Causa Sensburg: Aufklärung oder Nebelkerzen?

Olle Kamellen. Muss jeder Wissenschaftler aus dem ff. beherrschen. (foto: zoom)
Olle Kamellen. Muss jeder Wissenschaftler aus dem ff. beherrschen. (foto: zoom)

Prof. Dr. Patrick E. Sensburg ist ein Briloner CDU-Politiker, dem vom Internetforum VroniPlag vorgeworfen wird, auf mehr als 20 Prozent der Seiten seiner Doktorarbeit (Dissertation) Plagiate verwendet zu haben.

Was ist der Kern der Vorwürfe?
Im Kern geht es darum, ob PES, wie er auf VroniPlag akronymisiert wird, sein wissenschaftliches Handwerk bei der Erstellung seiner Dissertation, die ihm wiederum den Zugang zur Professur eröffnet hat, ordentlich beherrscht oder ob er gepfuscht hat.

Es geht bei der Auseinandersetzung darum, ob Patrick Sensburg in der Lage ist, wissenschaftlich zu arbeiten und zu publizieren.

Was soll eine Doktorarbeit leisten?
In einer Doktorarbeit zeigt der Promovend, dass er das Wissen seines Gebiets überblickt, er zeigt, dass er zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit in der Lage ist, er leistet einen Beitrag zur Wissenschaft, er stellt vielleicht sogar auf seinem Gebiet eine neue Theorie auf oder er betrachtet lediglich etwas schon Untersuchtes aus einem anderen Blickwinkel.

Das Handwerkszeug
Dazu muss er selbstverständlich sein „Handwerkszeug“ beherrschen. Zu diesem Handwerkszeug gehört das richtige Zitieren. Das lernt der Wissenschaftler gemeinhin im Grundstudium, so wie ein Schlosser das Feilen im ersten Lehrjahr lernt.

Ein Wissenschaftler, der bei seiner Dissertation handwerkliche Fehler beim Zitieren macht, entspricht einem Schlosser, der keine Schrauben eindrehen kann, oder einem Maler, der den Pinsel nicht beherrscht.

Warum ist das richtige Zitieren wichtig?

Es ist wichtig, um die Gedanken der Wissenschaftler auf denen die Arbeit aufbaut, von den eigenen Gedanken zu scheiden.

Was würden Sie sagen, wenn ein Kollege gegenüber dem Chef behauptete, dass er ein Werkstück hergestellt habe, welches in Wirklichkeit Sie selbst produziert haben, und wenn dieser Kollege auf Grund dieses Betruges befördert würde?

Der Vorwurf gegenüber Patrick Sensburg lautet: PES eignet sich fremde Produkte an.

Wie wird zitiert?

Es gibt im Grunde genommen gibt es  zwei Möglichkeiten zu zitieren:

a) das wörtliche Zitat

b) das indirekte (paraphrasierte) Zitat

Wer als Wissenschaftler bei a) patzt, also dem wörtlichen Zitat, müsste im Grunde genommen zurück auf die weiterführende Schule, von der er gekommen ist. Denn das ist einfach und auch für Nichwissenschaftler kaum misszuverstehen: Anführungszeichen drumherum und Quelle angeben. Fertig, so: „Dem Unwissenschaftler steht eine Unmenge von Möglichkeiten des Betrugs bei der Paraphrase zur Verfügung.“ (1)

Schwieriger wird es beim Laien mit b), aber auch das ist im Grunde genommen einfach:

Damit eine Arbeit lesbarer wird und nicht aussieht wie ein Flickenteppich von wörtlichen Zutaten voller Anführungszeichen, kann unser Wissenschaftler auch die indirekte Zitation, die Paraphrase verwenden. Hört sich schrecklich an, geht aber so:

wie schon Hans J. Schiebener in seinem Werk „Paraphrase und Wahnsinn“ ausführte, steht dem Unwissenschaftler eine Unmenge von Möglichkeiten des Betrugs bei der Paraphrase zur Verfügung. (1)

irgendwo dann in den Fußnoten: (1) Hans J. Schiebener, Paraphrase und Wahnsinn, Winterberg 2011, S. 34

Das heißt auf gut Deutsch, die Paraphrase wird erkennbar eingeleitet und mit dem Verweis auf die Fußnote abgeschlossen.

Alles nach der Fußnote ist dann wieder des Wissenschaftlers eigenes Gedankengut.

