zukunftsfeldern zu erwarten, bestenfalls Stillstand. Es sei denn, CDU und CSU sind zu substanziellen Zugeständnissen bereit, wo massive ökologische Interessen berührt sind. Das wäre in der Tat ein beachtlicher Fortschritt. Noch besser wäre es freilich, wenn die Union Einsicht in die Notwendigkeit zeigen würde, daß es mit dem antiquierten Wachstumskurs so nicht weitergehen kann und dieser einer grundlegenden Korrektur bedarf.

Falls es wider Erwarten doch zu Koalitionsverhandlungen kommen sollte, müßten die Grünen rechtzeitig klarstellen, wo mit ihnen keine Kompromisse zu machen sind:

  • Nichtzulassung des so genannten Frackings. Nur fordern die Grünen bisher lediglich ein Moratorium für die Anwendung dieser Technologie. Anders als Piraten und Linkspartei, die beide ein ausnahmsloses Fracking-Verbot fordern. Hier müssen sie ihre Position rasch ändern;
  • eine Dezentralisierung unserer Energieversorgung; keine Politik zugunsten der Stromkonzerne; Abschaffung bzw. Wegrationalisierung von zentralistischen und krisenanfälligen Großstrukturen; die Konkurrenzfähigkeit der ökologisch förderungswürdigen Klein- und Mittelbetriebe wieder herstellen – im Rahmen der ökologischen Steuerreform: Energie, Rohstoffe und Umweltverbrauch belasten – menschliche Arbeitskraft entlasten;
  • eine nachhaltige und ökologisch orientierte Verkehrspolitik, deren tragende Säule wieder die Bahn werden muß; Preissenkungen als Mittel der Attraktivitätssteigerung, optimaler Service, Komfort und kundenfreundliche Fahrzeiten; zu prüfen ist eine Reaktivierung bereits stillgelegter Strecken.

Das Angebot an ÖPNV (Linien- und Bürgerbusse) muß ausgeweitet werden, besonders auch an den Wochenenden; Straßenneubau beenden und dadurch den Fußgängern und Radlern bessere Bedingungen schaffen; strenge CO²-Grenzwerte für neu zugelassene PKW; drastische Anhebung der LKW-Maut und Ausweitung dieser Gebühr auf das gesamte Straßennetz; ein allgemeines Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen; Verzicht auf den Aus- und Neubau von Flughäfen und unverzügliche Einstellung der Subventionierung kapitalintensiver und ökologisch zerstörerischer Mammutprojekte;

  • konsequenter und effektiver Klimaschutz. Dabei ist einer weitest möglichen Reduktion des Ressourcenverbrauches absolute Priorität einzuräumen; Ausbau der regenerativen Energieträger unter besonderer Berücksichtigung des Natur- und Landschaftsschutzes! Verzicht auf den Neubau von klimaschädlichen Kohlekraftwerken; stattdessen dezentrale, Gas betriebene Blockheizkraftwerke mit hohem Wirkungsgrad und Kraft-Wärme-Kopplung; ein Atomausstieg, der diesen Namen auch wirklich verdient;
  • Abkehr von großflächigen Monokulturen zur Erzeugung von so genanntem „Biosprit“ für unsere massenhafte Mobilität, auf Kosten der Menschen in der „Dritten Welt“ und ihrer Lebensgrundlagen, von unersetzlichen Regenwald-Ökosystemen, der biologischen Vielfalt auch hierzulande und der Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln! Deshalb: Keine weitere Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen, die nicht nachhaltig sind, weil sie durch ihre Emissionen bei der Verbrennung selbst ganz wesentlich zum Ruin unseres Klimas beitragen!
  • Begrenzung der tierquälerischen, gesundheitsgefährdenden und umweltverseuchenden Massentierhaltung mit dem Ziel ihrer baldmöglichsten Abschaffung
  • verstärkte Förderung einer kleinstrukturierten, bäuerlichen Landwirtschaft. Ein besonderer Stellenwert ist dabei dem Ökolandbau zuzumessen! Wiederbelebung des ländlichen Raumes; drakonische Strafen bis hin zum Berufsverbot für die Verursacher von Lebensmittelskandalen; rigorose und wirksame Bekämpfung von derartigen Skandalen durch verstärkt angeordnete, mehr unangemeldete Kontrollen und entsprechende Gesetze, die den umfassenden, vorbeugenden Schutz der Verbraucher vor solchen Umtrieben auch tatsächlich gewährleisten!

Für die Grünen steht also deren Glaubwürdigkeit und damit letztlich auch ihre Existenz auf dem Spiel, wollen sie nicht um der Macht und Ämter willen ihre Seele verkaufen, sondern als Anwalt der Natur beharrlich und unbeirrt für eine lebenswerte Zukunft weiterarbeiten – gegen alle Widerstände!

