Albrecht Müller: Neoliberale Wendehälse

Kurz vor Ende dieses Jahres dürfen wir uns an unseren linken Stammtischen auf die Schenkel klopfen: „Haben wir doch schon vor 30 Jahren gesagt, gepredigt und gelehrt! Prost, Prost, Prost, Prost, Prost, Prost – Genossen!“ (Bitte Intonation und Rhythmus beachten! Kleine Pause nach jedem zweiten dann jeweils in höherer Tonlage herausgestammelten ‚Prost‘)

„Übermut“ – so erhebe ich den Zeigefinger, „tut selten gut“.

Ungeachtet der mahnenden Worte füge ich folgende Fundstelle aus den NachDenkSeiten ein:

Deutschland, ja die gesamte Welt stehen an einem Wendepunkt. Der Kreuzzug der neoliberalen Ideologen konnte sich noch bis vor kurzem den Anstrich von wirtschaftlicher Vernunft und Effizienz geben. Ihre Rezepturen galten als „alternativlos“ oder „objektiv notwendig“. Spätestens die Finanzkrise hat diese Fassade für jedermann sichtbar niedergerissen. Ein ungerechtes Bereicherungssystem, hinter dem oft kriminelle Machenschaften stecken, kam zum Vorschein.

Der Staat, der über Jahre hinweg „ausgehungert“ werden sollte, musste über Nacht mit Milliardensummen in bis dato unvorstellbarer Höhe „Rettungsfallschirme“ über Banken und ganze Industriezweige aufspannen. Wir alle werden für das Zerstörungswerk einer Minderheit in Haft genommen.

Zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Rezession wird plötzlich nach öffentlichen Investitionen gerufen. Es werden Konjunkturprogramme aufgelegt, die jahrelang als wirkungslose „Strohfeuer“ abgetan wurden.

Plötzlich wimmelt es in Wirtschaft, Politik und Medien nur noch so von „Wendehälsen“, die ihre früheren Parolen am liebsten aus den Archiven tilgen würden. Die Rezepturen der viel zitierten „Experten“ entpuppen sich als hohle Dogmen. Unsere „Führungseliten“ tun so, als sei die Krise wie ein „Spring-ins-Feld-Teufel“ (Steinbrück) über uns gekommen. Sie wollen damit vertuschen, dass sie jahrelang dem „Teufel“ hinterherliefen. Banker, Politiker, Meinungsmacher versuchen jetzt alles, um von ihrem vorausgegangenen Tun abzulenken. Machen wir uns nichts vor: Hinter den Schuldzuweisungen und hinter den (zaghaften) Schuldeingeständnissen verbergen viele, der angeblich vom Saulus zum Paulus Bekehrten, nur ihre Absicht des „Weiter-so“.