Wird die Fußnote mitten in die Paraphrase gesetzt, eignet sich der (Un)Wissenschaftler unrechtmäßig den der Fußnote folgenden Teil der Paraphrase, mithin das Werkstück anderer Wissenschaftler an. Er betrügt.
Ein Interview mit Patrick Sensburg in der Lokalzeitung

Von Oliver Eickhoff, Redakteur der WP/WR Meschede ist gestern ein Interview mit Patrick Sensburg erschienen, in welchem Prof. Dr. Patrick Sensburg Halbwahrheiten verbreitet.

Zwei Beispiele:

Nummer 1

„Frage: Hand aufs Herz: Besteht Ihre Doktor-Arbeit aus Plagiaten?

Antwort: Sensburg: Nein, ich würde sie genauso noch einmal schreiben. Mir wird eine falsche Zitierweise vorgeworden, aber ich zitiere so, wie es die Promotionsordnung der Fernuniversität Hagen vorsieht.“

In der Promotionsordnung der Fernuniversität Hagen steht kein Wort zur Zitierweise. Warum denn auch? „Zitierweise“ ist doch wie ich oben angeführt habe das Handwerk des Grundstudiums.

Aus welchem Grund sagt PES dies an dieser Stelle? Die einzige Antwort, die ich gefunden habe, lautet: Er wirft Nebelkerzen. Er will mit dem Begriff „Promotionsordnung“ den Leser erschlagen und er hofft darauf, das dieser Leser nicht weiter nachforscht. Leider fragt auch Oliver Eickhoff, der ja immerhin als Journalist für das Fragen bezahlt wird, nicht weiter nach. Auf der Hand hätte gelegen: „Was steht denn in der Promotionsordnung über das Zitieren?“

Auf seiner eigenen Website verweist Patrick Sensburg auf folgende Entlastung:

„Die vorliegende Dissertation wurde nach den Vorgaben der damals geltenden Promotionsordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaften der FernUniversität Hagen verfasst. Hiernach sind wörtliche oder sinngemäße Übernahmen aus anderen Schriften kenntlich zu machen. Dies ist durch Fußnoten erfolgt (siehe Beispiele). An dieser Stelle sei darüber hinaus exemplarisch auf die vorliegende positive und unabhängige Rezension von Norbert Janz in Kommunaljurist 8/2004, 294 verwiesen.“

Leider ist diese „vorliegende positive und unabhängige Rezension“ nicht verlinkt und damit nicht unmittelbar einsehbar. Wäre nett sie noch lesen zu dürfen, ohne in eine juristische Bücherei fahren zu müssen.

Weiterhin führt Sensburg acht Beispiel-Stellen aus VroniPlag an (ebda.), die er vermeintlich widerlegt. Dazu heißt es auf VroniPlag selbst:

Argumentationen auf VroniPlag:

„Ich habe mir einmal angesehen, welche Fragmente Herr Sensburg auf seiner Webseite auflistet und als „kein Plagiat“ klassizifiert. Mich würde übrigens auch seine Einschätzung aller bisher erstellten Fragmente interessieren (die übrigens nicht nur von mir stammen, wie die WAZ zu Unrecht behauptet).

Zu den bisher von ihm kommentierten Fragmente hier einige Anmerkungen meinerseits:

Pes/Fragment_027_24 – Nach der Fußnote wird weiter KGSt-Bericht 1993 paraphrasiert. Dies ist nicht kenntlich gemacht.

Pes/Fragment_028_05 – Die Fußnote deckt nicht das Ausmaß der Übernahme ab, zudem wird die Übernahme nach der Fußnote fortgesetzt, wobei diese Übernahme bis auf ein Wort wörtlich ist.

Pes/Fragment_043_34 – In der ersten Hälfte werden nur minimale Änderungen vorgenommen; eine Paraphrase würde anders aussehen, wie man auch am Ende des Satzes sehen kann.

Pes/Fragment_045_20 – Teilweise wortwörtliche Übernahme, die Wahrscheinlichkeit, dass der Verfasser hier so nah an den Worten des (nicht in einer Fußnote genannten) KGSt-Bericht 1998 ist und auch noch in diesem Zusammenhang ebenfalls auf Weeke verweist, ist sehr, sehr gering.