8 Gedanken zu „Auslaufmodell Rot-Grün: Konsequent ökologisch-soziale Politik nur mit einem starken Linksbündnis möglich und mehrheitsfähig.“

  1. Bravo Karl Josef!

    Sehr gute, glasklare und auch bittere Analyse! Dein (Partei-)Programm übernehme ich auch komplett.

    Vielen Dank dafür!

  2. Chapeau, Herr Knoppik!

    Erfrischend, die selbsternannten Kaiserinnen und Kaiser „nackig“ zu sehen.

    Diesen Beitrag den erwähnten politisch handelnden Figuren/Institutionen mit dem Hinweis „Bitte hinter den Spiegel stecken!“ mit Priorität „hoch“ zusenden.

  3. Die Befürchtung des Verfassers, die Grünen könne ein ähnliches Schicksal wie die FDP erleiden, ist völlig berechtigt. Abnehmende Wirtschaftskraft und rasanter Wohlstandsverlust Deutschlands, vornehmlich Resultat einer auf europäisches Mittelmaß herabzwingenden Gemeinschaftswährung und einer prinzipien- wie visionslosen Europapolitik einer aussitzenden Kanzlerin, werden den Wählerfokus im nächsten Wahlkampf auf rein wirtschaftliche und wohlstandsorientierte Themen verlagern. Breite, verarmte Wählerschichten werden sich rechts von CDU und AfD radikalisieren, wie es sich beispielsweise schon in Österreich und in Frankreich überdeutlich zeigt und wie wir es aus der Geschichte schon kennen. In einem solchen Umfeld kann eine Partei mit fundamental linkem Kern, päderastischem Stammpersonal und radikalökologischem, wirtschaftsfeindlichen und bevormundenden Programm keinesfalls punkten. In einer großen Koalition von Schwarz-Grün würde sie schon vorher aufgerieben, weshalb wir um unserer Kinder Willen diese Variante sehnlich herbeiwünschen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

    Auch wenn man es den Grünen hoch anrechnen muss, in den Neunzigern den Umweltschutz auf die politische Bühne gebracht zu haben: Grün wählen und die Umwelt schützen sind längst nicht mehr zwei Seiten derselben Medaille. Vielmehr heißt es heute: Die Grünen wählen und die Bürgerinteressen/das Vaterland verraten.

    Endlich ist die Partei im Volk entlarvt, sind ihre Tage auf Bundesebene gezählt. Es ist die berechtigte Quittung für die verpasste Chance, dem Kurs der Kanzlerin in ein totalitäres Europa mit dysfunktionaler Einheitswährung und einer rettungsfaschistischen, wohlstandsvernichtenden Geldpolitik eine vernunftbasierte, verantwortungsvolle Oppositionsarbeit entgegenzustellen. Stattdessen haben die Grünen mit gutmenschelndem Populismus und sich empörender Political Correctness die politische Diskussionskultur vergiftet und maßgeblich dazu beigetragen, dass wir ein Volk der Duckmäuser geworden sind.

    Die Grünen haben in ihrer Selbstverliebtheit zuvorderst vergessen, dass analog der Maslow’schen Bedürfnishierarchie die zentrale Vorbedingung des breiten Umweltschutzes der wirtschaftliche Wohlstand der Masse ist.
    Gerade die Grünen hätten ahnen müssen, dass ein gesundes Geld- und Finanzsystem genau wie ein Ökosystem nur auf Diversität und nicht etwa auf Monokultur basieren kann und dass Bankpleiten wie Waldbrände eine reinigende Wirkung haben. An dieser fehlenden Einsicht manifestiert sich die linksfundamentale Parteidogmatik unter dem ökologischen Deckmäntelchen sowie die Tragik eines ethisch verwerflichen, ungebildeten und dogmatisch verblendeten Führungspersonals.

    Die Grünen sind so zum unrühmlichen Steigbügelhalter des wirtschaftlichen Abstiegs Deutschlands geworden. Die dunkle Erinnerung an gutmenschelnden, bevormundenden, ökologisch verbrämten Populismus, an Gängelung des aufgeklärten Bürgers, an tumbe Umverteilungsforderungen und an Subventionsblasen in Energie- und Agrarwirtschaft wird die einzige Hinterlassenschaft der Grünen sein. Und natürlich die vögelschreddernden Windmühlenparks in Naturschutzgebieten.

    Mein Mitleid gilt den engagierten Parteimitgliedern auf lokaler Ebene, die von den Berliner Eigennutzmaximierern verraten wurden.

