Der Fluch des Piraten nach der Bundestagswahl: Hauptsache euch geht’s gut! [explicit language]

(Gastbeitrag von Florian Otto, Pirat in Brilon, HSK. Nach der Bundestagswahl gestern erschienen auf c2h5oh.)
parentaladvAchtung: In diesem Artikel werde ich fluchen. Verfickt nochmal ordentlich fluchen!

“Was macht die Partei, Pirat?” Blöde Frage. Heute mal wieder öfter gehört. Keine Ahnung, welche Antwort man darauf erwartet. Wie wäre es mit “Gut, alle sind gesund, manche haben Kopfschmerzen von gestern.” oder “Hat Rücken.”? Ernsthaft, ich bin es leid solche Fragen zu beantworten.

Florian Otto, Pirat im HSK, nimmt kein Blatt vor den Mund (foto: Florian Otto)
Florian Otto, Pirat im HSK, nimmt kein Blatt vor den Mund. (foto: Florian Otto)

Wenn ihr meine Meinung zum Wahlausgang gestern wissen wollt, dann fragt doch auch danach. Wenn ihr euch nur lustig machen wollt, dann leckt mich am Arsch!

Meine Meinung zu gestern lässt sich so zusammenfassen: Ich kann’s nicht verstehen!

Und dabei geht es mir noch nicht einmal um die 2,2% der Piratenpartei. Klar, ich hätte mehr erwartet und bin alles andere als zufrieden damit – und schon gar nicht erfreut darüber. 2,2% sind definitiv zu wenig. Auch im konservativen Sauerland. Da tut es mir wirklich leid für all diejenigen, die sich Wochen und Monate lang fast jede freie Minute für den Einzug in den Bundestag abgekämpft haben. Jetzt müssen wir bei uns selber schauen, woran es gelegen hat. Wo Fehler gemacht wurden und wie man die vermeiden kann. Ich werde da jetzt keine wilden Beschuldigungen aussprechen. Das übernehmen ja leider schon genug andere. Ich wüsste nur gerne, warum wir im HSK schon wieder nur einen Teil der Werbemittel hatten. Und auch noch viel zu wenige.

Auch für unseren Direktkandidaten Julius tut es mir leid. Er hätte auf jeden Fall mehr als 2,19% verdient gehabt!

Stattdessen habt ihr wieder diesen Sensburg gewählt. Sogar mit noch mehr Stimmen als 2009. Wofür?

Dafür, dass er “den Schützenvogel gerettet” hat? Ihr glaubt den Scheiß wirklich? Ihr glaubt wirklich, dass rein zufällig zu Beginn des Wahlkampfes vom CDU-geführten Innenministerium eine Richtlinie erlassen wird, die direkt ins Herz der meisten Sauerländer trifft: den Schützenvogel? Und dann kommt der Schwarze Ritter von und zu Sensburg angeritten, steigt von seinem Ross und kämpft mit aller Kraft für unseren Schützenvogel?

Wenn das wirklich nicht als Wahlkampfaktion geplant gewesen sein soll, dann muss die nun ehemalige Regierung ja ein extrem unorganisierter Haufen gewesen sein, bei dem der Innenminister nicht weiß was er tut, wenn er über ein wichtiges Kulturgut einer der Hochburgen der CDU bestimmt. Also Gesetze erlassen will, ohne auch nur irgendwie Ahnung vom Thema zu haben.

Oder wählt ihr ihn für seine homophobe und Menschen verachtende Einstellung?
keinervonuns

Ach, es ist bestimmt, weil er ja “Einer von uns” ist und sich immer total bürgernah zeigt. Schließlich besucht er ja nicht nur diverse Firmen, sondern kann auch gut mit Kindern – aus vertrauenswürdiger Quelle weiß ich, dass er lediglich wenige Minuten, quasi nur für das Foto anwesend war.

Ich könnte echt kotzen. Ist euch wirklich so egal, wer das Hochsauerland im Bundestag vertritt?

Nun ja, jetzt habt ihr nicht nur den gewählt, sondern auch die CDU. Warum? Weil sie so schön verfassungskonforme Gesetze macht? Ach nee, wahrscheinlich weil ihr die Wackelpudding-Angie so toll findet. Und damit verbunden der gehaltvolle Wahlkampf der CDU. Ich verstehe es wirklich nicht.

Es müssen wohl die tollen letzten 4 Jahre gewesen sein.
CDUBilanz
Mit eurer Stimme für die CDU habt ihr euch also gegen einen Mindestlohn, Gleichberechtigung, Inklusion, freie Bildung und soziale Gerechtigkeit entschieden. Stattdessen habt ihr den Überwachungsstaat und eine Politik für Firmen und gegen Bürger gewählt.

Vermutlich, weil es euch selber ja gut geht damit. Ihr seid nicht auf die Hilfe anderer angewiesen. Euch geht es ja gut.

Ekelhaft!

Da kann man euch fast nur wünschen, dass ihr mal auf Hartz IV angewiesen seid. Oder mit einem Stundenlohn von 4,50€ auskommen müsst. Das kann schneller passieren, als man denkt. Und dann bin ich mal gespannt.