Pes/Fragment_054_26 – Bei dieser wortwörtlichen Übernahme (“aus der durch die Leistung resultierenden budgetären Belastung der übergeordneten Ebene, die ganz in ihrem Interesse handelnd eine Entlastung ihres Budgets um obsolete Leistungen anstreben wird.“) wären Anführungszeichen erforderlich.

Pes/Fragment_086_20 – Zwei Sätze werden fast wortwörtlich übernommen, ohne dass dies durch Anführungszeichen deutlich gemacht wurde. Dies ist auch durch die minimale Änderung nicht zu rechtfertigen. Auch wird durch die Fußnote nicht deutlich, dass sie sich auf zwei Sätze bezieht.

Pes/Fragment_104_03 – Auf dieser Seite wird weiter unten zweimal auf Böckenförde verwiesen (auf S. 74f. und auf S. 75). Es ist unwahrscheinlich, dass der Autor dann kurz davor von allein auf die Idee kam, Bornhak (1896 erschienen) zu lesen und dann genau die Stelle paraphrasiert, auf die Böckenförde auf S. 73 hinweist. Bornhak taucht auch nur an dieser einen Stelle in der Dissertation (und im Literaturverzeichnis) auf.

Pes/Fragment_163_25 – Die Übernahme wird nach der Fußnote fortsetzt. Auch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Autor an dieser Stelle ebenfalls Triepel, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Bd. 9 (1939) S. 4 f., zu Rate gezogen hat und auf die gleiche Stelle gestoßen ist, sehr gering.“

Nummer 2

Frage: Warum sollte Sie jemand zu Unrecht beschuldigen?

Antwort Sensburg: Es ist auffällig, dass die Vorwürfe in einer Zeit aufkommen, in der ich im Bundestag viel zu den Themen Online-Durchsuchung und Netzpolitik gesprochen habe. Der Inhalt wird nicht jedem gefallen haben. Auf mich wirken die Vorwürfe wie eine Kampagne, zumal Meinungen zu meinen Gunsten auf „VroniPlag“ gelöscht worden sind und die Fundstellen vor allem von einem einzigen anonymen Schreiber aufgelistet werden.

Nach meiner Kenntnis hat VroniPlag mit Sensburgs Einstellung zum Bundestrojaner nichts zu tun. VroniPlag hatte PES am Dienstagabend auf die Website gesetzt. Die Beteiligten konnten nicht ahnen, dass Sensburg sich ausgerechnet am darauf folgenden Mittwoch auf die Rednerliste im Bundestag setzen lassen und unter anderem dem CCC drohen würde.

Soweit erst einmal. Weitere Informationen und Einschätzungen später.

8 Gedanken zu „Causa Sensburg: Aufklärung oder Nebelkerzen?“

  1. Die für Zitierweisen einschlägigen Vorschriften der Promotionsordnung lauten:

    „§ 4 (5) Ziff. 5 Dem Antrag auf Promotion beizufügen ist „die Erklärung, dass die Bewerberin/der Bewerber sich bei der Dissertation keiner fremden Hilfe bedient und andere als die in der Arbeit angegebenen Hilfsmittel nicht benutzt hat, insbesondere dass sie/er wörtlich übernommene Ausführungen in der Arbeit gekennzeichnet hat, […]“

    § 6 (1) Ziff. 2 „sie [erg. die Dissertation] muss eine den wissenschaftlichen Arbeitsprinzipien entsprechende Dokumentation über das ausgewertete Material enthalten, […]“

    § 6 (1) Ziff. 3 „sie [erg. die Dissertation] muss formal einwandfrei sein, […]“

    § 4 (5) Ziff. 5 enthält keine expliziten Vorschriften darüber, dass wörtliche Übernahmen durch Anführung zu kennzeichnen sind.

    Die in § 6 (1) Ziff. 2 erwähnten „wissenschaftlichen Arbeitsprinzipien“ sind auslegungsbedürftig. Gleiches gilt für die in § 6 (1) Ziff. 3 formulierte Anforderung, dass die Arbeit „formal einwandfrei sein“ soll.