    Was aber bleibt dem deutschen Michel, nachdem die Grünen endlich vom Wahlzettel verschwunden sind? Ein Vakuum, denn keine der Volksparteien kann Lösungen für die verfahrene Lage bieten oder führt zumindest noch gutes im Schilde. Stillstand, ähnlich wie in der Endphase der Weimarer Republik. Und dann ein Umbruch…

  4. @Interessierter Bürger

    Meine Meinung: Es gibt sicher eine Menge Kritikpunkte an den Grünen. Karl Josef Knoppik hat viele von ihnen treffend benannt. Richtig ist auch, dass Schwarz-Grün der Partei ein langes Siechtum bringt oder ihr sogar den Todesstoß versetzt. Darum hoffe ich inständig, dass die Grünen Entscheidungsträger(Innen) 😉 nicht mit dem Macht- und Koalitionsfeuer spielen.
    Denn ich bin fest davon überzeugt: Deutschland braucht die Grünen, vor allem Leute wie Hans-Christian Ströbele!
    (Von mir aus sollen sie Rot-Rot-Grüne Opposition machen ODER Rot-Rot-Grüne Regierung. Entweder, oder, nur nicht Schwarz-Grün!!!)

  5. @ Gabi:

    Deutschland braucht ganz dringend das, was die Grünen früher verkörperten: Veritable Opposition. Aufbrechen verkrusteter Strukturen. Totgeschwiegene Themen auf die politische Bühne holen. Streitkultur.

    Das war grüne Kernkompetenz, und dafür konnte und musste man sie respektieren. Nicht aber für das verquaste Stammpersonal, dem es wegen diverser Vorbelastungen schon immer an Glaubwürdigkeit fehlte. Roth, Trittin, Fischer, Özdemir? In der Privatwirtschaft untragbar.

    Ströbele mag tatsächlich eine Ausnahme sein, ja. Er ist zweifelsohne gereift und mag inzwischen als Vorbild dienen. Seine nicht völlig aufgeklärte Vergangenheit in RAF-Nähe muss man dafür allerdings völlig ausblenden. Nicht jeder kann das.

  6. Oh! Während wir gestern noch die Grünen auf dem Komposthaufen der Geschichte entsorgt sahen, stellen wir bei der Lektüre der FAZ am heutigen Morgen verwundert fest, dass sich die Residualintelligenz der Partei – vermutlich einige wenige nicht mittels Staatsquote alimentierte und mangels Indoktrination durch ein Abo der grünen Hauspostille taz nicht völlig desorientierte Parteimitglieder – aufbäumt und das zarte Pflänzchen der liberalen Wirtschaftspolitik bei den Grünen säen wollen:
    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/wirtschaftspolitik-die-gruenen-entdecken-ihr-liberales-herz-12604957.html

    Man kann nicht sicher sein, ob dies ein ehrlicher Recyclingversuch oder nur ein weiteres Dokument der Beliebigkeit und des Populismus dieser Partei ist, doch: Im Zweifel und angesichts fehlender Alternativen ausnahmsweise für die Angeklagten!

    Eine solchermaßen geläuterte Partei, quasi die ökologische Version einer veritablen (also nicht der mit Westerwelle entarteten) FDP, dem Liberalismus und der Nachhaltigkeit verpflichtet, wäre wählbar und quasi die Partei gewordene Inkarnation des gesunden Menschenverstands.

    Wenn es die Grünen dann noch schaffen, nicht Genscher, nein, Sir Baron Dahrendorf zu exhumieren und mit Strickpullover und Turnschuhen als Mahnmal politischer Verantwortung und wirtschaftlicher Vernunft an prominenter Stelle (ergo: direkt unter dem Bundesadler) im Bundestag zu postieren und den Bundestag so zur Raison zu rufen, dann, ja dann könnte man tatsächlich sagen: Wir sind auf einem guten Weg! Und zwar im Wortsinn, nicht mit dem Zungenschlag Schäuble’s im Sinne von „auf dem Weg in die Schuldenknechtschaft“.

    So würde der Schwarz-Roten Einheitspartei Deutschlands endlich eine Opposition in der Volkskammer entgegen gesetzt und nicht die Grünen als Partei, sondern die fundamentalistische Stammwählerschaft könnte man auf dem Komposthaufen der Geschichte entsorgen. Denn selbst das adrette Fräulein Wagenknecht ist viel zu besonnen, als dass sie sich dieser Verblendeten annehmen wollte.

  7. Dann hätte man die nicht völlig aufgeklärte Vergangenheit während der RAF-Zeit von Otto Schily (später SPD und Ex-Innenminister) auch ausblenden müssen. Hat man ja auch erfolgreich getan. Beide haben RAF-Mitglieder verteidigt und hatten Zugang zum Hochsicherheitsgefängnis Stammheim. Um diese Rollen ranken sich einige Mythen… Vielleicht packt ja doch noch jemand aus.
    Herr Ströbele ist wirklich einer der vernünftigsten bei den Grünen. Aber er ist schon alt.

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