Doch all das ekelt mich nicht einmal halb so viel an, wie 1,3% für die NPD, 0,2% für REP, 4,7% für AfD, 0,2% für pro Deutschland, also 2.779.003 Stimmen für rechte Spacken!

Na ja, jetzt ist die Wahl halt gelaufen und es bleibt nur zu hoffen, dass es schon bald neue Wahlen gibt.

Bis dahin werde ich mich endlich mit der Politik beschäftigen, die mir Spaß macht: Kommunalpolitik. Am 25. Mai 2014 werden Kreistage, Stadträte, Gemeinderäte und Bezirksvertretungen gewählt.

Das ist es, was ich machen will. Hier vor Ort etwas bewegen. Selbst wenn es am Ende vielleicht nur dazu reicht, den Menschen Politik etwas näher zu bringen. Durch Transparenz und einen neuen, ehrlichen Politikstil. Und vielleicht kann ich ja noch ein paar Ziele mehr umsetzen.

Und dafür werde ich mir den Arsch aufreißen.

Scheiße verdammt, jetzt erst recht!

10 Gedanken zu „Der Fluch des Piraten nach der Bundestagswahl: Hauptsache euch geht’s gut! [explicit language]“

  1. @ Florian Otto

    Stattdessen habt ihr wieder diesen Sensburg gewählt.

    Herr Otto, ich kann Ihre Aufregung in Teilen nachvollziehen. Allerdings finde ich die Pauschalisierung „Stattdessen habt ihr wieder diesen Sensburg gewählt.“ mehr als bedenklich.

    Die Sequenz „habt ihr wieder“ hat was von Besserwisserei/Bevormundung.

    Meine Familie, Umfeld und ich sind nicht „habt ihr“ !!!

    Die habt ihr-Spekulation ist im Kern eine Herabwürdigung (genauer: Beleidigung) des Souveräns.

    Herr Sensburg ist nicht mein/unser „Herzblatt“ – er ist qua demokratisch vereinbarter Spielregeln Mitglied des Bundestags.

    Ist ärgerlich, aber Realität …

    1. @gp:

      den Beitrag von Florian Otto sehe ich weniger unter dem Aspekt der Publikumsbeschimpfung. Das „habt ihr“ ist eher die Sprachfigur einer zornigen Ohnmacht mit Anleihe bei Gernot Hassknecht 😉

      Mich interessiert eher dieser Punkt:

      „Meine Meinung zu gestern lässt sich so zusammenfassen: Ich kann’s nicht verstehen!“

      Mich würden, jenseits der sprachlichen Metaphorik, die Erkärungen interessieren. Es gibt gefühlt sehr viele und vielschichtige Antworten bzw. Erklärungen zu diesem „Ich kann’s nicht verstehen!“.

      Willst du anfangen?

  2. Ich werde nicht mit dem Erklären anfangen, einfach weil ich keine Erklärung habe. Mir geht es in dem Punkt genauso wie Florian Otto.
    Was mich bei dieser Wahl besonders deprimiert, ist eben die Tatsache, dass im Grunde passieren kann, was will, dass sachliche Argumente bzw. klare Fakten rein gar nichts bewirken. Eine riesige Mehrheit scheint einfach blind zu sein. Eine derart verzerrte Wahrnehmung habe ich noch nie erlebt. Selbst bis in rote und grüne Kreise hinein gibt es ja den Eindruck, dass Merkel „unser Land gut vertritt“. Es ist einfach unbegreiflich.
    Was ich mir nun vor allem wünsche, ist, dass Piraten, Grüne etc. keine falschen Schlüsse aus dem Abschneiden der eigenen Partei ziehen. Bitte keine Anbiederung an vermeintliche Mehrheitsmeinungen. Liebe Piraten, bleibt bei euren klaren Statements zu brisanten Themen – ihr seid die einzigen, die in vielen Bereichen eine konsequent andere Politik wollen. Ihr seid keine Spinner! Vielleicht seid ihr sogar Propheten. Aber solche, die aktiv Politik machen wollen. Also: alles klar zum Entern!

  3. Gestern publizierte die Süddeutsche Zeitung eine Deutschlandkarte: Schwarz mit einigen roten Einsprengseln. Der Süden ist komplett schwarz, Ruhrgebiet und insbesondere die Städte gelegentlich rot. Was die CDU-Mehrheit angeht, sind wir im HSK somit in guter Gesellschaft.

    Bei vielen Menschen hat sicher die Hoffnung mitgewählt, dass es ‚uns‘ nicht so schlecht geht soll wie Griechen oder Spaniern. Gewählt wurde der Erhalt des Status Quo und die CDU scheint die Partei zu sein, die dessen Erhalt garantierten kann.

    Warum Patrick Sensburg gewählt wurde?

    Zum einen wird und wurde im HSK schon immer mehrheitlich CDU gewählt. In Zeiten der Krise rücken alle etwas näher zusammen (Stichworte: Sitte, Glaube, Heimat) und wählen im Zweifel den örtlichen Kandidaten der CDU.