    Auf diesem Hintergrund ist die Stellungnahme des Kandidaten nachvollziehbar, dass die Arbeit in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Promotionsordnung eingereicht worden sei. Wäre ich Anwalt des S., würde ich wohl Ähnliches behaupten. Sofern also nur der Promotionsauschuss der Fernuni zu befinden hätte, ob die Arbeit in Übereinstimmung mit den entsprechenden Bestimmungen eingereicht und bewertet worden wäre, wäre angesichts der vom Kandidaten nicht zu verantwortenden Auslegungsbedürftigkeit der entsprechenden Bestimmungen ‚in dubio pro reo‘ zu entscheiden.

    Auf diesem Hintergrund ist es von elementarer Wichtigkeit in Erfahrung zu bringen, ob die Fernuniversität die Dissertation des S. als ‚wissenschaftliches Fehlverhalten‘ ansieht. Eine entsprechende Kommission wäre nicht an die im Vertrauen auf die Kandidaten wohl bewusst vage formulierte Promotionsordnung gebunden, sondern hätte die Arbeit nach allgemein anerkannten Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens, u. U. auch unter Beiziehung externer Gutachter, zu entscheiden.

    Bleibt am Ball!

  2. Ein Schlupfloch könnte aufgemacht werden, indem behauptet würde, S. sei während seiner Promotion durch ein Stipendium finanziert worden, deswegen greife eine Recherche wissenschaftlichen Fehlverhaltens nicht. Diese Auffassung ist insofern irrig, als dass S., um an der Universität promovieren zu können, an ihr eingeschrieben gewesen sein muss. Er war während seiner Promotion also Mitglied der Universität, deswegen kann nach meiner Einschätzung die Angelegenheit nicht allein dem Promotionsausschuss überantwortet werden. Sollte dies von der Fernuniversität vorgesehen werden, bliebe übrigens immer noch die Beschwerde beim Ombudsmann der Fernuniversität (http://www.fernuni-hagen.de/arbeiten/lehren/forschungpraktisch/wisspraxis.shtml) oder dem Ombudsmann für die Wissenschaft der DFG (http://www.ombudsman-fuer-die-wissenschaft.de/index.html).

  3. Ich habe nicht die geringste Ahnung wie die FU entscheiden könnte, wobei sich das \wie\ sowohl auf den Ausgang als auch auf das Verfahren selbst bezieht. Ich weiß auch überhaupt nicht, ob die FU unter Druck steht. Sie darf sich meiner Meinung nach nicht erlauben, am Schluss des Verfahrens als \Uni-Light\ dazustehen.

  4. Es gibt natürlich nicht nur die Möglichkeitk, Anführungszeichen zu setzen um wörtliche Übernahmen formal von Selbstgeschriebenem abzuheben. Es ist bloß eine der Möglichkeiten. In allen Fällen muss aber erkennbar sein, wann die Übernahme beginnt, wann sie endet und was evtl. verändert wurde (z.B. einzelne Worte angepasst, damit ein geeigneter Lesefluss entsteht). Es gibt unzählige Werke zum wissenschaftlich redlichen Zitieren. In den Grundsätzen stimmen aber alle mit dem Obigen überein.

    1. Könnten Sie/kannst Du eventuell ein Beispiel bringen, wie eine wörtliche Übernahme ohne Anführungszeichen aussehen muss? Bin selber schon am Suchen, da mir auch schon aufgefallen ist, dass Patrick Sensburg anscheinend durchgängig(?) keine Anführungszeichen verwendet.

  5. Man kann das wörtliche Zitat z.B. auch einrücken und extra stellen. Verwendet man die sog. „Harvard-Zitierweise“ gilt dies ab einer bestimmt Zeilenmenge. Zu finden ist das Beispiel im aktuellen PDF von Jonas Bahr und Malte Frackmann vom Institut für Praxisforschung Solothurn in der Schweiz: http://www.institut-praxisforschung.ch/Portals/0/Jonas/Harvard-Zitierweise.pdf
    Der größte Teil des Dokuments beschäftigt sich mit der richtigen Angabe der Quelle, immerhin unterscheiden sich die verschiedenen Zitierweisen hauptsächlich nur dadurch, wie die Quellen angegeben werden. Für ein konkretes Beispiel, wo man keine Anführungszeichen setzen MUSS, aber KANN(!) siehe Seite 14.
    Diese Art Zitation findet sich aber bei P.E. Sensburg wohl nicht, sonst wäre nichts zu beanstanden. 🙂

    Es fallen allerdings einige Schlampigkeiten auf, dass z.B. nach einer Fußnote nochmal munter ein weiterer Satz übernommen wird. Im Einzelfall mag das noch durchgehen, bei gehäuft auftretenden Stellen sollte man sich Gedanken machen, wie es der Verfasser mit der wissenschaftlichen Sorgfalt hält.

