Karl Kraus über die Frauen

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„Die Sprache, genial“, „Er kann so großartig formulieren“, „Einmalig“. Höchstes Lob wird gezollt, wenn der Name Karl Kraus fällt: Österreichischer Dichter, Aphoristiker, Kritiker, Satiriker,  sprachgewaltiger Literat.

Neugierig geworden schnappte ich mir das Buch „Aphorismen und Gedichte“ des Giganten.
Ich las los und fand dort vieles, was mir gefiel:

Etwa die gedanklich Freiheit:

Erotik ist Überwindung von Hindernissen. Das verlockendste und populärste Hindernis ist die Moral.

Oder die gnadenlose Kritik:

Der Parlamentarismus ist die Kasernierung der politischen Prostitution.

Oder wie Kraus mit wenigen Worten den Opportunisten entlarvt:

Seine Überzeugung ging ihm über alles, sogar über das Leben. Doch er war opfermutig, und als es dazu kam, gab er gern seine Überzeugung für sein Leben hin.

Da entstehen Bilder im Kopf, Geschichten leben auf, und der Leser fühlt sich gut, weil er selbst vermeintlich nicht zu diesen angepassten, opportunistischen Spießern gehört. Na, mit Chance ist er ein wenig weniger davon, wenn er Vergnügen an solchen Zeilen hat – aber auch nur vielleicht.

Beim Weiterlesen stieß ich dann auf folgende Aphorismen des großen Karl Kraus:

Frauenkunst: Je besser das Gedicht, desto schlechter das Gesicht.

Der Mann hat fünf Sinne, das Weib bloß einen.

Oder Sprüche wie:

Ein Weib ist manchmal ein ganz brauchbares Surrogat für die Selbstbefriedigung. Freilich gehört ein Übermaß von Phantasie dazu.

Wenn Kraus sich der Frauenbewegung seiner Zeit zuwendet, dann urteilt er wie folgt:

Die Frauen verlangen das aktive und das passive Wahlrecht. Daß sie das Recht haben sollen, jeden Mann zu wählen, und daß man ihnen keinen Vorwurf mehr mache, wenn sie sich von wem immer wählen lassen? Behüte der Himmel: Sie meinen es politisch! Aber auf so verzweifelte Gedanken sind sie von den Männern gebracht worden. Jetzt wird diesen nichts anderes übrigbleiben, als von der Regierung zu verlangen, daß ihnen endlich die Menstruation bewilligt werde. (1907)

Mein Erstaunen über diese Zeilen war riesengroß.  Eine Suchanfrage bei google lehrte mich, dass sich schon andere mit der frauenfeindlichen Einstellung des frühen Karl Kraus beschäftigt hatten. Für mich war diese neu.

Ich finde es amüsant, dass ein so hoch geschätzter Literat, der so beißend und herrlich ätzend über andere herfällt, selbst so etwas Blödes schreibt.

Mein Fazit: Ich lese weiterhin gerne Karl Kraus – aber manche seiner Texte sind einfach nur sprachlich genial verdichteter Unsinn.

Fußnote: Alle oben zitierten Aphorismen stammen aus: Karl Kraus, Aphorismen und Gedichte, Auswahl 1903-33, Berlin (DDR) 1984.