    Zum anderen spielt vielleicht auch der demographische Wandel eine Rolle: viele junge Menschen verlassen das Sauerland und zurück bleiben ‚die Alten‘ und die werden bis an ihr Lebensende CDU wählen, unabhängig vom Kandidaten und seinem Wahlkampf.

    Außerdem gibt es im HSK bisher kaum eine Kultur der politischen Auseinandersetzung und des politischen Streits. Inhaltlicher Dissens wird von den ehemals unangefochtenen Minimonarchen als ‚Inkompetenz‘ und ‚Miesmacherei‘ diffamiert, Vertreter anderer Meinungen als ‚Schwachmachten‘ diskreditiert. Kritik in der Sache verstehen hiesige Kommunalpolitiker gern als persönliche Beleidigung und sind gekränkt.

    Die politische Auseinandersetzung ist jedoch Voraussetzung für demokratische Teilhabe, Transparenz und Mitbestimmung (nicht nur bei Wahlen). In diesem Bereich tut sich was im HSK, allerdings waren die Pflänzchen wohl noch zu zart, um bei diesen Wahlen einen Durchbruch zu erzielen.

  4. @Johanna: „Außerdem gibt es im HSK bisher kaum eine Kultur der politischen Auseinandersetzung und des politischen Streits. Inhaltlicher Dissens wird von den ehemals unangefochtenen Minimonarchen als ‘Inkompetenz’ und ‘Miesmacherei’ diffamiert, Vertreter anderer Meinungen als ‘Schwachmachten’ diskreditiert. Kritik in der Sache verstehen hiesige Kommunalpolitiker gern als persönliche Beleidigung und sind gekränkt.“

    Dafür ein Like!

  5. @gp Mit „ihr“ wollte ich auch nicht pauschalisieren. Schließlich haben ihn ja nicht alle gewählt. Ziel war es diejenigen anzusprechen, die es eben getan haben. Und wie zoom schon schrieb, waren auch eine gute Portion Zorn und Unverständnis enthalten.
    Also bitte nicht unschuldig angegriffen fühlen.

  6. @Johanna:
    „Außerdem gibt es im HSK bisher kaum eine Kultur der politischen Auseinandersetzung und des politischen Streits. Inhaltlicher Dissens wird von den ehemals unangefochtenen Minimonarchen als ‘Inkompetenz’ und ‘Miesmacherei’ diffamiert, Vertreter anderer Meinungen als ‘Schwachmachten’ diskreditiert. Kritik in der Sache verstehen hiesige Kommunalpolitiker gern als persönliche Beleidigung und sind gekränkt.“

    Auch von mir dafür ein „Like“!
    Den letzten Satz könnte man noch um zwei weitere Sätze ergänzen:
    „Das führt dann öfters sogar zu persönlichen Anfeindungen gegenüber den angeblichen Miesmachern und Informationsentzug oder weiteren Einschränkungen der Mitwirkungsmöglichkeiten. Ein Teil der heimischen Medien unterstützt diese Tendenzen durch interessengelenkte Berichterstattung.“

  7. Wählerbeschimpfun ist nun auch nicht gerade das Non plus ultra.
    So ist das hier eben: Solange sie ihre Schützenfeste, ein wenig Schnee im Winter und ein paar Touris haben, die horrende Preise für alles Mögliche zahlen, sind sie hier zufrieden. Und natürlich ihre regionale Presse, die jeden Tag lobt, wie schön hier alles ist und wie toll die regionalen Politiker… „regieren“.
    „Wackelpudding “ Merkel finde ich auch respektlos. Ich sehe keinen anderen Kanzler. Außerdem hat man den Eindruck, dass alle zurücktreten außer Frau Merkel.
    Vielleicht gibt es ja Neuwahlen und dann können ja auch die Piraten ihr neues Glück versuchen – vielleicht mit etwas „gewählterer Sprache“ .

  8. @Martin Pohl
    „Was mich bei dieser Wahl besonders deprimiert, ist eben die Tatsache, dass im Grunde passieren kann, was will, dass sachliche Argumente bzw. klare Fakten rein gar nichts bewirken.“

    Es ist wohl wirklich so, auch die Friedrich Naumann Stiftung kommt zum Ergebniss, dass CDU-Wähler mehrheitlich nicht politisch denken und entscheiden:

    „Deutliche Veränderungen gegenüber 2009 gab es bei den Wählern der Union, wo die Ausrichtung an Sachfragen (-4) auf 36% zurückging, während die Frage der Kandidaten stark (+6) an Bedeutung zunahm und mit 38% deutlich über der Quote der anderen Parteien lag. Die langfristige Parteibindung war für unveränderte 22% Ausschlag gebend.“

    Im Klartext: 64% der CDU-Wähler orientieren sich NICHT an Sachfragen. Mehr als Zweidrittel der Wähler der CDU entscheiden sich NICHT für die Politik der Union.

    Sorry, aber das macht mich ratlos.

    Die komplette, wirklich interessante Analyse finden Sie hier:
    http://www.freiheit.org/files/62/Analysebericht_BTW_2013.pdf

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