    Mag sein, dass P.E. Sensburg ein guter, volksnaher Politiker ist, der sich um die Probleme der Bürger in seinem Wahlkreis kümmert. Das kann ich nicht beurteilen, da ich nicht aus seinem Wahlkreis bin.
    Aber ein guter, sorgfältiger Wissenschaftler ist er jedenfalls nicht. Zumindest was seine Dissertation anbelangt.

    PS: Ich nehme das „Du“.

  6. @ #4

    Die Doktormutter Sensburgs ist hochschulinternes Mitglied des Hochschulrats der Fernuniversität. Im inneruniversitären Machtgefüge ist diese Tatsache unter Umständen nicht zu vernachlässigen.

    Sensburg stand nach seiner Promotion für längere Zeit in Diensten der Fernuni.

    Sensburg steht nun in Diensten des Innenministers des Landes. Die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung bildet Landesbeamte aus.

    Würde Sensburg der Titel aberkannt, wäre er als Professor der FH unter einem SPD-Innenminister also wohl kaum zu halten – in jungen Jahren wäre er damit zur Berufspolitikerkarriere verurteilt (und das mit ramponiertem Image). Die Alternative wäre wohl nur noch die Niederlassung als Rechtsanwalt im AG-Bezirk Brilon.

    Angesichts dieser Konstellation ist kaum damit zu rechnen, daß Sensburg wie Guttenberg irgendwann einsehen wird, daß die Schlacht verloren ist.

    Damit würde er im Falle einer Aberkennung auf den Status von Frau Koch-Mehrin (’nix anständiges gelernt‘) zurückfallen, die sich ja nun vor Gericht zur Wehr setzt.

    So lange sich im öffentlichen Raum die Empörung in Grenzen hält (‚objektive‘ Berichterstattung der Lokalmedien und Gemeckere in ’so’nem Blog‘), wächst die Versuchung, die Angelegenheit unter Verweis auf die von mir zitierten Gummiparagraphen mit einem ‚Klaps auf die Hand‘ aus der Welt zu schaffen, sie also effektiv unter den Teppich zu kehren. Dieser Versuchung gibt man um so eher nach, je geringer der öffentliche Druck zu sein scheint. Ein solches Kalkül funktioniert natürlich nur, wenn nicht noch hinterher ein Skandal draus wird – aber bislang sind die überregionalen Medien in dieser Angelegenheit ja sehr ruhig geblieben.

    Daß bislang lediglich der Promotionsausschuß – also die Instanz, die nur die oben angeführten ‚Gummiparagraphen‘ zugrundezulegen hat – die Angelegenheit zu beurteilen hat, stimmt insofern nicht zuversichtlich.

    ‚Wissenschaftliches Fehlverhalten‘ ist demgegenüber weiter gefaßt: Bei einer solchen Beurteilung zählt nicht die Promotionsordnung, sondern das, was Wissenschaftler für gute wissenschaftliche Praxis halten. In Hamburg liest sich das so: „Jede wörtliche Übernahme eines fremden Textes ist durch Anführungsstriche zu kennzeichnen.“ („Richtlinie zur Sicherstellung der Einhaltung von Regeln wissenschaftlicher Redlichkeit, zur Vermeidung von Plagiaten und zu den Anforderungen an Begutachtungsprozesse im Promotionsverfahren an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg“, http://www.jura.uni-hamburg.de/public/upload/richtlinie_gute_praxis.pdf). Würde also ein Hamburger Jurist oder Herr Fischer-Locarno (der Entdecker der Guttenberg-Plagiate) diese Arbeit zu begutachten haben, wäre wohl mit wenig Nachsicht zu rechnen.

    Universitäten sind komplizierte Gebilde. Der Gedanke, dort säßen überwiegend Menschen, die dem „Schönen, Wahren und Guten“ verpflichtet sind, gilt bestenfalls eingeschränkt. Die Fernuniversität als Institution wird den Weg wählen, der ihr am wenigsten schadet. Die Herstellung von Öffentlichkeit ist sicherlich sehr hilfreich, um die verantwortlichen Akteure vor kurzfristiger Schadensbegrenzung zu bewahren.

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